Der Klimawandel verändert unsere Großwetterlagen
Jetstream
Blockierende Wetterlagen häufen sich im Rahmen der klimabedingten Änderungen des sogenannten Jetstreams. Das ist ein dynamisches, über weite Strecken stabiles Starkwindband in 7 bis 12 Kilometern Höhe auf der Nordhalbkugel, das sich infolge des Temperaturunterschieds zwischen Äquator und Nordpol herausbildet. Durch die Erdrotation bläst der Jetstream mit mehreren hundert Stundenkilometern von West nach Ost und bildet abgelenkt durch die Höhenstruktur der Erdoberfläche (etwa durch das Himalaya-Gebirge oder die Rocky Mountains) nach Norden und Süden schleifenförmige Faltenmuster (die sogenannten Rossby-Wellen).
Der Antrieb des Jetstreams hat sich seit Ende der 1970er-Jahre nachweislich abgeschwächt. Die Erde erwärmt sich infolge der Treibhausgasemissionen nicht gleichmäßig, sondern an den Polen stärker (man spricht von Polarer Verstärkung). Dadurch wird der Temperaturunterschied zwischen Tropen- und Polargebieten geringer und die Wanderung der Wellen des Jetstreams nach Osten verlangsamt sich. Das erhöht in der Folge die Wahrscheinlichkeit, dass Großwetterlagen über mehrere Tage bis Wochen einrasten. Extremwetter wie Hitze- und Kältewellen, Dürren und Überflutungen häufen sich. Die Hitzewelle im Sommer 2018 ist auf dieses Phänomen zurückzuführen, als sich ein Hochdruckgebiet, flankiert von zwei Tiefdruckgebieten in West und Ost, über Europa festgesetzt und für die extreme Temperaturen und Trockenheit gesorgt hat. Die Meteorologie spricht in diesem Zusammenhang von einer „Omega“-Wetterlage (weil die Luftfront das Hochdruckgebiet in der Form eines Omegas umfließt).
Eine Wetterlage kann durch einen sich verlangsamenden Jetstream „blockiert“ werden. Das Hochdruckgebiet „Dorit“ kam im Sommer 2019 nicht vom Fleck. Foto: Wetter Tagesschau
Diese Erscheinung wird in der Wissenschaft zunehmend über sogenannte Resonanzphänomene des Jetstreams oder allgemeiner des Wellencharakters der Atmosphäre erklärt, ähnlich einer wild schwingenden Brücke, die durch eine äußere periodische Anregung in Schwingung versetzt wird (umgangssprachlich „Resonanzkatastrophe“). Wenn bestimmte planetarische Windströmungen durch einen Doppel-Jetstream über einen längeren Zeitraum gefangen und infolge durch thermische und durch die Höhenstruktur der Erdoberfläche angetriebene Wellen weiter verstärkt werden, können perfekte Resonanzen, also immense Schwingungsverstärkungen, eintreten und somit Wetterlagen einrasten. Der Jetstream könnte damit in einen qualitativ völlig neuen Zustand kippen.
El Niño-Southern Oscillation (ENSO)
Im Pazifik droht aufgrund der globalen Erwärmung ein weiteres Klimaphänomen, die sogenannte El Niño-Southern Oscillation (ENSO), verrückt zu spielen. Diese pazifische Schaukelbewegung beschreibt dabei das ganzheitliche, äußerst komplexe System aus ozeanischen (La Niña und El Niño) und atmosphärischen Schwankungen (Südliche Oszillation). Die außerordentlich kühle Phase heißt La Niña aus dem Spanischen „das Mädchen“. Das andere Extrem, die warme Phase, bekam den bekannten Namen El Niño („das Christkind“), und zwar von südamerikanischen Fischern aufgrund der steigenden Meerestemperaturen vor der Küste Perus rund um die Weihnachtszeit. Denn El Niño-Ereignisse haben (neben anderen verheerenden Folgen, auf die wir gleich noch eingehen werden) schlimme Auswirkungen für die Fischerei: das warme Oberflächenwasser verhindert, dass nährstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche gelangt, vermindert damit das Wachstum von Plankton und verändert das gesamte Ökosystem der Region.
Im Regelbetrieb werden im Zeitraum von Dezember bis Februar über dem tropischen Warmwasserpool (westlicher Pazifik und östlicher indischer Ozean, grob gelegen über Indonesien) aufgrund der hohen Meerestemperaturen (starkes Hochdruckgebiet) gewaltige Wassermassen in Tausende von Kilometern befördert und damit riesige Wolkentürme und niederschlagsreiches Wetter produziert. Die Luftmassen bewegen sich in der Folge in großer Höhe nach Westen (Indien) und Osten (Südamerika), werden kälter und schwerer, sinken ab und sorgen für relativ trockenes Wetter. In Bodennähe treiben diese Tiefdruckgebiete die Luftmassen wieder Richtung Ursprung, dem Warmwasserpool. Die tropischen Passatwinde treiben die Ozeanbewegung in gleicher Richtung an, kaltes Tiefenwasser gelangt an die Oberfläche und strömt dann Richtung Südostasien. Der Kreislauf, der in der Wissenschaft als Walker-Zirkulation bezeichnet wird, ist geschlossen.
