Der Staat wird braun umgefärbt

FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Mitglied der Burschenschaft „Vandalia Wien“ macht ernst mit der Politik, für die er steht. Er besetzt nach der Übernahme der Regierung die hohen Stabsstellen in Polizei, Geheimdiensten, Militär, Ministerien, Nationalrat und Verfassungsgericht mit deutschnationalen Burschenschaftern, Nazi-Nostalgikern und rechtsextremen Ideologen.
22. Januar 2018 |

Innenministerium

FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache, selbst Burschenschafter der „Vandalia Wien“ hat seinen ehemaligen Generalsekretär, Herbert Kickl, zum Innenminister gemacht. Kickl hat die Wahlkämpfe der FPÖ geplant und Straches wichtigste Reden geschrieben. In einem ersten Staatsakt als Innenminister ließ Kickl seine Gesinnung durchblicken und kündigte an, Flüchtlinge „konzentriert“ an einem Ort halten zu wollen. Sein Parteifreund im Infrastrukturministerium, Norbert Hofer, feierte Kickl bei Ö1-Journal zu Gast als „Philosophen“ und verteidigte seine Wortwahl: „Wenn es so wäre, dass man gewisse Wörter in Österreich nicht mehr verwenden darf, dann ist es ein Weg, den man schwerlich wird umsetzen können.“

Zu seinem Kommunikationschef machte Kickl den bisherigen Chef des Propagandasenders „FPÖ TV“, Alexander Höferl. Dieser war verantwortlich für die rechtsradikale Plattform „unzensuriert“, als diese zum Medienpartner des rechten Kongresses „Verteidiger Europas“ avancierte. Auf selbigem Kongress waren auch die Neonazis der „Identitären Bewegung“ vertreten; Kickl selbst hielt eine Rede.

 

Herbert Kickls neuer Kommunikationschef im Innenministerium, Alexander Höferl (ganz rechts), verlieh nur kurz vor der Angelobung der neuen Regierung einem Burschenschafter-Schüler eine „Demokratie-Medaille“, weil er einen antifaschistischen Vortrag an seiner Schule verhindern ließ. Foto: Thomas Topf / Parlamentsdirektion

 

Höferl war Pressesprecher von Martin Graf und ist Mitglied der antisemitischen Burschenschaft „Gothia Wien“. Bis heute ehrt diese Verbindung auf ihrer Homepage den „berühmten Goten“ Georg Schönerer, den populärsten Vertreter des Rassenantisemitismus um die Wende ins 20. Jahrhundert. Schönerer, dessen Bewegung die blaue Kornblume als Erkennungszeichen verwendete, wurde zum „geistigen Vater“ von Adolf Hitler, wozu sich dieser in „Mein Kampf“ ausdrücklich bekannte. Schönerer bereitete mit seiner Propaganda zur Ausrottung der Juden den Boden für die Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis.

Zum Kabinettschef im Innenministerium wurde Straches bisheriger Büroleiter Reinhard Teufel ernannt, ein Mitglied der deutschnationalen Verbindung „Brixia Innsbruck“. Teufels Burschenschaft bildete in den 1960er-Jahren das organisatorische Zentrum des rechtsextremen Südtirol-Terrors, weshalb der Verbindung noch zwanzig Jahre später der Eintritt in die „Deutsche Burschenschaft“, den Dachverband der Burschenschaften in Österreich und Deutschland, verwehrt wurde. Prominentestes Mitglied der Brixia war der oberste Führer des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds (NSDStB) in Österreich, Hubert Freisleben, der es sich 1938 nach dem „Anschluss“ an Hitlerdeutschland zur Aufgabe machte, „die gesamte deutsche Studentenschaft“ in den „Lebenskampf unseres deutschen Volkes“ einzuspannen.

 

Der NS-Studentenführer Hubert Freisleben (hier Redner im November 1938 im Audimax der Universität Wien) gehörte derselben Burschenschaft an, wie der neue Kabinettchef im Innenministerium, Reinhard Teufel. Foto: Bildarchiv Österreichische Nationalbibliothek

 

Generalsekretär im Innenministerium wurde der FPÖ-Polizist Peter Goldgruber, der ein Durchgriffsrecht auf alle Sektionschefs und damit noch mehr Macht bekommt. Ein weiterer Fachreferent, Albert Schmiedt, war ehemaliger Chef der Wiener FPÖ-Polizeigewerkschaft AUF. Im Verfassungsschutz, das Kickls Innenministerium unterstellt ist, soll ebenfalls radikal umgebaut werden; es sollen der Direktor und sein Stellvertreter abgelöst werden – bisher gibt es dafür allerdings noch keine Namen.

