Ilona Duczyńska
Ilona Duczyńska wurde am 11. März 1897 in Maria Enzersdorf geboren. Obwohl sie aus einer adeligen polnischen Militärfamilie stammte, engagierte sie sich ihr Leben lang in der revolutionären sozialistischen Bewegung. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, unterstütze die österreichische Sozialdemokratie den sinnlosen Krieg – Ilona nicht. Aufgrund ihrer Antikriegsposition wurde sie, gerade einmal 17 Jahre alt, aus ihrem Gymnasium geschmissen. Nachdem sie die Externistenmatura nachgeholt hatte, zog sie 1915 zum Studieren nach Zürich. Dort schloss sie Freundschaft mit den russischen Revolutionären Lenin und Nadeschda Krupskaja.
Die Revolution beginnt
Die Russische Februarrevolution war für tausende Aktivist_innen das Signal, dass eine andere Welt möglich ist. Begeistert von diesem Ereignis unterbrach Ilona 1917 ihr Studium und reiste zurück nach Wien und später nach Budapest. Nach Friedrich Adlers Anschlag auf den österreichischen Ministerpräsidenten Graf Stürgkh, besorgte sie sich in Ungarn eine Waffe und wollte den Ministerpräsidenten Tisza erschießen. Aufgrund des Rücktritts von Tisza kam es aber nicht zu dem Attentat. Über den studentischen Diskutierzirkel Galilei kam Ilona in Kontakt mit der revolutionären Arbeiter_innenbewegung. Die beiden russischen Revolutionen hatten der ganzen Welt die Macht der Arbeiter_innenklasse vor Augen geführt. So konzentrierte auch Ilona ihre Kraft auf die Unterstützung und Diskussion mit dieser mächtigen Bewegung anstatt auf sinnlose individuelle Attentate.
Kurz vor dem Jännerstreik 1918 verbreitete der Galilei-Kreis Flugblätter in denen zu Massenstreiks gegen den Krieg aufgerufen wurde. Aufgrund eines Denunzianten kam die Polizei der Gruppe auf die Schliche und Ilona wurde verhaftet. Im Zuge der Asternrevolution (Ungarn löste sich von der Habsburgermonarchie) im Oktober 1918 wurde sie befreit. Sie trat der Kommunistischen Partei um Bela Kun bei und erlebte die Ungarische Räterepublik.
Nach der Niederschlagung der Räterepublik floh sie unter falschen Namen nach Österreich. In der von Paul Levi herausgegebenen Zeitung Unser Weg kritisierte sie 1922 unter Berufung auf Lenin die ungarische KP für ihre Korruption und ihre „Überhöhung über die Massen“. Anstatt einer offenen Diskussion folgte auf die Kritik der Parteiausschluss.
Justizpalastbrand
Enttäuscht von diesem Ereignis trat Ilona der österreichischen Sozialdemokratie (SDAP) bei, zog sich aber für die folgenden Jahre aus der Politik zurück. Am 15. Juli 1927 endete dieser Rückzug. Aufgebrachte sozialdemokratische Arbeiter_innen hatten den Wiener Justizpalast in Brand gesetzt, und die SDAP unternahm nichts als die Polizei das Feuer auf die Demonstrant_innen eröffnete. Erneut ging Ilona auf Konfrontationskurs mit der Parteiführung, und attackierte die versöhnlerische Politik der SDAP. Für ihre völlig gerechtfertigte Kritik erntete sie ein Parteiausschlussverfahren.
Autonomer Schutzbund
Die defensive Politik der SDAP hatte zum Ergebnis, dass sich die Christlichsoziale Partei (heutige ÖVP) 1933 an die Macht putschen konnte und die SDAP die Republik kampflos aufgab.
Ilona Duczyńska mit ihrem Ehemann Karl Polanyi in Kinswiew, Kent in England 1939 © Foto: Karl Polanyi Levitt
Während der Kämpfe der Arbeiter_innen gegen den Putsch im Februar 1934 flüchtete der Anführer des Schutzbundes (Kampforganisation der SDAP), Julius Deutsch, aus Wien nach Brünn. Ilona aber blieb in Wien und organsierte den Kampf in der Illegalität. Sie trat wieder der KPÖ bei und bereitete sich im Autonomen Schutzbund auf den bewaffneten Kampf gegen die Faschisten vor.
Sie wurde schnell zu einer Führungsfigur des illegalen Widerstands und musste 1936 zu ihrem Mann, dem Soziologen Karl Polanyi, nach London flüchten. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete sie in der englischen Kriegsindustrie und flog angeblich mehrere Einsätze für die Royal Air Force.
„Ich war nie wirklich ausgebildet, weil bei Seminaren habe ich eigentlich nicht zugehört. Auch war ich nicht sehr belesen. Ich hab’ immer an Aktion geglaubt.“ Jedoch ist ihre Behauptung, nicht sehr belesen zu sein, eine krasse Untertreibung. In ihrem lesenswerten Buch Der Demokratische Bolschewiki: Zur Theorie und Praxis der Gewalt zeigt sie eindrücklich, dass sie auch intellektuell, den meisten sich belesen gebenden Menschen überlegen ist. Das Zusammenspiel von politischer Praxis und Theorie, welche sich durch Ilonas Leben zieht, sollte auch uns ein Beispiel sein.