Besetzung der Votivkirche: Kampf um Bleiberecht

Überfüllte Lager, endlos lang dauernde Asylverfahren, willkürliche Asyl-Ablehnungen und mörderische Abschiebungen, das ist die traurige Lebensrealität von Flüchtlingen in Österreich. Ende 2012 organisierten Flüchtlinge eine Protestbewegung, die das Thema in die Öffentlichkeit rückte. Tausende begannen sich erstmals mit der Lage von Flüchtlingen auseinanderzusetzen und sie zu unterstützen.
13. Juni 2017 |

Die Bewegung „Refugee Protest Camp Vienna“ nimmt ihren Anfang, als am 24. November 2012 rund 200 Flüchtlinge und mit ihnen Solidarische aus Traiskirchen nach Wien marschieren. Der Protest entzündet sich primär an den miserablen Lebensbedingungen, doch auch drohende Abschiebungen sind vermehrt Thema. Direkt nach dem Protestmarsch errichten die Flüchtlinge im Votivpark ein Protestcamp, sie bauen mehrere Zelte und Kochstellen auf. Um die 100 Personen übernachten in den kommenden Tagen dort.

Am 26. November organisieren Flüchtlinge eine Pressekonferenz und stellen ihre Forderungen vor. Es werden unter anderem die schlechten Dolmetscher im Lager, die bewusst falsch übersetzen, und die fehlenden Deutschkurse kritisiert – zwei Probleme, die bis heute bestehen. Außerdem fordern sie ein Gespräch mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Diese weigert sich jedoch, direkt mit den Flüchtlingen zu sprechen, und nimmt den Umweg über die Caritas.

Repression

Am 28. Dezember 2012 schlägt der Staat dann brutal zurück. In den frühen Morgenstunden fahren von der Polizei organisierte Bagger vor dem Camp auf. Die Polizei macht das Camp dem Erdboden gleich. Die Geflohenen besetzen die Votivkirche. Die Flüchtlinge betonen zwar immer wieder ihre Verhandlungsbereitschaft, doch von Seiten des Staates ist das nicht gewünscht. Darum schickt er seine Schlägertruppen vor.

In den folgenden Wochen wird die Votivkirche von der Polizei praktisch belagert. Immer wieder kommt es zu Überfällen von in Zivil gekleideten Beamten auf die Aktivist_innen. Diese äußern sich in einer Presseaussendung: „Die Polizei bedroht uns. In Zivil gekleidete Beamte, die sich uns nicht zu erkennen geben, beobachten und kontrollieren uns.“ Einer der führenden Sprecher der Bewegung Shah Jahan Khan wird verhaftet und trotz seiner schweren Erkrankung in Schubhaft gesteckt. Einigen anderen gelingt es der Festnahme noch knapp zu entkommen. SOS Mitmensch spricht in einer Presseausendung von „Jagdszenen im Votivpark“.

In der Öffentlichkeit wird der Protest der Flüchtlinge durchaus positiv wahrgenommen. Immer wieder kommt es zu Solidaritätskundgebungen. Die größte Demonstration findet am 16. Februar 2013 statt, über 2.500 Menschen gehen für die Rechte der Flüchtlinge auf die Straße.

Rache des Staates

Durch das gnadenlose Vorgehen der Polizei werden die Besetzer_innen langsam aber sicher zermürbt. Am 5. März 2013 wird die Kirche schlussendlich geräumt. Die Flüchtlinge wechseln ins Servitenkloster in Wien-Alsergrund.

Nun startet die Innenministerin Mikl-Leitner mit Rückendeckung der Kronen Zeitung eine gigantische Hetzjagd auf die Aktivist_innen. 26 der 63 Besetzer erhalten negative Asylbeschiede. Acht von ihnen werden nach Pakistan abgeschoben. Einige Tage danach werden weitere acht Flüchtige festgenommen und wegen Schleppereiverdachts in Untersuchungshaft genommen. Mikl-Leitner spricht von einem Schlepperring, der „äußerst unmenschlich agiert“. Die Krone schreibt von der „Schmugglerbande aus dem Servitenkloster“, die Millionen verdiente und „schreiende Schwangere, Alte, Kranke“ am Fluchtweg einfach zurückließ.

Keiner dieser Vorwürfe hält einer Überprüfung stand. Der Prozess brachte die Farce des Innenministeriums zum Einstürzen: Übersetzerinnen gestanden, dass sie von der Polizei beeinflusst wurden, das Wort für „Leute“ wurde als „Schleppungswillige“ übersetzt. Es existierte keine Schlepperbande. Die Richterin riet der Staatsanwaltschaft, die Angeklagten enthaften zu lassen.

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Zum Glück misslingt die Einschüchterungstaktik des Innenministeriums, zumindest langfristig. 2015 fahren hunderte Österreicher_innen über die Grenze nach Ungarn, um Flüchtlinge trotz Drohungen des Staates mit dem Schlepperparagraphen, also illegal, nach Österreich zu holen. Die jüngsten Demonstrationen gegen die Abschiebungen nach Afghanistan zeigen, dass Menschen nach wie vor dazu bereit sind, gegen das Unrecht des Asylsystems aufzustehen, ganz egal wie sehr man auch versucht sie einzuschüchtern.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.