Als Burschenschafter Juden von den Unis prügelten
Im April 1920, nur wenige Monate nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, rotteten deutschnationale Burschenschafter in Wien 1.000 Studierende zusammen, marschierten zur jüdischen Mensa und schlugen 20 Jüdinnen und Juden und Kellnerinnen krankenhausreif. Sie zogen weiter zu den Anatomiehörsälen und forderten den Rauswurf des jüdischen sozialdemokratischen Professors Julius Tandler.
Damit war es nicht getan, berichtete der Abgeordnete der jüdischnationalen Partei Robert Stricker: „Am nächsten Tag haben die deutschnationalen Studenten die Aula besetzt und haben jüdischen Hörern den Zutritt verweigert, haben schließlich die Vorweisung von Taufscheinen verlangt.“
Viele dieser Antisemiten waren deutschnationale Burschenschafter. Der Gründer der Großdeutschen Volkspartei, Franz Dinghofer, war Mitglied der Ostmark Graz. Robert Körber, war führendes Mitglied des Antisemitenbundes, später SS-Obersturmführer und war 1922 für die Aufstellung des Siegfriedskopfes an der Universität Wien verantwortlich. Der Gründer des Antisemitenbundes, Anton Jerzabek, gehörte der Burschenschaft Olympia an – jener Burschenschaft, aus der heute führende FPÖ-Politiker wie Martin Graf kommen.
Der „Antisemitentag“ 1921
Bereits 1919 hetzten Jerzabek und Körber auf einer Kundgebung unter dem Motto „Hinaus!“ gegen die „Juden“ im Wiener Rathaus. Wenig später, vom 11. bis 13. März 1921, luden sie zum sogenannten „Antisemitentag“ in Wien. Der Antisemitenbund organisierte zusammen mit Offizieren eine Kundgebung mit 5.000 Judenhassern vor dem Rathaus.
Sie marschierten über den Ring riefen „Juden hinaus!“, griffen jüdisch aussehende Passant_innen und jüdische Geschäfte an. Der Mob konnte nur mit Mühe von der Polizei vor der Leopoldstadt, die überwiegend von Jüdinnen und Juden bewohnt war, gestoppt werden.
Unterstützung für ihre Forderung nach einem Ausschluss von Jüdinnen und Juden von der Universität bekamen die Deutschnationalen von den Universitätsrektoren persönlich. Schon Friedrich Becke betonte bei der Ausrufung der Republik im November 1918, die Universität wäre „vor allem eine deutsche Universität für die deutschen Volksgenossen“. Sein Nachfolger, Franz Diener, forderte 1922 den „Abbau der Ostjuden“ und bezeichnete Juden als „wahren Krebsschaden unserer akademischen Verhältnisse“.
Prügelterror
Nach 1923 häuften sich Berichte von „Hakenkreuzler-Krawallen“ und „Nazi-Terror“ an den Hochschulen. Burschenschafter eröffneten die Jagd auf jüdische Studierende und Professoren. Mit schweren Stöcken bewaffnet trafen sich deutschnationale Studenten jeden Samstag an der Universität Wien zum sogenannten, harmlos klingenden, „Studentenbummel“.
„Was für den Nationalsozialismus die SA-Männer leisteten“, erinnerte sich Schriftsteller Stefan Zweig, besorgten „für die Deutschnationalen die Corpsstudenten, die unter dem Schutz der akademischen Immunität einen Prügelterror ohnegleichen etablierten“. Die Burschenschafter stürmten mit den Rufen „Juda verrecke!“ in die Hörsäle. Die deutschnationalen Studenten, schreibt die Augenzeugin Minna Lachs, „zerrten die jüdisch aussehenden Studenten unter Schlägen aus dem Saal und prügelten sie bis zur Rampe der Universität hinunter“. Die Polizei stand vor der Universität und sah tatenlos zu.
Ideologische Säuberung
Jene Juden, die einen Posten an der Universität inne hatten, wie Hans Przibram und viele andere, wurden systematisch verdrängt. Für jüdische Akademiker war es praktisch nicht mehr möglich einen Lehrplatz zu bekommen. Dem verheißungsvollen Wissenschafter Franz Urbach, Sohn eines jüdischen Mittelschullehrers, war es schon 1926 unmöglich gemacht worden, zu habilitieren: „Es war damals eine staatliche Anstellung für einen Juden so gut wie unerreichbar geworden“, besonders an den Universitäten.
Die Nachfolger des organisierten Massenmords und des Terrors an den Universitäten, die deutschnationalen Burschenschafter, huldigen heute noch regelmäßig ihren „Helden“ am Achten Mai, auf Aufmärschen an Universitäten und anderen „Totengedenken“. Wir sollten diese bittere Zeit an den österreichischen Universitäten nicht vergessen und ihren Tätern niemals vergeben.
Der Antisemitismus der Burschenschaften
- 1815 Bereits bei der Gründung der Urburschenschaft wird verlangt, dass nur »ein Deutscher und Christ« Mitglied werden dürfe
- 1820 Korporierte verlangen auf dem Burschentag in Dresden den Ausschluss der „vaterlandslosen Juden“
- 1896 Am Waidhofener Verbandstag wird ein „Arierparagraph“ formalisiert. Jüdische Studenten, wie Sigmund Freund oder Theodor Herzl, verließen ihre Verbindungen oder wurden ausgeschlossen
- 1920 Dachverband der Deutschen Burschenschaft: »Die ererbten Rasseneigenschaften der Juden werden durch Taufe nicht berührt«
- 1933 Die Machtergreifung der Nazis wird vom Dachverband der Deutschen Burschenschaft (DB) bejubelt: „Was wir seit Jahren ersehnt haben, ist Tatsache geworden.“
- 1938 Die Burschenschaften lösen sich freiwillig auf, gliedern sich in NS-Organisationen ein und existieren als „Kameradschaften“ weiter
- 1965 Burschenschaften demonstrieren für den antisemitischen Professor Borodajkewycz, ein ehemaliger KZ-Häftling wird getötet
- 1989 Festschrift der Wiener Burschenschaft: „Nach Kriegsende setzte die von den Siegern betriebene systematische Umerziehung ein.“
- Heute Die Neonazis Küssel und Budin, wie ein Großteil der Führungskader des heimischen Neonazismus, stammen aus Burschenschaften