Der radikale Ursprung des Frauentags
Anfang des vorigen Jahrhunderts häuften sich die Arbeitnehmerinnen-Streiks in den USA, wie auch in Russland und Deutschland. Der Internationale Frauentag geht auf das Jahr 1908 zurück. In großen Städten der USA, zum Beispiel New York und Philadelphia, kämpften Arbeiterinnen gegen unzumutbare Arbeitsverhältnisse. Ihre Streikforderungen waren höhere Löhne, der Acht-Stunden-Arbeitstag, das Verbot der Kinderarbeit und das kommunale Frauenwahlrecht.
Der Lawrence Textilgesellschafts-Streik ist das Leitmotiv der Frauenbewegung: Von Jänner bis März 1912 kam es zum bis dato größten Frauenstreik. 25.000 Textilarbeiterinnen aus 25 Nationen legten monatelang kollektiv die Arbeit nieder. Täglich gingen tausende Menschen auf die Straße. Ihre berühmteste Forderung war wohl „We want bread and roses too“ (Wir wollen Brot und auch Rosen) und die sangen sie neben der Marseillese und der Internationale.
Anfänge in Österreich
Schon 1893 kam es in Gumpendorf zum ersten von Sozialistinnen organisierten Arbeiterinnenstreik. 700 Frauen protestierten drei Wochen lang gegen die unwürdigen Arbeitsbedingungen. Und das, obwohl das bis 1911 gültige Vereinsgesetz Frauen, Ausländern und Minderjährigen jede Form der politischen Betätigung untersagte.
Die soziale Schere zwischen Adeligen, Bürgertum und Lohnabhängigen klaffte Anfang des 20. Jahrhunderts weit auseinander. Arbeiterinnen und Arbeiter lebten unter schrecklichen Bedingungen. Der Sozialdemokrat Viktor Adler berichtete über deren schreckliche Lage in Sklaven vom Wienerberg. Wiens Bevölkerung stieg zwischen 1810 und 1910 um das Zehnfache an. 40 Prozent waren Untermieter, meist „Bettgeher“: In den kleinen Einzimmerwohnungen wurde in Schichten geschlafen um den Wucherzins zahlen zu können. Drei Viertel der Wiener Bevölkerung waren laut Statistik „Arbeiter, Hauspersonal, Lehrlinge, Amts und sonstige Diener“.
Züchtigung und Prostitution
Die Hälfte des geschundenen Industrieproletariats waren Frauen. Sie verdienten etwa die Hälfte der unterbezahlten Männer. Krankheit und Schwangerschaft waren häufig Kündigungsgründe. Kinderarbeit war zwar gängige Praxis, wegen des Verbots aber nicht in Statistiken erfasst.
Der Wiener Polizeiarzt Dr. Josef Schrenk schrieb in „Die Prostitution“ in Wien: „Aus dem Proletariat rekrutieren sich die Verbrecher und die Prostituierten.“ Wahr ist, dass 60 Prozent der Prostituierten früher Dienstmädchen waren. Kein Wunder, denn Entlohnung, Kost und Unterkunft der Dienstmädchen waren nicht geregelt. Die Dienstgeber hatten das Züchtigungsrecht und misshandelten dementsprechend das Personal. Wenn sie in ihren „Dienstbüchern“ ein schlechtes Arbeitszeugnis hatten, fanden sie keine neue Anstellung.
19. März 1911
Die proletarischen Frauen hatten wenig gemeinsam mit adeligen, groß- und kleinbürgerlichen Damen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der erste Internationale Frauentag am 19. März 1911 von der der zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz ausgerufen wurde. Vor allem Klara Zetkin hatte erfolgreich für eine wichtigere Rolle der Frauen und ihrer Anliegen in Partei und Gewerkschaft gekämpft. Der Protest fand in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und auch in den USA statt und übertraf alle Erwartungen. Es beteiligten sich über eine Million Frauen und Männer an den Protesten, in Österreich über 20.000 Sozialistinnen.
Forderung der ersten Demonstration 1911 waren die Einführung des allgemeinen und geheimen Wahlrechts, Mutterschutz, Acht-Stunden-Tag, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Straffreiheit für Abtreibungen. In Erinnerung an die streikenden Frauen in der russischen Februarrevolution wurde der Internationale Frauentag 1921 auf den 8. März gelegt. 1918, 11 Jahre nach dem allgemeinen geheimen Männerwahlrecht, wurde das Frauenwahlrecht in der österreichischen Revolution erkämpft.
Diskriminierung heute
Heute, fast hundert Jahre später, wird deutlich, dass viele dieser Forderungen noch immer nicht eingelöst wurden oder wieder in Frage gestellt werden. Immer noch ist der Schwangerschaftsabbruch Teil des Strafrechts. Der Acht-Stunden-Tag ist mit zahlreichen Ausnahmen schon wieder Stück für Stück hintertrieben. Die Produktivität ist rasant gestiegen, aber einzig die Bosse profitieren.
Die Ende Februar 2016 von Eurostat veröffentlichten Daten belegen: In Österreich verdienen Frauen um 22,9 Prozent weniger als Männer. Das bedeutet, am 10. Oktober haben Männer bereits jenes Einkommen erreicht, wofür Frauen noch bis Jahresende arbeiten müssen (Equal Pay Day). Im europaweiten Vergleich der Lohndiskriminierung bedeutet dies den vorletzten Platz für Österreich. Nur in Estland ist die Lohnschere zwischen Frauen und Männer noch größer. Es gibt viele Gründe unsere großartige Kampftradition nicht in Vergessenheit geraten zu lassen!