Der irische Osteraufstand 1916: Kampf gegen die Kolonialmacht
Der Aufstand führte zu hitzigen Debatten innerhalb der revolutionären Linken, wie man sich zu nationalen Befreiungsbewegungen positionieren sollte. Diese Frage hat bis heute große Relevanz. In ganz Europa herrschte 1916 Krieg. Der Großteil der englischen Armee musste in Europa die Interessen der britischen Krone verteidigen. Diese Schwäche wollten sich die irischen Freiheitskämpfer_innen zunutze machen, und versuchten über einen bewaffneten Aufstand die verhassten Kolonialherren loszuwerden.
Für die Unabhängigkeit
Der Aufstand begann damit, dass bewaffnete Männer und Frauen Knotenpunkte und strategisch wichtige Gebäude innerhalb Dublins besetzten. Daraufhin sollte sich die Rebellion auf ganz Irland ausbreiten. Am Montagmittag wurde vor dem Hauptpostamt Dublins die sogenannte Osterproklamation verlesen, in der die Unabhängigkeit Irlands beschlossen wurde.
Als Verantwortliche gaben sich die Irish Republican Brotherhood (IRB), die Irish Volunteers (IV) sowie die Irish Citizens Army (ICA) zu erkennen. Obwohl sowohl die IRB als auch die IV bürgerliche Organisationen waren, enthielt die Proklamation sehr progressive Forderungen. Religionsfreiheit sowie die Gleichstellung von Mann und Frau wurde proklamiert. Auch der irische Marxist James Connolly war ein Unterzeichner und wurde als Mitglied der provisorischen Regierung angegeben.
Rasche Niederlage
Auch wenn die Revolutionär_innen anfangs einige Erfolge erzielten, kam der Aufstandsversuch schnell ins Stocken und scheiterte nach sechs Tagen. Für das Fehlschlagen des Aufstandes gab es zwei wesentliche Gründe: Einerseits gelang es nicht, die irischen Massen in den Aufstand einzubinden, andererseits beteiligten sich die Irish Volunteers äußerst zaghaft an den Kämpfen. Sie hielten nur defensive Handlungen für legitim. Eigentlich erreichte nur die Dubliner Brigade unter der Führung von James Connolly bedeutende Erfolge. Alle Führer des Aufstandes wurden erschossen, und Hunderte wurden hingerichtet und eingekerkert.
Die nationalistisch und konservativ geprägten Irish Volunteers waren die stärkste Kraft in der irischen Unabhängigkeitsbewegung. Die IRB war ein kleiner, aber radikaler Geheimbund, der Massenorganisationen unterwanderte, um diese zu radikalisieren. Die maßgebliche Kraft hinter dem Aufstand war die ICA, eine eindeutig proletarisch geprägte Organisation. Sie wurde während des Generalstreiks 1913 gegründet. Ihre Mitglieder, sowohl Männer als auch Frauen, erhielten militärisches Training. Der Anführer der ICA war James Connolly, ein überzeugter Marxist und bedeutender Theoretiker der Sozialistischen Bewegung in Irland. Im Gegensatz zu den Irish Volunteers war die ICA aber eine relativ kleine Organisation.
Unterschiedliche Positionen
„Die Vorstellung, dass die soziale Revolution denkbar ist, ohne Rebellionen in den Kolonien, bedeutet die soziale Revolution zu verneinen. Wer auf die rein soziale Revolution wartet, wird sie nie erleben.“
Die Frage ob und wie sich revolutionäre Sozialist_innen in nationalen Befreiungsbewegungen einbringen sollen, wurde damals, und wird auch heute noch, hitzig diskutiert. Das relevanteste Argument gegen die Beteiligung an nationalen Befreiungsbewegungen ist, dass sie meistens von bürgerlichen Parteien geführt werden und die Arbeiter_innenklasse Gefahr läuft, sich in ein Bündnis der „Nationalen Einheit“ mit ihrer Bourgeoisie zu begeben.
Karl Radek, ein bedeutender Theoretiker der Bolschewiki, kritisierte den Osteraufstand als „kleinbürgerlichen Putsch“ und meinte, dass Connolly „das Blut hunderter Arbeiter für kleinbürgerliche Phantastereien opferte“. Trotzki unterstützte den Aufstand nur halbherzig, und kritisierte anhand seiner Theorie der „permanenten Revolution“, dass „nationale Befreiung“ nur unter Führung der Arbeiter_innenklasse erreicht werden könnte.
Mit allen Unterdrückten
Lenin dagegen stellte sich ganz auf die Seite Connollys und argumentierte, dass Sozialist_innen nationale Befreiungsbewegungen unterstützen müssen, wenn diese den imperialistischen Nationen schaden. Rebellionen gegen England, zur damaligen Zeit die Weltmacht, seien zu unterstützen, weil sie das imperialistische Weltsystem schwächen, was die Arbeiter_innenklasse für sich nützen kann. Sozialist_innen können nicht einfach nur auf die proletarische Revolution warten, sondern müssen sich aktiv in alle Kämpfe der Unterdrückten einbringen. „Die Vorstellung, dass die soziale Revolution denkbar ist, ohne Rebellionen in den Kolonien, bedeutet die soziale Revolution zu verneinen. Wer auf die rein soziale Revolution wartet, wird sie nie erleben.“
Die Beteiligung an nationalen Befreiungskämpfen kann der Arbeiter_innenklasse Selbstbewusstsein verschaffen und dafür sorgen, dass sie den Kampf um „nationale Befreiung“ in einem Kampf um „soziale Befreiung“ umwandeln. Die Tatsache, dass die irische Arbeiter_innenklasse nach 1916 immer rebellischer wurde, gibt Lenin Recht. Im Oktober 1917 kam es in Dublin zu riesigen Solidaritätsdemonstrationen mit der russischen Revolution.
Auch während des irischen Unabhängigkeitskrieges 1919-1921 kam es zu Massenstreiks, sowohl gegen die britische Besatzung als auch gegen die irische Bourgeoisie. Im nordirischen Belfast kam es im Zuge dieser Bewegung zu einem mächtigen Streik für Arbeitszeitverkürzung. Die Stadt befand sich während des Streiks in der Hand der Arbeiter_innenklasse. Polizisten wurden entwaffnet, Häuser besetzt, Nahrungsmittel wurden verteilt und eigene Räte gewählt, die kurzfristig die Stadt regierten.
Seán Mitchell – A Rebel‘s Guide to James Connolly: James Connolly war, im Gegensatz zu anderen Führern des Osteraufstandes, überzeugter Marxist und über 30 Jahre in der Arbeiter_innenbewegung aktiv. Nach der Niederschlagung des Osteraufstandes wurde er von englischen Soldaten erschossen. Anlässlich des 100. Jahrestages lohnt es, seine einzigartigen Beiträge zur internationalen sozialistischen Bewegung (wieder) zu entdecken. Bookmarks Publications, 2016, ISBN: 9781910885086