Aufstand in Auschwitz

Im KZ Auschwitz/Birkenau haben zwei Aufstände bzw. Häftlingsrevolten stattgefunden. Ihre atemberaubenden Geschichten verändern das Bild, das man sich oft von den Opfern der Nazis macht. Sie beweisen, dass Menschen selbst in den schwierigsten aller Situationen, in die sie gestoßen werden können, Wege finden, Widerstand zu leisten und ihre Menschenwürde zu verteidigen.
30. Oktober 2015 |

Im Jahr 1944 organisierten Häftlinge zwei Mal Aufstände, die leider viel zu wenig bekannt geworden sind. Die erste Häftlingsrevolte von Auschwitz wurde am 16. Mai 1944 von den Sinti und Roma im „Zigeunerlager Auschwitz“ organisiert. Sie erfuhren von den Plänen der SS, alle Roma und Sinti zu liquidieren und beschlossen nicht widerstandslos in den Tod zu gehen.

„Die Sinti haben sich auch gegen die „Liquidierung“ des „Zigeunerlager“ zur Wehr gesetzt. Das war eine ganz tragische Geschichte. Da haben die Sinti aus Blech Waffen gemacht. Sie haben die Bleche zugespitzt zu Messern. Damit und mit Stöcken haben sie sich bis zum Äußersten gewehrt.“ berichtet die Überlebende des „Zigeunerlagers“ Elisabeth Guttenberger.

Der erst im Juni 2015 verstorbene Hugo Höllenreiner hat den Aufstand als Elfjähriger mitgemacht und den Porajmos, so nennen die Roma den systematischen Völkermord, überlebt: „Wir kommen nicht raus!“, hat sein Vater geschrien. „Wenn ihr was wollt, müsst ihr reinkommen!“

Stolz auf die Widerständigen

Tatsächlich waren die SS-Schergen so verunsichert, dass sie wieder abzogen, ohne auch nur einen der Sinti und Roma in die Gaskammern abtransportiert zu haben. Auch wenn in der Folge beinahe alle beteiligten Roma und Sinti ermordet wurden, meinte Höllenreiner bei seinen Vorträgen als Zeitzeuge: „Ich bin heute noch stolz darauf, dass sich die Leute gewehrt haben“! Auch die danach folgende Liquidierung des Lagers konnte nur mehr gegen harten Widerstand durchgeführt werden.

„Ich bin heute noch stolz darauf, dass sich die Leute gewehrt haben!”

„Ein SS-Wachmann erzählte mir, wie viel schwieriger diese Sonderaktion gewesen sei als alles andere, was jemals in Auschwitz durchgeführt worden sei … Es seien Schlägereien ausgebrochen, Schüsse losgegangen und es habe Verwundete gegeben. SS-Verstärkung sei angerückt, als die Lastwagen erst halb voll waren. Die „Zigeuner“ hätten selbst Brotlaibe als Wurfgeschosse benutzt. Aber die SS sei zu stark gewesen, zu geübt, zu zahlreich.“, (Dazlo Tilany über die „Liquidierung“ des „Zigeunerlagers“).

Ungerechtigkeit fortgesetzt

Ein großer Teil der Häftlinge kam aus dem „Zigeuner-Anhaltelager Lackenbach“ im Burgenland. Historiker gehen davon aus, dass rund 22.600 Sinti und Roma in Auschwitz inhaftiert waren, von denen nur 3.300 überlebten. Die Revolte hat zu ihrem Überleben beigetragen.

Lagerkommandant Rudolf Höß, vorne rechts
Lagerkommandant Rudolf Höß, vorne rechts

Den Überlebenden von Lackenbach wurde oft systematisch die Zahlung von Entschädigungen durch die Republik Österreich verwehrt, und zwar mit der vielsagenden Begründung, dass es sich bei dem Lager nur um eine präventiv polizeiliche Maßnahme zur „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ gehandelt habe. Denn viele Sinti und Roma arbeiteten in den besetzten Gebieten eng mit antifaschistischen Widerstandsgruppen zusammen und verloren im bewaffneten Kampf gegen den Nationalsozialismus ihr Leben. Überlebende wie Höllenreiner hat der Aufstand dazu inspiriert, nach dem Krieg im Antifaschismus aktiv zu bleiben.

Aufstand der Funktionshäftlinge

Fünf Monate später erhob sich eine Gruppe von Häftlingen zum Aufstand, die genau über die Tötungsmaschinerie der SS Bescheid wusste: Mitglieder des Sonderkommandos im Krematorium III/IV im KZ Auschwitz-Birkenau, einem Arbeitskommando von Häftlingen, das dazu gezwungen wurde, den Massenmord durch die SS bis hin zu den Verbrennungen im Krematorium zu unterstützen. Die Mitglieder der Sonderkommandos wurden alle paar Monate ermordet, da sie als eine der wenigen das ganze Ausmaß der Vernichtungsmaschinerie kannten.

Die Pläne für den Aufstand wurden seit Herbst 1943 entwickelt, am 7. Oktober 1944 griffen Häftlinge die SS-Schergen an. Das Ziel war die größtmögliche Zerstörung der Tötungs- und Verbrennungsanlagen. Die Waffen und den Sprengstoff dazu schmuggelten weibliche Gefangene aus einer Waffenfabrik.

Der Widerstand der Kärntner Partisaninnen gegen Hitler

Der Widerstand der Kärntner Partisaninnen gegen Hitler

Ein Krematorium wurde komplett, ein anderes teilweise zerstört, und auch nicht wieder aufgebaut. 250 Häftlinge konnten während der Revolte fliehen, aber fast alle wurden aufgegriffen und ermordet. Aus Rache ermordete die SS weitere 451 Häftlinge und zwei Monate später am 5. Jänner 1945 vier wichtige Teilnehmerinnen des Aufstands: Ala Gertner, Róża Robota, Regina Safirsztajn und Ester Wajcblum. Augenzeug_innen, welche der Hinrichtung zusehen mussten, berichten, dass die vier Frauen trotz monatelanger Folter ungebrochen waren und, dass sie ihren Widerstandsgeist weit über den Appellplatz durch aufsässige Rufe hören ließen.

Buchtipp
Art Spiegelman: Maus - Die Geschichte eines Überlebenden: Die zentrale Figur der Geschichte ist Spiegelmans Vater Wladek, ein Holocaust-Überlebender. Die Geschichte wird als Fabel wiedergegeben: dabei werden Juden als Mäuse und Deutsche als Katzen dargestellt.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.