Linke kämpfen um Führung der Proteste in Tunesien

Mit Beginn des Jahres brachen in mehreren Städten Tunesiens Proteste aus. Sieben Jahre nach dem Sturz des langjährigen Diktators Ben Alí gehen erneut Zehntausende auf die Straße. Die Proteste knüpfen an den Arabischen Frühling an und könnten die gesamte Region erneut erschüttern.
14. Februar 2018 |

Die wütenden Proteste füllen die Straßen von zumindest 20 tunesischen Städten und richten sich gegen das kürzlich verabschiedete Finanzgesetz, das zu weiteren Preissteigerungen bei Benzin, Wohnen und Lebensmitteln führt. Das verschärft die bereits bestehende Massenarbeitslosigkeit, Armut und soziale Ungleichheit.

Am 8. Jänner wurde der 55-jährige Khamis bin Sadiq al-Yafrani während eines Protests in der Stadt Tebourba getötet. Laut Regierung starb er an einem Tränengas-Angriff, doch Aktivist_innen sagen, Khamis sei von einem Polizeiauto überfahren worden (in sozialen Medien kursieren zahlreiche Bilder).

Repression

Die Polizei attackiert Protestierende mit Tränengas, diese wehren sich mit Steinen und Molotowcocktails und blockieren Hauptverkehrsstraßen mit brennenden Reifen. Das Militär unterstützt die lokale Polizei bei der Bewachung von Regierungsgebäuden und Banken.

Mehr als 500 Protestierende wurden bereits verhaftet. Menschenrechtsaktivist_innen berichten von willkürlichem Vorgehen der Polizei. Ahmed Sassi, ein bekannter Aktivist und arbeitsloser Philosoph, wurde in seinem Zuhause in Tunis verhaftet. Während die Staatsgewalt gegen Aktivist_innen vorgeht, porträtieren die Medien die Proteste als reine Vandalen-Akte.

Opposition

© Mourad Teyeb (Twitter)

Doch die andauernden Proteste sind nicht nur ein Ausbruch von Wut und Gewalt. Während der letzten drei Jahre gab es vermehrt Proteste wegen der sozioökonomischen Lage – von Menschen die sich von der propagierten „demokratischen Wende“ ausgeschlossen fühlen. Sie fordern Veränderungen, ein Ende der Korruption und mehr soziale Gerechtigkeit.

Die Austeritätsmaßnahmen werden vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union im Austausch für Kredite diktiert. Diese wiederum gehen für Kreditrückzahlungen an internationale Banken drauf. Außerdem treibt das wachsende Handelsdefizit den Wert der Tunesischen Währung runter, erhöht die Kosten der Kreditrückzahlungen und untergräbt die Kaufkraft der breiten Bevölkerung.

Auch wenn es ein generelles Misstrauen gegenüber politischen Parteien gibt – speziell von der verarmten und arbeitslosen Jugend – spielte die Linke eine wichtige Rolle beim Ausbruch der Demonstrationen. Linke Aktivist_innen agitierten gegen die Pläne der Regierung und bestärkten, dass die Wut in den Straßen ausbrechen kann. Die Volksfront und andere Oppositionsparteien riefen für den 14. Jänner, dem Jahrestag der Tunesischen Revolution, die Diktator Ben Ali stürzte, zu einem Massenprotest in der Hauptstadt auf.

Die fortgesetzten Proteste zeigen, dass keiner der Missstände, welche die Tunesier_innen zur Revolution angetrieben haben, beseitigt wurde. Die Revolution ist ein langwieriger Prozess und die Arbeiter_innenklasse Tunesiens braucht eine Führung, die im Stande ist, den Kampf zu organisieren.

Aus dem Englischen übersetzt von Judith Litschauer. Der Originalartikel erschien zuerst auf socialistworker.co.uk