Das „Fuck Strache“-Urteil: Warum man dem Vizekanzler den Mittelfinger zeigen darf

Am 28. Februar hat das Wiener Oberlandesgericht bestätigt: Im Rahmen der freien Meinungsäußerung und im politischen Kontext ist es erlaubt, dem FPÖ-Vizekanzler der Republik Österreich, Heinz-Christian Strache, den Mittelfinger zu zeigen und „Fuck Strache“ zu sagen. Jetzt wurde das Urteil schriftlich ausgefertigt, die Lektüre ist Genugtuung und Genuss!
15. März 2018 |

Hier geht’s zum Download des Urteils als PDF!

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte uns geklagt, weil wir ihm in unserem Aufruf und Video zu einer Demonstration gegen die FPÖ (13. Oktober 2016) den Mittelfinger gezeigt und „Fuck“ zu ihm gesagt haben. Strache brachte daraufhin über seinen Anwalt Michael Rami (der inzwischen für die FPÖ im Verfassungsgerichthof sitzt) eine Klage wegen Beleidigung ein und wollte für die „erlittene Kränkung“ eine finanzielle Entschädigung.

 

Das Landesgericht Wien wies die Klage am 14. Dezember 2017 ab, Strache ging in Berufung. Das Oberlandesgericht wies diese Berufung am 28. Februar erneut ab – damit ist das Urteil rechtskräftig: im politischen Zusammenhang darf man dem Vizekanzler der Republik Österreich den Mittelfinger zeigen und „Fuck“ zu ihm sagen. Strache muss sämtliche Verfahrens- und Anwaltskosten bezahlen.

Das Erstgericht urteilte bereits, dass „eine derartige Ablehnung gegen einen führenden Politiker“ auch „auf schockierende und provozierende Art und Weise geäußert werden kann“, dies sei „elementarer Bestandteil der Meinungsfreiheit“.

Freie Meinungsäußerung

Das Oberlandesgericht, die zweite und in diesem Fall höchste Instanz, bestätigte das Urteil. Strache und seinem Anwalt Michael Rami wäre es nicht gelungen, im Rahmen der Berufung „Bedenken“ zu wecken. „Im politischen Diskurs“ zwischen Anhänger_innen von Linkswende jetzt, die Strache „politisch ablehnend bis feindselig gestimmt“ sind, gegen „einen führenden Politiker (Strache) stellen sich die als Beleidigung inkriminierten Aussagen und Gesten sohin als im Rahmen der freien Meinungsäußerung noch zulässige politische Agitation dar.“

Das Höchstgericht erinnerte daran, dass auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits die Bezeichnungen  „Trottel“, „Kellernazi“ und „Psychosekte mit totalitärem Charakter“ für zulässig erklärt hatte – sofern diese Betitelungen „auf einer ausreichenden faktischen Grundlage basieren“. Grundsätzlich seien die Grenzen zulässiger Kritik bei Politikern „weiter gezogen als bei Normalbürgern“.

Sieg über die FPÖ

Unzweifelhaft liege „eine politische Kritik an den vom politischen Gegner FPÖ vertretenen Inhalten“ vor. Das Gericht urteilte: „F*CK Strache“ sei demnach zwar sicher nicht als „künstlerische“, aber als eine, „wenn auch derbe, knappe und einprägsame, pointierte Ausdrucksform gegen all das zu verstehen, wofür der Antragsteller (Strache) politisch steht und als Aufruf zum Widerstand dagegen.“

Streckenweise liest sich das Urteil wie ein Aufruf zum Widerstand gegen die FPÖ. Über die Entscheidung wurde in sämtlichen Tageszeitungen in Österreich berichtet und ging in sämtlichen Sprachen um die ganze Welt. Das Urteil ist eine Niederlage für die FPÖ-Methode, Kritiker und Journalist_innen wie Armin Wolf mittels teurer Verfahren mundtot zu machen – es ist ein Sieg für die Presse- und Meinungsfreiheit und ein schwerer Schlag für den Vizekanzler.