V wie Vendetta
In dieser scheinbar widerstandslosen Gesellschaft sprengt der Hauptcharakter „V“, verkleidet als Guy Fawkes, das britische Parlamentsgebäude, rettet das Mädchen Evey und beginnt seinen Rachefeldzug gegen die Faschisten, die im KZ Experimente an ihm durchgeführt hatten. Im weiteren Verlauf der Geschichte ermordet er die Führer und spielt diese gegeneinander aus, bis am Ende das Regime führerlos ist und 10 Downing Street gesprengt wird, während Menschen als „V“ verkleidet den Aufstand beginnen.
Neben der Ermordung diverser Faschisten und ihrer Handlanger, was man feiern sollte, stechen zwei seiner Taten besonders hervor. Nachdem Evey „V“ verlässt und ihren ermordeten Geliebten Gordon rächen möchte, entführt „V“ sie, sperrt sie in eine Zelle und foltert sie über mehrere Wochen, bis er sie als „befreit“ vom Gefängnis der Gesellschaft bezeichnet. Sie ist zunächst wütend auf ihn und beschimpft ihn, bis sie sich ihrem Schicksal hingibt, seine Nachfolgerin zu werden.
Der zweite Moment ist jener, als „V“ in das Propagandagebäude einbricht und die Live-Übertragung für eine Ansprache an die Menschen kapert. Er wirft der gesamten Menschheit vor, seit Anbeginn immer nach starken Führern zu suchen, um sich ihnen Untertan zu machen. Am Ende gibt er den Zuschauer:innen zwei Jahre Zeit, sich vom faschistischen Regime zu befreien, ansonsten droht er mit ihrer Auslöschung.
Die Figur des Guy Fawkes als Held des Widerstands ist schlecht gewählt. Er war Mitverschwörer in einem Terrorakt, bei dem das britische Parlamentsgebäude gesprengt und die königliche Familie ausgelöscht werden sollte. Als Teil einer katholischen Sekte im protestantischen England agierte er für eine kleine Minderheit, die einen katholischen König einsetzen wollte. Fortschritt hätte das für die Engländer:innen nicht gebracht.
So fantastisch der Anarchist Moore die Geschichte auch erzählt und vielschichtige Charaktere erschafft, so gefährlich ist leider auch die zugrunde liegende Botschaft der Graphic Novel. Attentate und andere Terrorakte wurden in der Vergangenheit von den Herrschern immer dazu verwendet, die Freiheit weiter einzuschränken und damit den Widerstand der Massen zu erschweren. Beispielhaft wurde der Reichstagsbrand von den Nazis dazu verwendet, sich die Macht aushändigen zu lassen.
Auch die gerechtfertigten Rachegelüste, die durch das Ermorden der Faschisten befriedigt werden, dürfen Handlungen einzelner Helden sein, um die Masse zu befreien. Die Haltung gegenüber den unter dem faschistischen Regime lebenden Menschen, sie seien Mittäter und müssten sich erst ihre „Befreiung“ verdienen, treibt Menschen noch mehr ins Einzeltätertum und weg von den Massen.
So verführerisch ein befreiender Held wie „V“ wirken mag, es braucht den breiten Widerstand in der Bevölkerung, die ihr Gesicht zeigen, um ein Regime zu stürzen und eine neue, sozialistische Gesellschaft aufzubauen.