Asylpolitik trieb elfjährigen Flüchtling aus Afghanistan in den Selbstmord
Trauer und Fassungslosigkeit beherrschten die Stadt Baden in Niederösterreich, nachdem die schreckliche Nachricht vom Tod des Jungen bekannt wurde. Der elfjährige Afghane war am Sonntag, 12. November, nach einem Suizidversuch ins Spital eingeliefert worden, wo er am Tag darauf verstarb. Zurück bleiben seine sechs Geschwister und die Frage, wie es so weit kommen konnte.
Die Frage, wie viel Rassismus und Hass das Kind ertragen musste, bis es so unerträglich wurde, dass es die Entscheidung traf, dem ein Ende zu setzen. Die Frage, wann der Staatsrassismus gegenüber Flüchtlingen und Muslimen endlich als solcher benannt wird und die Hetzer zur Verantwortung gezogen werden.
23-Jähriger alleinige Aufsicht
Seit Anfang des Jahres 2016 lebte der Junge gemeinsam mit seinen sechs Geschwistern in einem Flüchtlingsquartier in Baden. Da die Eltern der Kinder nicht mehr leben, wurde dem Ältesten von ihnen (23) die Obsorge für seine alle noch minderjährigen Geschwister übertragen. Diese immense Verantwortung, beide Elternteile ersetzen zu müssen, darf einem 23-jährigen nicht zugemutet werden.
Bereits seit April 2016 gingen unter anderem von der Diakonie Baden bei der Bezirkshauptmannschaft Gefährdungsmeldungen ein, die nahelegten, dass die Familie Hilfe benötigt. Einer der Jungen hat das Downsyndrom. Der Neunjährige wurde mehrfach von der Polizei nachhause gebracht, weil er alleine auf der Straße unterwegs und vor Autos gelaufen war. Nach Recherchen des Falters sah die Bezirkshauptmannschaft weder für den Buben mit Downsyndrom noch für dessen Geschwister eine Gefährdungslage.
Das Gesetz sieht vor, dass die Aufsicht von unbegleiteten Minderjährigen automatisch an die nächsten Verwandten fällt. Die Kinderpsychologin Sonja Brauner kritisiert diese Praxis: „Allein der gesunde Menschenverstand sagt, dass ein 23-Jähriger die Obsorge für minderjährige Geschwister nicht bewältigen kann. Ich kenne auch keinen Fall eines Österreichers, dem eine solche Obsorge übertragen worden wäre.“
Rassismus
Und genau das ist der Punkt: Die etablierte Politik setzt gezielt auf die strikte Trennung zwischen Österreichern und Nicht-Österreichern. Mit Diskussionen über Kopftuchverbot, Obergrenzen und die kategorische Verdächtigung aller Muslime als Terroristen, als „tickende Zeitbomben“, wie die FPÖ auf ihrer Homepage verbreitet, wird die Ablehnung der Flüchtlinge immer weiter angeheizt. Die Kinder werden täglich mit diesem Rassismus konfrontiert und bekommen zu spüren, dass für sie als „Ausländer“ nicht die gleichen Rechte gelten, wie für ihre Mitschüler.
Die Erfahrungen von Krieg, Flucht und dem Verlust der Eltern sind vor allem für Kinder schwer zu verarbeiten. Doch trotz der extrem gefährlichen Lage im Kriegsgebiet bekommen Flüchtlinge aus Afghanistan verstärkt negative Asylbescheide. Eine ständige Angst vor der drohenden Abschiebung zurück in ein zerstörtes Land ist die Folge. Wie soll ein Kind damit umgehen können?
Suizidrate steigt
Wie viel Leid ein Kind erlebt haben muss, um als einzigen Ausweg den Tod zu sehen, ist kaum vorstellbar. Helga Krismer, Landessprecherin der NÖ Grünen und Vizebürgermeisterin in Baden, kritisiert das Verhalten der BH Baden und der Landes-ÖVP: „Wenn sich ein elfjähriges Kind das Leben nimmt, erwarte ich mir von einer Behörde, dass sie nicht einfach zur Tagesordnung übergeht.“
Doch wo bleibt die Empörung? Anstatt die gewaltige Tragik dieser verzweifelten Tat zu erfassen, versuchen sich die Verantwortlichen aus der Affäre zu ziehen. Und der Elfjährige ist kein Einzelfall: die Zahl der Suizidversuche bei Flüchtlingen steigt vehement an, häufig als Reaktion auf einen negativen Bescheid.
Die Schuld liegt bei den Herrschenden, die unter dem absurden Vorwand, das Land schützen zu müssen, Flüchtlinge und Muslime als Menschen zweiter Klasse aus der „Festung Europa“ fernhalten wollen. Es ist Zeit, dieser rassistischen Politik, die mit ihrer Hetze bewusst Menschen in den Tod treibt, ein Ende zu setzen.