Infrastrukturministerium

Infrastrukturminister Norbert Hofer ist Ehrenmitglied der Burschenschaft „Marko-Germania“. Hofer stellte am FPÖ-Akademikerball 2017 seine Gesinnung zur Schau (VICE hatte die Rede aufgezeichnet und veröffentlicht): „Alle, die wir hier versammelt sind, werden einen Beitrag dazu leisten, damit sich dieses Land, damit sich diese Farben wieder erheben können.“ Zärtlich klopfte er sich auf die schwarz-rot-goldene Schärpe auf der Brust: „Ich trage diese Fahne! Und ich trage sie mit Stolz.“

Hofer machte nun seinen ehemaligen Büroleiter René Schimanek zu seinem Kabinettschef. Schimanek demonstrierte 1987 mit einem der damals prominentesten Neonazis in Österreich, Gottfried Küssel. Auf Fotos ist zu sehen, wie Schimanek einen Schlagstock hält und Küssel mit „Kühnengruß“, einem Ersatz für den verbotenen Hitlergruß, voranmarschiert. Schimanek nahm auch an paramilitärischen Drills, sogenannten „Wehrsportübungen“, teil.

https://twitter.com/florianklenk/status/733192144387747840

 

Einen weiteren ehemaligen Parlamentsmitarbeiter, Herwig Götschober, ernannte Hofer zu seinem Pressereferenten, und auch der stammt aus dem Küssel-Umfeld. 2009 huldigte Götschober mit dem späteren „Identitären“-Chef Martin Sellner und weiteren Küssel-Anhängern am Wiener Zentralfriedhof der Nazi-Ikone Walter Nowotny.

Götschober ist Mitglied der deutschnationalen Burschenschaften „Bruna Sudetia“ und „Franko-Cherusker“. Er ist „Schriftführer“ des Dachverbands der deutschnationalen Schülerverbindungen („Pennäler Ring“) und war Sprecher der „Deutschen Burschenschaft“. Außerdem organisiert er den Akademikerball, von dem Hans-Henning Scharsach sagt, dass dort alljährlich „Burschenschafter, Neonazis und Auschwitzleugner das Tanzbein schwingen“.

Andreas Reichhardt stieg vom Sektionschef zum Generalsekretär im Infrastrukturministerium auf. Reichhardt ist Mitglied der „Grenzlandsmannschaft Cimbria“ und nahm zusammen mit Strache Ende der 1980er-Jahre an Wehrsportübungen teil.

Andreas Reichhardt (unten Mitte), der neue Generalsekretär im Infrastrukturministerium, absolvierte mit Strache (unten rechts) eine paramilitärische Kampfausbildung in einem Neonazi-Lager. Foto: Archiv Horaczek

 

Wie der Kurier berichtet, soll Arnold Schiefer von der „Teutonia Wien“ die Sozialdemokratin Brigitte Ederer als ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzende ablösen. Im Aufsichtsrat der ASFINAG soll Peter Franzmayr von der Burschenschaft „Oberösterreicher Germanen Wien“ die Führung übernehmen. Hofers Pressesprecher wurde Volker Höferl, zwar kein Korporierter, aber der Bruder des Burschenschafters Alexander Höferl, dem Kommunikationschef im Innenministerium.

Hinzu kommen noch die Referenten Roland Esterer von der „Saxonia Wien“ und „Franko-Brünn Salzburg“, Arndt Praxmarer von der Burschenschaft „Suevia Innsbruck“ und Irmgard Fischer, Kassierin der deutschnationalen „Mädelschaft Nike“. Praxmarer und Fischer arbeiteten bereits in Hofers Parlamentsbüro. „Nike“ trauert unverhohlen dem Nationalsozialismus nach. 2016 hieß es anlässlich der Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai auf Facebook: „Den ‚Tag der Befreiung‘ wollen sie uns sagen hören? Unsere Großeltern und unsere Geschichte lehren uns Anderes. Wir feiern nicht.“

