Das 1,5°-Ziel von Paris ist gescheitert

Die Erwärmung bis 2100 auf 1,5°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu beschränken, liegt laut IPCC, dem UN-Klimarat, „mit 66-Prozentiger Wahrscheinlichkeit jenseits des Erreichbaren“. Die Schuld dafür liegt bei den Regierungen, die das rasante Fortschreiten des Klimawandels zugunsten von Profiten in Kauf nehmen.
14. Februar 2018 |

Im November 2015 feierten die Regierungen das Paris-Abkommen als bahnbrechenden Durchbruch im Kampf gegen den Klimawandel. Inselstaaten und ärmere Länder hatten Druck gemacht, das 1,5-Grad-Ziel festzuhalten. Zwei Jahre und zwei Monate danach sind die dort gesetzten Ziele bereits unerreichbar – keineswegs überraschend.

Keine Warnung hat die Politik bisher zu ernsthaftem Klimaschutz bewegen können. Tatsächlich steuern wir auf 4 Grad Erwärmung bis 2100 zu, selbst bei Einhaltung aller in Paris gegeben Versprechen wären wir immer noch bei 3°C. Wir dürfen jedoch Klimawandel und das 1,5 Grad-Ziel nicht auf die leichte Schulter nehmen. Millionen Menschenleben hängen davon ab. Doch Regierungen ignorieren die Warnungen und solche, wie hwarz-Blau in Österreich oder Trump, sabotieren den Klimaschutz absichtlich.

1,5-Grad einhalten

Laut IPCC ist bei derzeitiger Entwicklung die 1,5°C-Schwelle schon in den 2040ern erreicht.Um genauer herauszufinden, welche Auswirkungen bei 1,5°C Erwärmung zu erwarten sind, arbeitet das IPCC an einem Spezialbericht, der im Herbst veröffentlicht werden soll. Sicher ist jedoch: je mehr Erwärmung, desto mehr Katastrophen und Todesopfer wird es geben.

Bei 1,5°C Erwärmung werden Wetterextreme stärker und dadurch noch mehr Opfer fordern. Mehr Menschen werden unter Armut, Hunger, Krankheit und Obdachlosigkeit leiden, mehr Tiere und Pflanzen werden aussterben. Laut IPCC würden allein durch eine weitere Erwärmung um 1,5°C mehr als 100 Millionen Menschen in Armut abrutschen, vor allem, weil zahlreiche Nahrungsquellen durch die Erwärmung zerstört würden.

Bei 1,5°C Erwärmung könnten zudem das westantarktische und das grönländische Eisschild kollabieren, was insgesamt zu einem langfristigen Meeresspiegelanstieg von etwa 10 Meter führen würde. Bis 2100 könnten bereits mehrere Meter Anstieg erreicht sein. Kein Wunder, dass gerade Inselstaaten die 1,5°C-Grenze in Paris festgeschrieben haben wollten. Auch Städte wie Hamburg, New York, Tokio oder Jakarta könnten dadurch endgültig dem Untergang geweiht sein, ebenso wie weite Teile der Niederlande oder Bangladeschs.

Das Ziel kann erreicht werden

Wir müssten daher alles tun, um die 1,5°C nicht zu überschreiten. Rechnerisch und technisch besteht die Chance nach wie vor.

Wie eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimaforschung (PIK) von 2015 zeigt, sind vor allem drei Schritte notwendig:

  1. Ein rascher, vollständiger Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Jede weitere Verzögerung bringt das Ziel in Gefahr. „In Szenarien zum 1,5-Grad-Ziel wird das verbleibende Emissionsbudget für CO2 im Vergleich zu 2-Grad-Szenarien fast halbiert“, so einer der Hauptautoren der Studie Gunnar Luderer vom PIK. Und: „Weltweit müsste die CO2-Neutralität zehn bis zwanzig Jahre früher erreicht werden als in den 2-Grad-Szenarien.“
  2. Steigerung der Energie-Effizienz. Dazu gehören Dezentralisierung der Energieversorgung, die Reduktion von Transportwegen bei der Herstellung von Waren, die Effizienzsteigerung von Produktionsschritten insgesamt, Verhinderung von Überproduktion, Gebäudesanierungen, um den Heizaufwand zu sparen, mehr öffentliche Verkehrsmittel statt Individualverkehr und vieles mehr.
  3. Der Atmosphäre muss CO2 entzogen werden. Großfläche Aufforstung ist notwendig.

Technisch stellen diese Punkte kein Problem dar. Selbst beim kurzzeitigen Erreichen von 1,5°C Erwärmung könnte das Schlimmste verhindert werden, wenn der Atmosphäre ausreichend viele Treibhausgase entzogen und die Temperaturen daraufhin wieder sinken würden. Doch nichts dergleichen haben die Regierungen jemals ernsthaft in Erwägung gezogen.

