Bahnbrechender Kindergartenstreik in Deutschland

Schon mehr als zwei Wochen hält der „Kitastreik“ in Deutschland durch. Die Arbeitgeber der Kindertagesstätten (Kitas) versuchen den Arbeitskampf auszusitzen und die Eltern gegen die Kinderbetreuer_innen zu mobilisieren.
1. Juni 2015 |

Seit 8. Mai befinden sich in Deutschland rund 150.000 Beschäftigte des Bereiches Sozial- und Erziehungsdienst in einem unbefristeten Streik. Das Durchschnitts-Bruttogehalt der Erzieher_innen liegt bei etwa 2.200 Euro im Monat – gegenüber einem durchschnittlichen deutschen Bruttomonatsverdienst von 3.527 Euro. Das obwohl die Ausbildung bis zu fünf Jahren dauern kann. Gefordert wird auch, dass der Bund sich stärker an der Finanzierung der Kitas beteiligen muss.

Kein Angebot der Arbeitgeber

Bis 20. Mai, also nach zwei Wochen unbefristetem Streik, wurde von den Arbeitgebern immer noch kein Angebot vorgelegt. Dementsprechend haben die 330 Teilnehmer_innen an der bundesweiten Streikdelegiertenkonferenz die Fortsetzung des Streikes beschlossen – bis die Arbeitgeber bereit sind, auf die Forderungen der Arbeitnehmer_innen einzugehen.

Der Streik ist die Konsequenz aus fünf Verhandlungsrunden, in denen Arbeitgeber kein vernünftiges Angebot vorgelegt haben. Daraufhin entschieden sich in einer Urabstimmung bei ver.di 93 Prozent – und bei der GEW- Bildungsgewerkschaft 96 Prozent für einen unbefristeten Streik. Die streikenden Erzieher_innen fordern eine prinzipielle Aufwertung ihrer Berufe. Die Aufwertung muss sich natürlich auch am Lohnzettel niederschlagen, gefordert wird eine Gehaltserhöhung von zehn Prozent.

Genug ist genug

Der Kitastreik ist nach dem Streik der Lokführer der zweite große Streik in Deutschland, dementsprechend hart sind die Attacken aus Medien und Politik: Man solle den Streik nicht auf den Schultern der Kinder und Eltern austragen. Forderungen nach einer Einschränkung des Streikrechtes, in Bereichen der Daseinsvorsorge (z.B. Verkehr und Erziehung) werden laut – von Seiten der CDU/CSU und von Teilen der SPD. Doch die Kita-Mitarbeiter_innen lassen sich davon nicht abschrecken. In vielen Städten organisierten sie Solidaritätskundgebungen mit bis zu 6.000 Teilnehmer_innen.

Es sollte jedem klar sein, dass der Streik absolut notwendig ist. Die Anforderungen an die Betreuer_innen sind hoch und die Bezahlung ist bescheiden. Von Seiten der Politik wird immer betont, wie wichtig die Kita-Mitarbeiter_innen sind. Die Worte der Familienministerien Manuela Schwesig (SPD), „Wir können nicht sagen, Kinder sind uns wichtig. Aber diejenigen, die mit ihnen arbeiten, sind es nicht“, klingen zwar ganz gut, nur die Taten zu diesen Worten fehlen. Eine Kita-Mitarbeiterin aus Berlin brachte die Lage gut auf den Punkt: „Dazu zählt für mich aber auch das Geld. Denn keinen Menschen interessiert mein Idealismus, wenn es darum geht, dass meine Rechnungen bezahlt werden müssen. Ich möchte mehr Geld, weil unsere Arbeit es wert ist.“

Solidarität

Die oft vorgebrachte Kritik, dass die Erzieher_innen mit ihrem Streik auch die Eltern treffen, kann man so nicht stehen lassen: Die Arbeitnehmer_innen müssen die Möglichkeit haben, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Streik ist die effektivste Art sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einzusetzen. „Die Kritiker sollten sich fragen, ob den Eltern ihr Wunsch nach einem reibungslosen Alltag wichtiger ist, als die Arbeitsbedingungen der Erzieher_innen dies sich immerhin um ihre Kinder kümmern. Gerade durch den Streik zeigt sich doch, wie wichtig die Arbeit der Erzieher_innen ist“, sagt Nicole Mayer-Ahoja, Professorin für Soziologie im NDR-Interview sehr richtig.

Streik ist die effektivste Art sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einzusetzen.

Es wird immer bessere Qualität bei der frühkindlichen Erziehung gefordert, man will immer mehr Betreuungsplätze für immer mehr und immer jüngere Kinder, und die sollen umfassend und individuell gefördert werden. Gleichzeitig steigt aber die Arbeitsbelastung der Beschäftigten in den Betreuungseinrichtungen kontinuierlich und das ohne Lohnzuwachs und kaum Neueinstellungen.

Starker Rückhalt

Schlussendlich sollte sich die Kritik nicht gegen die Arbeitnehmer_innen richten, sondern gegen die politisch Verantwortlichen. Genau das versucht Verdi auch zu erreichen. Sie appellieren an die Eltern vorformulierte E-Cards an die verantwortlichen Bürgermeister zu schicken, um den Druck auf die Arbeitgeber zu steigern.

Die überwiegende Mehrheit der Lohnabhängigen versteht das auch, laut einer Umfrage des Institutes YouGov haben 67 Prozent der Deutschen Verständnis für den Streik. Der DGB, IG Metall und IG Bau verkündeten ihre Solidarität mit den Streikenden: „Ihr habt das verdient, was ihr fordert, denn eure Arbeit ist für die gesamte Gesellschaft besonders wichtig.“ Auch von Seiten der Eltern gibt es breites Verständnis für den Streik. In einigen Kitas halfen Eltern bei der Notbetreuung der Kinder mit.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.