Antifaschismus: Reißen wir uns zusammen

Die wichtigste Lehre aus der Geschichte ist: „Wehret den Anfängen!“ Der Aufwind für die radikale Rechte war seit 1945 nie größer und wir müssen die Frage beantworten, wie wir dem entgegentreten. Die antifaschistische Bewegung ist uneins und geschwächt.
30. April 2025 |

Der Politologe Anton Pelinka weist auf die Einzigartigkeit von Melonis und Kickls Parteien hin: „Die Alleanza Nazionale steht zur Faschistischen Partei Italiens in ähnlicher Kontinuität wie die FPÖ zur NSDAP.“ Die Partei Fratelli d’Italia von Meloni gilt nach Spaltungen als Nachfolge-Partei der Alleanza Nazionale. Sie haben jeden Grund zum Feiern. Zum einen gewinnen sie Wahlen und zum anderen macht der reichste Mann der Welt bei der Angelobung des Präsidenten der Vereinigten Staaten zwei Mal den Hitler-Gruß. Elon Musk, Chefberater von Donald Trump, initiiert in sozialen Medien einen Hype um faschistische Parteien in Europa. Der Aufstieg der Faschisten in Deutschland, Frankreich, usw. zeigt, dass der Schoß noch fruchtbar ist. Die Zeit der multiplen Krisen nutzen die Rechtsextremen und Faschisten geschickt für sich, die Linke ist dagegen tief gespalten.

Comeback des Faschismus?

Der Hauptgrund für unsere Niederlage in den Dreißigerjahren, bzw. für den Triumph Hitlers, war natürlich das Verhalten der deutschen Eliten, das kann man nicht der radikalen Linken anlasten. Aber die Linke muss sich heute dessen bewusst sein, dass die Eliten bald wieder bereit sind, dem Faschismus die Tore zu öffnen. Die ÖVP regiert bereits in fünf Bundesländern mit der FPÖ und ihre Förderer, die Industriellen, hätten auch auf Bundesebene eine Koalition mit der FPÖ bevorzugt. Ein ähnliches Bild sehen wir auf globaler Ebene. Es ist nicht schwer sich auszudenken, wie weit das Kapital gehen wird, wenn sich die Krise wie in den 1930ern vertieft. Wie wir Faschismus aufhalten, ist also keine abstrakte Fragestellung, sondern in absehbarer Zeit eine Frage auf Leben und Tod.

Wir brauchen die nötige Masse und die nötige Radikalität in Bündnissen gegen die Faschisten. Der Holocaust-Überlebende und Sozialdemokrat Martin Löwenberg mahnte: „Eine bittere Lehre, die wir Überlebende der faschistischen Barbarei nach der Befreiung ziehen mussten, war die Erkenntnis, dass Nazismus, Völkermord und Krieg hätten verhindert werden können, wenn Antinazis und Demokraten die Gefahr rechtzeitig erkannt und gemeinsam den Kampf gegen die braune Pest geführt hätten.“ Als revolutionäre Sozialisten setzen wir daher auf Leo Trotzkis altbewährte Taktik der „Einheitsfront“.
Trotzki, der Gegenspieler Stalins, schrieb eindringliche Appellen an die deutsche und französische Arbeiterklasse, in denen er versuchte, sie zu einer effizienten Zusammenarbeit gegen die faschistische Gefahr zu bewegen. Er warnte vor Strategien wie jener der deutschen KP, die eine Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie ablehnte, weil jene „sozialfaschistisch“ sei und somit nur wenig besser als die NSDAP. Dieses Sektierertum war tödlich, es war mit ein Grund für unsere Niederlage in den 1930er-Jahren. Und es scheint sich zu wiederholen. Die antifaschistische Bewegung und die Sozialdemokratie finden nicht so recht zusammen.

