Blauer Absturz verändert alles
Wir haben die FPÖ jahrzehntelang bekämpft, wir haben ihren Niedergang unter Jörg Haider beobachtet und ihren Wiederaufstieg unter Heinz Christian Strache. Natürlich ist das Warnung genug, dass diese Partei wieder massentauglich werden könnte. Aber allein die Tatsache, dass sie auf absehbare Zeit nicht mehr die Öffentlichkeit mit grauenhaftem Rassismus beherrschen kann, und dass sie Menschen nicht mehr so einfach in faschistische Strukturen einbinden kann, ist Gold wert.
FPÖ kann Wirtschaftskrise nicht ausnutzen
Die FPÖ war lange Zeit die erfolgreichste unter den „Eurofaschisten“, wie wir Parteien ihres Schlages bezeichnen, zum Beispiel den Front National. Im Dezember 2017 hieß es noch, dass in Österreich eine Partei, die von SS-Offizieren gegründet wurde, an einer Regierungskoalition beteiligt wird. Fast drei Jahre später erleidet diese Partei die tiefste Krise ihrer Geschichte und ist damit vieler Möglichkeiten beraubt, die große wirtschaftliche und politische Krise, für ihre Zwecke zu nutzen. Mit „ihren Zwecken“ meinen wir nicht nur das auf die Spitze treiben von Rassismus, sondern den Aufbau einer faschistischen Partei.
Im Parlament statt am Galgen
Die FPÖ konnte sich seit ihrer Gründung darauf verlassen, dass das politische Establishment in Österreich keine Abrechnung mit den Nazis wollte. In ihr tummelten sich SS-Offiziere und andere Kriegsverbrecher, die eigentlich die Todesstrafe verdient gehabt hätten, stattdessen wurden die „Ehemaligen“ verhätschelt. Nicht nur die Freiheitlichen wehrten sich gegen die Bezeichnung Nazipartei, auch SPÖ und ÖVP wollten davon nichts hören, lieber baute man die „Ehemaligen“ als mögliche Koalitionspartner auf, sollte es politisch opportun erscheinen. So konnte sich die FPÖ ein demokratisches Mäntelchen umlegen, während sie gleichzeitig gestandene Neonazis in ihren Reihen aufbaute und in hohe Staatsposten hievte. Sogar Kampfgefährten des berüchtigten Neonazis Gottfried Küssel schafften eine Beamtenlaufbahn in österreichischen Ministerien.
Je tiefer die FPÖ ihre Männer in den Staatsapparat integrierte, desto schwieriger wurde es ihren wahren Charakter öffentlich zu machen. Kaum jemals wurde einem Strache oder einem Hofer vor ORF-Kameras ins Gesicht gesagt, dass sie als Mitglieder von deutschnationalen Burschenschaften, die noch immer die Traditionen der NSDAP pflegen (so der Autor Hans-Henning Scharsach), keine öffentliche Bühne bekommen sollten. Diese Verharmlosung wird sich sicherlich auch nach dem Debakel der FPÖ fortsetzen. Aber es sind dann keine strahlenden Sieger, die in absehbarer Zeit vor die Kameras treten, eher geprügelte Hunde.
Ein Geschenk für Linke
Authentische linke Protestpolitik hat es nun einfacher die vielen Unzufrieden anzuziehen, da das Image der FPÖ als Protestpartei zerstört ist.. Es wird auch viel einfacher für Antifaschist_innen die Bedrohung, die von der FPÖ als faschistische Partei ausgeht, darzustellen. Die Skeptiker haben natürlich recht, wenn sie darauf hinweisen, dass die ÖVP unter Kurz jetzt der FPÖ das Geschäft der rassistischen Verhetzung abnehmen – man denke nur an Finanzminister Blümels Stimmungsmache „Ohne Deutsch keine Wohnung im Gemeindebau“. Es macht aber einen großen Unterschied, ob eine rechtskonservative Partei oder eine faschistische Partei mit Rassismus Politik macht.
Niemals vergessen
Faschisten wollen Menschen nicht nur als Stimmvolk, sondern sie als Aktivisten in ihr Projekt integrieren. Sie wollen sie so weit verderben, dass sie auch zu Gewalt greifen, wenn die Zeit dafür reif scheint. Die demokratische Tarnung der FPÖ hat vergessen lassen, wohin Faschismus am Ende führt, wenn er erfolgreich ist. Wir haben nie aus den Augen verloren, wie die FPÖ entstanden ist, und dass sie nach wie vor eng mit den deutschnationalen Burschenschaften verbunden ist. Nach dem Debakel in Wien wird es um ein Vielfaches einfacher, ihre Pläne zu vereiteln.
Facts zum FPÖ-Absturz: • Die FPÖ stürzt auf ein Viertel ihres Ergebnisses aus dem Jahr 2015 ab • Ganze 26 ihrer bisher 34 Mandatare fallen weg • Auch der Vizebürgermeisterposten ist weg. • Selbst in Simmering, ihren „stärksten“ Bezirk, sackte die FPÖ um 28 Prozentpunkte auf 14,9 Prozent ab • In Floridsdorf ging es bei der Gemeinderatswahl um 30,9 Prozentpunkte nach unten • 101.000 ehemalige FPÖ-Wähler, gingen diesmal nicht zur Wahl