COP21: Die Welt braucht etwas Besseres, als das Paris-Abkommen
Die weltweiten Proteste zum Klimagipfel (21st Conference of the Parties on Climate Change, kurz COP21) haben Einfluss gezeigt: Der Klimagipfel stand unter enormen Druck, Ergebnisse präsentieren zu müssen. Niemand der Regierungvertreter_innen konnten sich in Paris noch erlauben den Klimawandel zu leugnen. Die Anforderungen der Öffentlichkeit an die Konferenz waren laut und deutlich: Wir brauchen große Veränderungen und zwar schnell. Allen Beteiligten der Konferenz war das bewusst.
Die Delegierten mussten sich ins Zeug legen, um in den knapp zwei Wochen ein möglichst herzeigbares Ergebnis zustande zu bekommen. Der französische Außenminister Laurent Fabius drängte darauf, vor der Klärung von technischen Details über den Vertrag abzustimmen, um den Zeitplan einzuhalten. Durch den Druck schienen die Politiker_innen ihre eigenen Erwartungen übertroffen zu haben. Mehrfach bezeichneten sie den Vertrag als „historisch“. Frankreichs Präsident François Hollande sprach gar von „revolutionär“, auch der US-Präsident Barack Obama feierte das Ergebnis und betonte die Rolle der USA für das Zustandekommen des Vertrages.
Forderungen der Bewegung
Tatsächlich konnten sich die Delegierten der 196 Staaten der UN-Klimarahmenkonvention auf eine zentrale Forderung der Umweltproteste einigen: der globale Temperaturanstieg sollte auf 2°C, möglichst auf 1,5°C begrenzt werden. Zwischen 2050 und 2100 soll eine Null-Netto-Emission erreicht werden, also nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen, als gebunden werden. Das bedeutet praktisch den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen verbunden mit Aufforstungsprojekten.
Eine andere zentrale Forderung der Protest-Bewegung, die „Klimagerechtigkeit“, fand auch Einzug in die Verhandlungen: die Industriestaaten „sollten“ jährlich 100 Milliarden Dollar, etwa 91 Milliarden Euro, zum Klimaschutz ärmeren Ländern zur Verfügung stellen.
Lippenbekenntnisse
Die Anerkennung der Forderungen der Umweltbewegung ist ein riesiger Erfolg. Das Paris-Abkommen offenbart gleichzeitig die Unfähigkeit der Politik, diese Minimalforderungen auch nur ansatzweise umsetzen zu können. Das 1,5-Grad-Ziel ist ein Lippenbekenntnis. Das Abkommen selbst bestätigt, dass es in den nächsten Jahren zum weiteren Anstieg der CO2-Emissionen kommen wird und gerade Entwicklungsländer eher später als früher ihre Emissionen senken werden können.
Es wurden keinerlei rechtlich bindende Werkzeuge beschlossen, die Staaten und Industrie zur tatsächlichen Senkung der Treibhausgasemissionen ermutigen würden. Die Null-Netto-Emission, die laut Abkommen zwischen 2050 und 2100 auf unklare Weise erreicht werden soll, ist für das 1,5-Grad-Ziel zudem viel zu spät angesetzt. Die Umsetzung der Emissions-Senkung ist den einzelnen Staaten selbst überlassen. Ab 2023 soll alle fünf Jahre kontrolliert werden, ob die Zusagen einzelner Länder erfüllt werden oder ob die Ziele verschärft werden müssen.
Emissionen werden steigen
Wenn man sich die abgegebenen Versprechen im Detail ansieht, wird klar, dass die hochgesteckten Ziele von Paris gar nicht eingehalten werden können. Der Klimaforscher Jonathan Neale hat gezeigt, dass die scheinbar beschlossene Reduktion der CO2-Emissionen nur mittels kosmetischer Tricks verpackt wurde – in Wahrheit die Länder, die mittlerweile für zwei Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind (China, Indien, Russland und andere) versprochen haben, die CO2-Emissionen ansteigen zu lassen.
Die Ziele sind hochgesteckt, die Versprechungen reichen nicht, und schließlich sieht die politische Realität düster aus.
Die Ziele sind hochgesteckt, die Versprechungen reichen nicht, und schließlich sieht die politische Realität düster aus. Während die Emissionen Jahr für Jahr ansteigen, werden weiterhin Kriege um Öl geführt, wie derzeit in Syrien, während die Demokratie-Bewegung im Land weiter isoliert wird. Im Zuge der allgemeinen Sparpolitik Europas werden Subventionen für den öffentlichen Verkehr, erneuerbare Energien oder wie in Österreich für die thermische Gebäudesanierung gestrichen.
Politische Realitäten
Sollten Staaten nicht einmal die geringen Versprechungen von Paris einhalten wollen, wird sich immer die Ausrede von wirtschaftlichen Notwendigkeiten finden lassen. James Hansen, Klimaforscher und Professor für Erd- und Umweltwissenschaften an der Columbia University, sagte zum Paris-Abkommen: „Solange fossile Brennstoffe die günstigsten sind, werden sie verbrannt werden.“
Die Regierung Polens rechtfertigt den Ausbau billiger und schmutziger Kohlekraft mit der Wirtschaftskrise. Der EU-Kommissar für Klimaschutz, Miguel Arias Cañete, ist ein ehemaliger Öl-Manager, der als spanischer Umweltminister dort erstmals Fracking genehmigte, erneuerbare Energien verhinderte und auf den Kanarischen Inseln nach Öl bohren ließ. Gleichzeitig verhandelt man weiter am Freihandelsabkommen TTIP: Unternehmen sollen das Recht bekommen, Staaten wegen störender Umweltgesetze zu klagen. Dadurch wird jegliche fortschrittliche Umweltpolitik und jedes Abkommen obsolet.
Echter Systemwandel nötig
Eines hat der Klimagipfel gezeigt: Wir können die Politik mit Protesten zum Schwitzen bringen. Dafür war die Systemkritik der Proteste absolut notwendig. Es stand nicht die Kritik am individuellen Konsum im Vordergrund, sondern die Forderung eines Systemwandels, wodurch die Regierungen ins Visier genommen wurden. Der Kampf gegen den Klimawandel wird auf sehr vielen Ebenen, insbesondere der gewerkschaftlichen, ausgeweitet werden müssen.
Die Delegierten dieses und der kommenden Klimagipfel und die Regierungen sollen sich ruhig anstrengen, unseren Forderungen nachzukommen. Sie selbst werden jedoch nie Teil des geforderten Systemwandels sein, sondern dieses aufrechterhalten. Es ist eine Frage der Stärke unserer Bewegung, wie lange wir ihre Unfähigkeit noch dulden müssen. Wie auf den Protesten zum Abschluss des Klimagipfels gerufen wurde: „Die Welt braucht etwas Besseres“ und „COP21 is not a solution, what we need is a revolution“ (COP21 ist keine Lösung, wir brauchen eine Revolution).