SPÖ täuscht sich

Wir haben der SPÖ dafür applaudiert, dass sie bei den ersten Koalitionsverhandlungen in entscheidenden sozialen Fragen standhaft geblieben ist, auch wenn die NEOS und die ÖVP deshalb die Verhandlungen platzen ließen. Jetzt sind sie im zweiten Anlauf lauter faule Kompromisse eingegangen, die ihnen erstens auf den Kopf fallen werden, und die zweitens die FPÖ direkt stärken werden. Zwei Maßnahmen stechen hervor; die Aussetzung des Familiennachzugs und die Erhöhung des Rüstungsbudgets. Erstere ist egal, wie man sie rechtfertigt, unmenschlich und rassistisch. Sie wird als Kniefall vor der FPÖ verstanden, und wird diese dementsprechend stärken. Zweitere, die Aufrüstung, spielt der FPÖ vielleicht noch stärker in die Hände, weil sie jetzt als einzige Parlamentspartei für Widerstand gegen die NATO und die Rüstungsspirale steht. Es wird Zeit, dass KPÖ, LINKS und Friedensbewegung zu diesem Thema Präsenz auf der Straße zeigen.

Druck von oben

Es ist nicht nur purer Unwillen auf beiden Seiten, der ein Zusammenkommen der Antifa mit der Arbeiter:innenbewegung schwer macht. Auch der ideologische Druck durch Islamfeindlichkeit und durch Zionismus auf die Bewegung wiegt schwer. Das Gift des Islamfeindlichen Rassismus ist so wirksam, dass sich die Bewegung längst entlang dieser Frage gespalten hat. Ein Teil traut sich nicht mehr mit muslimischen Organisationen zusammenzuarbeiten oder stimmt selbst in den Chor der Rassisten mit ein. Österreich ist nicht umsonst in Sachen Diskriminierung von Muslimen der Spitzenreiter in Europa. Zionismus schlägt in dieselbe Kerbe. Unterstützer Israels importieren die Frontstellung im Nahen Osten und stellen die muslimische Welt als ihren Hauptgegner dar bzw. stempeln Muslime als grundsätzlich antisemitisch ab. Und diese Kräfte tun alles, um die muslimischen Organisationen aus der Bewegung draußen zu halten. Dabei ist uns allen theoretisch klar, dass man die Opfer von Rassismus in eine antirassistische Bewegung miteinbeziehen muss, wenn sie etwas bewegen soll. Konfrontiert mit dieser feindseligen Haltung kommen die Muslime klarerweise nicht. Jetzt stehen wir vor dem mehrfachen Dilemma, dass ein Teil der Bewegung nicht mit der SPÖ oder ihren Vorfeldorganisationen zusammenarbeiten würde, ein Teil würde nicht mit Palästina-solidarischen Gruppen zusammenarbeiten. GRÜNE, SPÖ und ihre Vorfeldorganisationen scheuen ebenfalls die Kooperation mit Palästina-solidarischen Gruppen. Zwischen all diesen Flügeln gibt es große Schnittmengen. Übrig bleibt eine geschrumpfte antifaschistische Bewegung, die der größten Herausforderung seit 1945 gegenübersteht.

linksradikal und sektiererisch

Die Autonome Antifa sammelte in den letzten Jahren gute und entschlossene Kämpfer:innen. Viele junge Leute sind der Überzeugung, dass man die Faschisten direkt konfrontieren muss. Als Autonome nutzen sie diesen Zulauf natürlich nicht, um breite Proteste gegen die Faschisten aufzubauen, die Radikalität und Masse kombinieren können. Sie setzen voll und ganz auf ihre eigene Stärke, eine Illusion angesichts der Macht des Staatsapparats, der immer deutlicher seine Sympathien für die Neonazis zeigt. Weder überwindet man die Polizei mit einer kleinen Truppe vermummter Kämpfer:innen, noch verhindert man Triumphe der FPÖ. Schlimmer noch, die Autonomen haben mehrfach selbst die antifaschistische Bewegung gespalten, geschwächt und demobilisiert, denn sie selbst sind in der Haltung zu Palästina gespalten. Wer Naziaufmärsche verhindern wollte, wurde frustriert.

Potential liegt brach

Das Absurde an diesen Problemen ist, dass sie blind für das riesige Potential von antifaschistischen und antirassistischen Protesten machen. Seit geraumer Zeit schon gibt es ein richtiges Bedürfnis nach Vergeltung. Ein Großteil der Menschen ist komplett angewidert von der Unmenschlichkeit der Politik und der dem Aufstieg der Faschisten. Dieses Potential liegt unnötigerweise brach. Es ist also höchste Zeit, dass alle Kräfte, die es mit Faschismus-verhindern ernst meinen, sich zusammenraufen.