Nun kann dieser Kreislauf durch ein El Niño-Ereignis gestört werden. Zunächst kommen die tropischen Passatwinde, die eigentlich westwärts wehen, ins Stottern, und verschieben damit den Warmwasserpool ostwärts in den Zentralpazifik. Diese Veränderung lässt die Meeresoberflächentemperatur vor der Küste Südamerikas ansteigen und produziert ausgerechnet dort eine aufsteigende Luftsäule, wo sie eigentlich fallen sollte – der gesamte Kreislauf wird umgekehrt. Der Retourgang hat katastrophale Folgen für die Monsundynamik in Westindien und Südafrika (sogar in Nordchina und Nordostbrasilien), wo der Regen plötzlich ausbleibt und es zu Dürren kommen kann. Starke El Niño-Ereignisse sorgten in der Vergangenheit für extreme Trockenheit in Australien und auf westlichen Pazifikinseln, während die nördlichen Küsten Südamerikas aufgrund der gestiegenen Niederschläge mit Überschwemmungen zu kämpfen hatten.
Die Walker-Zirkulation wird bei einem El Niño-Ereignis umgekehrt. Die Klimakrise sorgt dafür, dass extreme El Niños zunehmen. Foto: CC0
Neuere Studien zeigen, dass sich extreme El Niño-Ereignisse seit den 1970er-Jahren häufen und legen damit nahe, dass diese auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Die Vermutung ist, dass sich durch die schnellere Erwärmung des westlichen Pazifiks in Äquatornähe infolge der globalen Erhitzung gewisse Temperaturgefälle (Gradienten) im Meer und der darüberliegenden Luftschichten seit 1980 erhöht haben, die dann zum Auslöser von schweren El Niño-Episoden werden. Die Forschung prognostiziert, dass die Frequenz extremer El Niños linear mit der Temperaturerhöhung zunimmt. Selbst wenn die globale Erwärmung auf 1,5 °C begrenzt wird, könnte sich die Zahl schwerer El Niño-Ereignisse verdoppeln.
Monsun
Der Monsun ist ein zentrales Wetterphänomen, das aufgrund der globalen Erwärmung verändert wird. Diese großräumigen Luftzirkulationen sorgen für die überlebenswichtigen Regenfälle auf einem Großteil der Erde. Alleine der südasiatische Sommermonsun sorgt in den typischen Monaten Juni bis September in der Indus-Ganges-Region – also in den stark von der Landwirtschaft abhängigen Ländern Indien, Pakistan und Bangladesch – für 81 Prozent der Regenfälle.
Der Monsun wird im Wesentlichen aufgrund des Luftdruckunterschieds zwischen Ozean und Kontinent angetrieben. Im Frühling erwärmt sich das Land schneller als das Meer, über dem Kontinent steigt die Luft nach oben und saugt wassertragende Luftmassen über dem Ozean an. Zunächst kühlt sich das Land durch den einsetzenden Regen ab. Die Luftsäule über dem Land erwärmt sich allerdings weiter, weil bei der Wolkenbildung Energie frei wird (sogenannte Kondensationswärme). In der Folge werden noch mehr feuchte Luftmassen angesaugt – es kommt zu einer sich selbstverstärkenden Rückkopplung.
Ruckartige Umschwünge im Monsun wurden in der Vergangenheit durch Änderungen der äußeren Rahmenbedingungen ausgelöst. Studien zeigen, dass derartigen Wechsel eine Schwächung des Kippelements Atlantische Thermohaline Zirkulation (AMOC, oft verkürzt „Golfstrom“) vorausging. Veränderungen im Monsun waren außerdem fast immer vom Auftreten von El Niño-Ereignissen begleitet. Die Monsundynamik wird aber auch direkt vom Menschen verändert.
Die täglichen Schwankungen des Indischen Monsuns könnten im Falle von unverminderten Treibhausgasemissionen um bis zu 50 Prozent zunehmen. Das heißt, auf Sturzregenfälle könnte bittere Trockenheit folgen, obwohl das Mittel an Niederschlag gleich bleibt. Heftige Regenfälle führten zu den Flutkatastrophen 2010 in Pakistan oder 2015 in Südostindien. Aber auch die Freisetzung von Aerosolen dämpfen die Monsunstärke, ebenso wie Veränderungen bei der Landnutzung unmittelbar die Oberflächentemperatur beeinflussen. Die Zukunft des westafrikanischen Monsuns ist dagegen noch weitgehend unklar: Verschiedene Szenarien prognostizieren ein Wiederergrünen der Sahara, andere wiederum eine Austrocknung der Sahelzone (dem Übergang zwischen Tropen und Sahara).