Das Erfolgsrezept von Trump und Kurz

Man muss sich als Linke oder Linker die Frage schon stellen: Wie konnten so offensichtlich verkommene Persönlichkeiten wie Sebastian Kurz oder Donald Trump, Benjamin Netanjahu oder Viktor Orbán die politische Macht so einfach an sich reißen und bei Wahlen trotz allem weiter strahlen?
18. Oktober 2021 |

Offensichtlich ermöglicht ihnen das ihre völlige Skrupellosigkeit und ihre Verachtung für den „liberalen Konsens“. Anders betrachtet erlaubt das bedingungslose Festhalten ihrer Gegner an diesem Konsens solche
Triumphe. Neben dem absolutem Mangel an „politischem Anstand“ haben sie aber ein beinahe identes politisches Programm. Schlimmster Rassismus gegen Flüchtlinge und Muslime dient als „gemeinsame Leitideologie einer rechten Sammelbewegung“ und im Gefolge dieses Rammbocks setzen sie die klassische Politik der Konservativen und der radikalen Rechten um: antisoziale Politik im Dienste der Privilegierten, frauenfeindliche Politik, eine gegen die ärmsten Schichten gerichtete Bildungspolitik und alle
möglichen Geschenke für die eigene konservative Klientel, wie Hoteliers, lokale Unternehmer etc. Nur ein Teil ihrer Anhängerschaft sind eingefleischte Rechte, der andere Teil sind Menschen, die eben diesen „liberalen Konsens“ (nicht ganz zu Unrecht) als unerträglich empfinden.

Die Erfolge aller genannten Demagogen ist undenkbar ohne diese Schicht oder Klasse von Menschen, die gegen ihre eigenen sozialen Interessen wählen gehen. Ohne Arbeitslose und „Working Poor“ und allen anderen Angehörigen der Klasse der Arbeiter_innen, die sich von Gewerkschaften und Sozialdemokratie abgewendet haben, könnte ein Sebastian Kurz nicht zum rätselhaften „Phänomen“ werden. Was wir hier den liberalen Konsens nennen, ist kein wirklich neues Phänomen. Es bedeutet kurz gesagt Unterdrückung von Klassenhass und Verzicht auf Klassenkampf. Politiker, die Unsummen verdienen und alle möglichen Privilegien genießen, predigen den Verlierern des wirtschaftlichen Abstiegs der letzten Jahrzehnte, dass ihre Wut unangebracht, unanständig, primitiv, unkultiviert, oder was auch immer sei. Sie verbitten sich selbst
jegliche ernsthafte Konfrontation der Eliten und geben sich immer zahm und konstruktiv.

Sogar nach der jüngsten Veröffentlichung der ÖVP-Chatprotokolle sieht SPÖ-Chefin Rendi-Wagner ihren Auftrag darin „wieder Stabilität und Sauberkeit ins Land zu bringen“. Und sie würde dafür sogar mit der FPÖ unter Kickl kooperieren. Viel mehr Menschen als die unmittelbaren Verlierer_innen der langen Wirtschaftsrezession sind wütend. Durch die Pandemie sind die Widersprüche außerdem viel deutlicher geworden. Die
wichtigsten Berufe wie Alten- und Krankenpflege, Kinderbetreuung, Einzelhandel usw. sind nach wie vor die am schlechtesten bezahlten. Arbeitslose sollen gezwungen werden im Tourismus zu arbeiten, wo weiter nichts an den unerträglichen Arbeitsbedingungen geändert wird.

Kurz und Co. kennen keine Skrupel, diese Wut in rassistische Bahnen zu lenken. Nicht die Wirtschaftskrise bedroht euch und nicht der Klimawandel – die Ausländer, Flüchtlinge, Muslime sind an allem schuld, so die einfache Botschaft. Und tragischerweise geben ihre sozialdemokratischen Konkurrenten ihnen immer partiell recht, anstatt eine kohärente antirassistische Linie zu fahren. Antirassismus kann nur auf Basis von gemeinsamen Klassenkampf funktionieren, der aber um jeden Preis vermieden wird – auch um den Preis des Absinkens in die Bedeutungslosigkeit.

Wenn wir solche Monster wie Kurz oder Trump vertreiben wollen, müssen wir uns bewaffnen. Wir brauchen eine kämpferische Linke, die das Interesse der Arbeiterinnen- und Arbeiterklasse verfolgt und nicht den liberalen Konsens predigt.