Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki

Boxen stellt sich in diesem untypischen Boxer-Film als unangenehme Schwerarbeit dar. Der Titelheld nimmt diese Arbeit auf sich wie einen knochenbrechenden Job. Glücklich und „bei sich“ fühlt sich Olli Mäki nur mit seiner geliebten Freundin Raija. Für Ruhm und Glamour scheint er gänzlich ungeeignet und obendrein ist er noch Kommunist.
6. Februar 2017 |

Der 17. August 1962 ist für den Boxer Olli (Jarkko Lahti) der glücklichste seines Lebens. An dem Tag steht der Finne dem amerikanischen Titelverteidiger Davey Moore gegenüber. Doch nicht der spektakuläre Boxkampf, immerhin der erste Weltmeisterschaftskampf in Finnland, macht den Tag so besonders, so glücklich für Olli. Nein, an diesem Tag besorgte er den Verlobungsring für Raija (Oona Airola).

Regisseur Juho Kuosmanen spielt mit den Klischees des Box-Films. Ein Beispiel ist die Szene, in der Olli in das kalte Wasser eines Sees taucht und sein trainierter Körper zu sehen ist. Dieses Bild wird sofort mit einer Szene konterkariert, in der der wenig heroische Sportler über der Toilette hängt und sich, wie ein Magersüchtiger, den Finger in den Mund steckt um zu kotzen. Das Erbrechen ist Teil des ständigen Ringens der Boxer mit ihrem Gewicht. Nur 57 Kilo darf Olli wiegen, um in der niedrigen Gewichtsklasse boxen zu dürfen, in die ihn sein Trainer (Eero Milonoff) gesteckt hat.

Historisch und humorvoll

Egal ob Pressetermin oder Lauftraining, Olli scheint sich immer zu bemühen, seine „Rolle“ zu spielen, wirkt dabei aber immer etwas verwundert, dass er überhaupt in so einer Situation ist. Ohne naiv zu wirken, ist er einfach ehrlich. Die Hilflosigkeit dahinter ist aber immer leicht spürbar und wirkt unwiderstehlich sympathisch. Optisch wird sie auch dadurch gezeigt, dass die eher kleinen und schmalen Federgewichts-Boxer oft neben großgewachsenen Frauen platziert werden, was sich als Running-Gag durch den Film zieht.

„Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki“ wirkt durch seine auf Celluloid gedrehten Schwarz-weiß-Bilder historisch und ist es in gewisser Hinsicht auch. Olli Mäki und seine große Liebe Raija existieren wirklich, der Kampf hat 1962 tatsächlich in Finnland stattgefunden. Die beiden waren bei der Arbeit am Drehbuch eingebunden und haben einen unglaublich berührenden Auftritt am Schluss des Films, wo sie als altes, glückliches Paar zu sehen sind.

Die (wenigen) Kampfszenen gemahnen an klassische Boxer-Dramen der 1940er-Jahre, nicht nur durch die Kameraführung sondern eben durch das Arbeiten mit „echtem“ Film, in diesem Fall das rare Tri-X-Schwarz-Weiß-Material von Kodak. Als Kuosmanen dieses aufgebraucht hatte, stellte Kodak tatsächlich extra noch etwas für dieses Projekt her.

Die Angst vor der Erwartung

Für Kuosamen gibt es Parallelen zwischen der Geschichte des unprätentiösen Boxers Olli und seiner eigenen Geschichte. Kuosamens Film „The Painting Sellers“ hatte 2010 in Cannes bei einem Nebenbewerb einen Preis gewonnen, der beinhaltete, dass sein nächster Film automatisch im Hauptbewerb von Cannes laufen würde. Eine unglaubliche Chance, die man nur allzu leicht versieben kann… und ein Druck, der für den Regisseur schwierig zu bewältigen war.

Plakat: ollimaeki-film.de

Und genau da sieht Kuosamen selbst seine innige Verbundenheit mit seiner Hauptfigur. Er habe Angst bekommen bei dem Gedanken, dass es „da draußen Leute gab, die ich kaum kannte und die nun Dinge von mir erwarteten, von denen ich nicht einmal wusste, ob ich sie überhaupt schaffen konnte!“ Im Gegensatz zu Olli, der seine Karriere weniger ernst nimmt, hat Kuosamen seine Aufgabe gemeistert. „Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki“ gewann 2016 den Hauptreis in der Sektion „Un Certain Regard“ in Cannes.

Der Film vermeidet geschickt Stereotype des Sportfilms. Olli muss nicht „seinen Weg im Leben finden“, er muss sich nicht zwischen einer Frau und Karriere entscheiden. Olli ist ein erwachsener Held, der genau weiß, was er will. Das Boxen ist wichtig, ist der Job. Doch sein „Privatleben“ mit der gutgelaunten Erzieherin Raija ist wichtiger. Auf besonderes Unverständnis stößt dieser Zugang bei Ollies Manager Elis, einem ehemaligen Boxer, der seinen Schützling zu Ruhm und Ehre führen will. Im ruhigen, fast verschlafenen Finnland will der ehrgeizige Mann ein internationales Sport-Großereignis inszenieren.

Boxen als Lohnarbeit

Man könnte die harte Konkurrenzsituation, das körperlich erschöpfende Training, als Symbol für die Lohnarbeit überhaupt interpretieren, während die Zeit mit der geliebten Raija, die Zeit ist, in der Olli wirklich lebt. Der Film verzichtet bewusst auf Machismo oder Jubel-Patriotismus. Olli spielt mit und verweigert sich gleichzeitig. Sein Trainer könnte mit ihm verzweifeln. Ein Boxer, der ihm mit offenem Gesicht gesteht, dass er sich verliebt hat. Die kommunistische Überzeugung seines Schützlings (die im Film leider keine große Rolle spielt) hilft natürlich auch nicht gerade.

Der echte Olli Mäki weigerte sich, seine Gegner K.O. zu schlagen, wenn diese schon in den Seilen hingen. Er brachte so etwas wie Solidarität in ein Feld, in dem normalerweise beinharter Konkurrenzkampf herrscht. „Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki“ macht den Widerspruch auf zwischen unseren „öffentlichen“ Rollen und unseren ganz persönlichen Träumen und Sehnsüchten und erzählt dabei eine wunderschöne Geschichte über die Liebe und das Leben.

Filmstarts: ab 10. Februar im Top Kino Wien, Volkskino Klagenfurt und im Filmstudio Villach.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.