Verteidigungsministerium

Der neue FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek, war bislang Stabsunteroffizier des Bundesheeres. Kunasek traf sich im November 2015 mit führenden Neonazis der „Identitären“ und der „Partei des Volkes“ (PDV). Bei diesem „Bürgerstammtisch“ wurde Kunasek mit PDV-Generalsekretär Wolfgang Pestl abgelichtet, der seine Anhänger in der Vergangenheit bereits dazu aufgefordert hat: „Legt Euch Waffen zu, Freunde!“ Im Anschluss posierte Kunasek bei Speis und Trank mit seinem Parteichef Strache und der Führungsspitze der steirischen „Identitären“ für ein gemeinsames Foto. Kunasek ist nicht nur mit der rechtsextremen Szene vernetzt, er fungiert auch als Ideengeber: als Autor im rechtsextremen Magazin Aula.

 

Zum Kabinettschef ernannte Kunasek den ehemaligen FPÖ-Klubdirektor im steirischen Landtag, Michael Klug, der laut Falter Mitglied der „Gothia Graz“ ist. Die Herausgabe weiterer Namen wird vom Verteidigungsminister unter Verweis auf den „Datenschutz“ verweigert.

Weitere Ministerien

Strache holte sich Roland Weinert von der Burschenschaft „Suevia Innsbruck“ ins Sportministerium – entweder als Kabinettschef oder Generalsekretär. Kabinettschef im Sozialministerium von Beate Hartinger-Klein ist Volker Knestel, Mitglied der Burschenschaft „Nibelungen Bregenz“ und stellvertretender Vorsitzender des „Pennäler Rings“. Persönlicher Assistent der Ministerin ist das Mitglied der Burschenschaft „Tauriska Klagenfurt“, Dominic Keuschnig – er ließ sich gemeinsam mit Norbert Hofer in Uniform am Akademikerball ablichten. Elisabeth Hechenleitner, ehemals Sprecherin von Johann Gudenus im rechten Wiener FPÖ-Klub, stieg zur Sprecherin der Außenministerin auf.

Verfassungsgerichtshof

Zwei von drei offenen Posten am  Verfassungsgerichtshof gehen an die FPÖ. Strache nominierte offenbar laut Kleine Zeitung Rüdiger Schender von der Burschenschaft „Hohenstauffen Linz“ und Andreas Hauer von Burschenschaft „Alemannia zu Linz“. Hauer bezeichnete antifaschistische Proteste als „Bürgerkrieg“, „Terror der Straße“ und „Hassversammlungen“ und hielt am FPÖ-Akademikerball 2017 die Festrede.

Parlament

Strache verfestigt auch die Kontrolle der Burschenschafter über die Parlamentsfraktion der FPÖ. Die dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller ist Mitglied in den Mädelschaften „Sigrid Wien“ und „Iduna Linz“. Alle drei ihrer Referenten gehören deutschnationalen Verbindungen an: Konrad Belakowitsch von der „Silesia Wien“, Michael Siedler von der „Olympia Wien“ und Dimitrij Grieb von der „Moldavia Wien“.

Der FPÖ-Nationalratsklub wird Walter Rosenkranz („Libertas Wien“) und Johann Gudenus („Vandalia Wien“ und „Aldania Wien“) geführt; ihre beiden Stellvertreter sind ebenfalls Burschenschafter: Reinhard Bösch von der „Teutonia Wien“ und Roman Haider von der „Donauhort Aschach“. Zum Pressereferenten wurde Hubert Erhart ernannt, Mitglied der berüchtigten „Teutonia Wien und laut Wiener Zeitung zwischen 1987 und 1997 als „Kameradschaftsführer“ in Küssels VAPO  aktiv.

Details und Belege: 
 Hans-Henning Scharsach, Strache im braunen Sumpf (Wien, 2012)
 Bernhard Weidinger, „Im nationalen Abwehrkampf der Grenzlanddeutschen“. Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945 (Wien-Köln-Weimar, 2015)
 Hans-Henning Scharsach, Faktensammlung zum Präsidentschaftskandidaten und Burschenschafter Norbert Hofer (2016)
 Hans-Henning Scharsach, Stille Machtergreifung – Hofer, Strache und die Burschenschaften (Wien, 2017)
 Nina Horaczek, „Heil dir“ im Ministerium! (Falter, 2018)
 Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit (FIPU), Korporiertenkarrieren-Tracker (2018)