Antifaschismus beim Fastenbrechen mit Rabbiner Hofmeister
Am 30. Mai bin ich wie viele andere zu meinem Mahnwachdienst am Ring gegangen, um dort vor Ort die zuvor von Neonazis angegriffenen Bilder zu beschützen. Es ist Ramadan und auch bald Zeit, das Fasten zu brechen. Kurz vor dem Sonnenuntergang überlegen wir noch, ob wir uns Essen bestellen sollen oder ob das mitgebrachte Essen von einem muslimischen Bruder ausreicht. Wir decken den Tisch und laden das Nachbarszelt der Caritas herzlich dazu ein, mitzuessen, denn bei dieser schönen Atmosphäre wollen wir alle an unserem gedeckten Tisch teilhaben lassen.
Mittlerweile sind es nur mehr fünf Minuten und die kalte Abendbrise, gekoppelt mit dem Verzicht auf Essen, macht sich durch unsere immer kälter werdenden Körper bemerkbar. Uns ist kalt, aber wir sind trotz aller Umstände zufrieden, wenn wir an den Zweck unseres Hierseins denken. Wir denken uns, bei so einem Vorfall ist keine Kälte der Welt kälter, als die abscheulichen Herzen der Täter. Keine Temperatur oder Nässe stellt unser warmes und herzliches Zusammenkommen in den Schatten.
Bald schon sollte jeglicher Hunger und jegliche Kälte aber vergessen sein, denn als wir uns gerade zum Essen bereit machen, sehen wir Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister mit einem Einkaufswagen auf uns zukommen. Er grüßt uns herzlich und fängt an, reichlich Essen und Tee auszupacken. Vegetarische Hotdogs und Falafel-Sandwiches nach jüdischer Art für unser Fastenbrechen. In dem Moment sind wir alle ein wenig fassungslos, dankbar und überwältigt von der herzlichen Geste. Ich schaue den Rabbiner lange an und denke mir: „Wie schön wäre es, wenn Menschen immer im gegenseitigen Respekt zusammenkommen würden. Wenn alle Menschen unabhängig von Religion, Aussehen oder Herkunft immer das Verbindende vor das Trennende stellen würden.“
Ich habe meinen Hunger und meine Kälte mittlerweile vergessen, bevor ich überhaupt gegessen habe. Ich bin erfüllt von Herzenswärme. Beim Teeausschenken tauscht Herr Hofmeister noch einige Worte mit uns aus. Er meint, Solidarität zu leben ist anders, als nur zu sagen, man bekenne sich zu den Betroffenen solidarisch. Reden kann jeder, aber nur die wenigsten handeln auch.
Im Anschluss an unseren Iftar singt uns der antifaschistische Chor „HOR 29 Novembar“ noch ein schönes Ständchen. Die perfekte Abrundung, denn wir alle Beteiligten sind Antifaschisten.
Die letzten Tage haben mir gezeigt, dass im Namen des Antifaschismus auch jene sich zusammenschließen können, von denen man es vielleicht nicht erwartet. Eine Frau flüstert mir ins Ohr: „Endlich schließen sich unsere Lager zusammen. Endlich schaffen wir es zusammenzukommen.“ Sie hat Recht, ENDLICH haben wir mit Zivilcourage bewiesen, dass uns kein ewiggestriges Gedankengut auseinander dividieren kann. Endlich wissen wir, dass dort, wo die Polizei nicht handelt, wir als Zivilgesellschaft friedlich Selbstinitiative ergreifen.
Juden, Muslime, Christen, Atheisten, alle gemeinsam in Harmonie.
Fatima El Shebiny