V wie Vendetta

Mit „V wie Vendetta“ ist den Wachowski Brüdern (Matrix) und Regisseur James McTeigue eine der beeindruckendsten Verfilmungen einer Graphik Novel gelungen. Ein entschlossener Revolutionär geht mit individuellen terroristischen Mitteln gegen ein faschistisches System vor um die Bevölkerung zum Aufstand zu animieren.
4. April 2016 |

„V wie Vendetta“ erzählt vor allem die Geschichte eines blutigen Rachefeldzugs, nicht umsonst ist der maskierte Held des Films ein Fan des „Grafen von Monte Christo“. Die Bösewichter, die der Rache zum Opfer fallen, sind Funktionäre einer faschistischen Partei, die die Macht in Großbritannien übernommen hat.

Parallel zur Bestrafung der Übeltäter kämpft der maskierte Held V (Hugo Weaving) gegen einen repressiven, äußerst autoritären Staat an, der nicht nur über eine SA-ähnliche Schlägertruppe (die „Fingermänner“) verfügt sondern auch die Medien perfekt kontrolliert. An die Macht ist die fanatisch christliche rechtsradikale Truppe um den Kanzler Sutler gekommen, weil eine katastrophale Epidemie annähernd 100.000 Menschen getötet hat und die Faschisten einer verängstigten Bevölkerung Sicherheit und Ordnung versprochen haben.

Glaubhafte Utopie

Diese schreckliche Zukunftsvision ist heute leider, mehr noch als 2005, als der Film herauskam, beunruhigend glaubhaft. Praktisch weltweit, von Strache bis Trump, von Orbán bis Putin, versuchen „rechte Ordnungshüter“ die Ängste vor Krieg, sozialem Chaos oder auch Flüchtlingen für ihren eigenen Aufstieg zu nutzen. Rassismus ist dabei immer wieder die Lieblingswaffe dieser Herrschaften. Die Utopie in „V wie Vendetta“ ist verstörend nahe. Dazu trägt bei, dass Szenen von realen Polizeieinsätzen gegen Demonstrant_innen verwendet werden.

Auch die Feindbilder der faschistischen Regierung erinnern frappant an die Opfer aktueller Rechtsradikaler. Wir erfahren, dass nicht nur Homosexualität sondern auch der Besitz eines Koran dazu führt, von den brutalen Schergen des Regimes in einen schwarzen Sack gesteckt und zu Tode gefoltert zu werden. Eine irisch-katholische Herkunft schadet zumindest der Karriere im nun radikal-protestantischen Großbritannien des Jahres 2030.

Was sie und andere Rechtsradikale anstreben, ist in „V wie Vendetta“ perfekt dargestellt. So sieht eine Zukunft aus, in der es die fortschrittlichen Kräfte nicht geschafft haben, den Faschismus abzuwehren.

Den Prozess der Machtergreifung, als sich der Faschismus wie ein Phönix aus der Asche des Chaos erhob, bezeichnen die Regierenden im englischen Original als „Reklamation“, also „Wiedergewinnung“. Die rechtsradikalen Identitären haben sich den Begriff „Reconquista“ auf die Fahnen geheftet. Was sie und andere Rechtsradikale anstreben, ist in „V wie Vendetta“ perfekt dargestellt. So sieht eine Zukunft aus, in der es die fortschrittlichen Kräfte nicht geschafft haben, den Faschismus abzuwehren.

Bomben gegen den Faschismus

In der Story rettet der Held mit der Guy Fawkes-Maske die junge Evey (Natalie Portman, die wir als junges Mädchen aus „Léon der Profi“ oder als zierliche Prinzessin aus „Star Wars“ kennen) vor „Fingermännern“, die sie brutal vergewaltigen wollen. „V“, wie sich der Unbekannte nennt, nimmt die junge Frau, deren Eltern im Widerstand gegen das aktuelle Regime umgekommen sind, mit in sein luxuriöses Versteck.

Mit mehreren spektakulären Bombenanschlägen, untermalt mit Beethoven-Musik, erweckt V die Aufmerksamkeit der unterdrückten aber verängstigten Bevölkerung und ruft sie schließlich zum Aufstand am 5. November auf, indem er sich in das Fernsehnetz der Regierung hackt.

© bigdogLHR (Flickr)
© bigdogLHR (Flickr)

„Remember, remember, the 5th of November“ bezieht sich also gar nicht hauptsächlich auf das historische Ereignis vom 5. November 1605, als Guy Fawkes, ein Mitglied der „Gunpowder-Verschwörung“ bei dem Versuch verhaftet wurde, das „House of Lords“ in die Luft zu sprengen. Die Bedeutung des Datums geht noch weiter. Wir erfahren in Rückblenden, dass V eines der Opfer eines grausamen Menschenversuchs in einer Regierungseinrichtung war. Dort wurden Menschen absichtlich mit Viren infiziert um biologische Waffen zu entwickeln. Am 5. November kam es dort zu einem Brand, der V völlig entstellt hat und außerdem den Virus freigesetzt hat.

Parteifunktionäre, Militärs, Ärzte und verbrecherische Geistliche sind die Schuldigen, auf sie macht V Jagd. Obwohl die historische Figur Guy Fawkes für ein reaktionäres Gedankengut steht, scheint sich V eher auf dessen Kampfformen als auf dessen politische Stoßrichtung zu beziehen.

Die Wahl der Mittel

In einem Schlüssel-Dialog bezweifelt Evey die Wirkung symbolischer Terrorakte, während V argumentiert, dass auch ein Symbol die Welt verändern kann – wenn genug Menschen dahinter stehen. So macht es sich der Film nicht leicht bei der Auseinandersetzung mit der Frage inwieweit Terrorismus im Angesicht eines faschistischen Regimes gerechtfertigt bzw. effektiv sein kann.

Den Filmemachern scheint die anarchistische Idee, dass individuelle, revolutionäre Gewalt die Massen zum spontanen Aufstand bringt, nicht ganz fremd zu sein. Von Streiks oder dem mühsamen Aufbau einer Widerstandsbewegung ist keine Rede. Es ist kein Zufall, dass das „Logo“ von V wie ein verkehrtes anarchistisches „A“ aussieht. Der Einfluss anarchistischer Ideen wird besonders bei der brutalen „Ausbildung“ Eveys zur Terroristin deutlich, in deren Verlauf V, verkleidet als Regime-Folterknecht, sie quält und mit dem Tode bedroht, um sie zu einer entschlossenen Kämpferin zu machen.

Doch auch wenn man einige Szenen, wie die Schlussszene, in der eine maskierte, anonyme Masse von schwer bewaffneten Soldaten einfach durchgelassen wird, unrealistisch finden mag, so ist „V wie Vendetta“ eine großartige Inspiration zum Widerstand und ein wirklich sehenswerter Film.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.