Kein Ende in Sicht

Zwischen 2000 und 2008 sind die Emissionen so stark gestiegen wie nie zuvor. Das lag vor allem am Wirtschaftsboom Chinas. Der Bau riesiger Produktionsstätten trieb den Energiebedarf in die Höhe, der zum größten Teil durch Kohlekraftwerke gedeckt wurde. Die Weltwirtschaftskrise setzte dieser Entwicklung vorerst ein Ende. Wie in den Krisen zuvor entschleunigten sich zwar die Emissionsanstiege, blieben aber auf Rekordniveau. Das führte dazu, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zwischen 2015 und 2016 noch stärker anstieg als jemals zuvor. Der jüngste Bericht vom Oktober 2017 weist darauf hin, dass nach der kurzzeitigen Stagnation kein langfristiger Trend zu erwarten ist, sondern wieder verstärkt Investitionen in fossile Infrastrukturen geplant sind.

CO2-Emissionen sind niemals aufgrund von Klimapolitik gesunken, sondern nur wenn Wirtschaftskrisen das Wachstum gebremst haben. Grafik: Linkswende jetzt

 

Die Industriestaaten brüsten sich seit Jahren mit sinkenden Emissionen. Doch dieses Bild trügt. Viele Industrien wurden und werden in Entwicklungsländer verlagert. Während in London oder Tokio kaum noch Schlote rauchen, qualmen in China und Indien ganze Städte. Verantwortlich dafür sind größtenteils Unternehmen aus Europa und Nordamerika, bei denen auch das Geld landet, während die Emissionen den Ländern zugeschrieben werden, in denen sich die Fabriken befinden.

Eine im US-Fachmagazin Proceedings of the National Acadamy of Science veröffentlichte Studie zeigt, dass zwischen 1990 und 2008 16 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen von Industrie- in Schwellenländer verlagert wurden. Das sind fünfmal so viele Emissionen, wie in Industrieländern in der gleichen Zeit eingespart wurden. Auch das Wirtschaftswachstum in Europa und der USA beruht auf steigenden Emissionen. Die Verlagerung bedeutet größere Transportwege, wodurch die Produktion noch ineffizienter und damit klimaschädlicher wird. Die bisherigen Klimaabkommen haben Unternehmen sogar zum „Outsourcing“ und „Greenwashing“ ermutigt und diesen Trend verstärkt.

Nicht mit unseren Regierungen

Norbert Hofer (FPÖ), der neue Infrastrukturminister Österreichs, zeigt stellvertretend für die gesamte „Klimaschutz“-Politik, warum wir keinen Pfennig auf sie setzen können, wenn es um Klimaschutz geht. Gegenüber der Presse erklärte er, die neue Regierung habe sich Wachstum zum Ziel gemacht, das bedeute „mehr Verkehr“ und „die Gefahr, dass die Emissionen weiter steigen“.

Es gibt keine Regierung, die sich nicht Wirtschaftswachstum zum Ziel setzt. Das ist keine zufällige Gemeinsamkeit, sondern eine Grundeigenschaft der kapitalistischen Gesellschaft. Der Wettbewerb zwischen Unternehmen und als Folge der Wettbewerb zwischen Staaten, zwingt beide dazu, auf Wirtschaftswachstum zu setzen, ohne die Konsequenzen zu berücksichtigen.

Trotz der Eindeutigkeit wissenschaftlicher Fakten zum Klimawandel verabschiedet sich Deutschland von den Klimazielen, die USA setzt vermehrt auf Schiefergase und die Förderung von fossilen Brennstoffen im eigenen Land, die EU baut Gaspipelines und macht dabei vor der Zerstörung von Naturräumen keinen Halt. Österreich stellt klimapolitisch in jeder Hinsicht eines der Schlusslichter dar. Schwarz-Blau setzt noch einen drauf. Es soll mehr auf Straßen gesetzt werden. Das Tempolimit auf Autobahnen soll erhöht und Abgastests abgeschafft werden. Der Flugverkehr soll gefördert und der Wiener Flughafen ausgebaut werden. Es wird sogar eine neue Autobahn im Waldviertel diskutiert, während dort seit Jahrzehnten Zugstrecken stillgelegt werden. Die Begründung: die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft muss erhöht werden.

Trotz aller Versprechen sah es in der Realpolitik nie nach einer Lösung der Klimakrise aus. Es war nie zu erwarten, dass das 1,5-Grad-Ziel eingehalten wird.

Es braucht Druck von unten

Neues Rekordhoch an Kohlendioxid

Neues Rekordhoch an Kohlendioxid

Während 99% der Menschheit ein dringendes Interesse daran haben, den Klimawandel möglichst schnell zu bremsen, braucht sich 1% nur Gedanken zu machen, wie es ihr Kapital sichern und die Folgen des Klimawandels nach unten abwälzen kann. Diese beiden Interessensgruppen stehen sich fundamental gegenüber. Die Frage zur Lösung der Klimakrise ist keine technologische, denn die Technischen Mittel und das Knowhow dazu haben wir bereits. Ob die Klimakrise gelöst wird, hängt davon ab, ob sich die Interessen der 99% oder die des 1% durchsetzen. Der Kampf gegen Klimawandel kann nur ein Kampf gegen Regierungen, Wirtschaftsbosse und das System sein, das einzig und alleine auf Wirtschaftswachstum setzt. Ohne Klassenkampf und Revolutionen werden wir weder das 1,5-Grad-Ziel, noch das 2-Grad-Ziel erreichen.