Deutschland probt Bürgerkrieg – österreichische Polizisten prügeln mit!

Schwarzvermummte Polizei-Schlägerbanden, die wehrlose Demonstrant_innen verprügeln; Wasserwerfer, die auf Sitzblockaden feuern; Beamte, die sich über geltendes Recht hinwegsetzen; Zivilpolizisten, die wild um sich schießen; Spezialeinheiten, die Viertel mit Sturmgewehren im Anschlag stürmen – in Hamburg probte der deutsche Staat den Bürgerkrieg. Mitten in diesem Wahnsinn ist auch eine Gruppe österreichischer „Krawalltouristen“ – bekannt als WEGA und Cobra.
13. Juli 2017 |

Die Entscheidung Deutschlands, den G20-Gipfel nach Hamburg zu verlegen, bot der deutschen Polizei vielleicht unverhofft die Gelegenheit, praktische Erfahrungen im Niederschlagen von sozialen Aufständen zu sammeln.

Der Soziologe und Protestforscher Simon Teune erklärt gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Seit Jahrzehnten hat man in Hamburg die Taktik, draufzuhauen. Jetzt wurde beim G20-Protest die Schraube noch einmal weitergedreht, bis zum Einmarsch von Bewaffneten in einen Straßenzug. Wir können von Glück sagen, dass es keinen Toten gab.“

Chronologie der Eskalation

Der deutsche Staat machte von Anfang an klar, dass er Proteste während des G20-Gipfels mit aller Gewalt unterdrücken wird. Schon Wochen vor dem Gipfel wurde eine riesige Demoverbotszone verhängt, ein eigenes Gefängnis errichtet und die gesamte Stadt in Belagerungszustand versetzt.

Schon vor Beginn der Proteste stürmten in der Nacht auf Montag, 3. Juli hunderte Polizisten ein G20-Protestcamp auf der Elbhalbinsel Entenwerder, Pfefferspray wurde gegen wehrlose Demonstrant_innen eingesetzt. Das Camp wurde zuvor vom Verwaltungsgericht ausdrücklich genehmigt.

Bezeichnend für die Eskalationsstrategie des Gesamteinsatzleiters Hartmut Dudde (siehe Begleitartikel unten) war der offensichtlich lange geplante Angriff auf die „Welcome to hell“-Demonstration am darauffolgenden Donnerstag. Bereits nach wenigen hundert Metern stoppte die Polizei den Protestzug mit vier Wasserwerfern und Räumpanzer. Journalist_innen vor Ort berichteten einhellig, dass von den Protestierenden zunächst keine Gewalt ausging.

Österreicher an vorderster Front

Am nächsten Tag ging die Polizei erneut mit besonderer Härte gegen Demonstrant_innen, die die Zufahrtswege zum Gipfel blockierten, vor. Auf Videos ist ersichtlich wie wiederholt gezielt auf Köpfe geschlagen wird.

Österreichische Einheiten der Spezialeinheit WEGA prügelten fleißig mit, wie Videos auf Twitter und Youtube dokumentieren (siehe Video oben). Global Project hat ebenfalls berichtet, wie WEGA-Einheiten eine angemeldete Demo mit Pfefferspray und Schlägen attackierten.

Eine Person erlitt dabei durch den Pfefferspray-Einsatz einen epileptischen Anfall und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Schon am Tag zuvor musste ein Demonstrant – ihm wurde zuerst Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und dann auf den Hals geschlagen – aufgrund eines Asthmaanfall ins Spital eingeliefert werden.

Maschinenpistolen im Anschlag

Den Höhepunkt erreichte die Eskalation Freitagnacht im Hamburger „Schanzenviertel“. Ein Polizist in Zivil gab einen Schuss ab, angeblich um einen anderen Mann, den er für einen verdeckten Ermittler hielt, zu schützen. Den überwiegend jugendlichen Demonstrant_innen gelang es, die Stellung im Viertel gegen Hundertschaften der Polizei und Wasserwerfer zu halten.

Daraufhin schickte Einsatzleiter Dudde die deutsche Spezialeinheit GSG9 und die österreichische Cobra mit Sturmgewehren und Maschinenpistolen im Anschlag ins Schanzenviertel (siehe im Video ab Minute 2:30). Es dürfte das erste Mal gewesen sein, dass diese Spezialeinheiten gegen Proteste eingesetzt wurden. Im Stile einer Besatzungsarmee wurden Häuser gestürmt.

Die Cobra war mit zwanzig Beamten im Einsatz. Laut Einsatzleiter Gerald Hayder nahmen sie auch mehrere Personen fest. 13 Personen wurden von der Cobra bei der Stürmung eines Hauses verhaftet. Die Polizei behauptete, die Personen hätten Molotowcocktails geworfen, aber auf keinem einzigen Video ist derartiges zu sehen. Die Behörden mussten die Leute wieder freilassen.

Samstagabend gab ein Zivilbeamter einen zweiten Warnschuss auf einen flüchtenden Menschen ab, wie der Spiegel berichtete.

Die „Solidarität“, die sie meinen

Es mag befremdlich erscheinen, dass österreichische Polizisten in Deutschland Demonstrant_innen verprügeln. Doch dank der EU wird es immer mehr zur Praxis, dass Polizeieinheiten außerhalb ihres Staates eingesetzt werden. Geregelt wird der Einsatz von fremden Polizeikräften gegen die eigene Bevölkerung durch das Schengener Durchführungsabkommen (SDÜ) von 1995. In diesem Abkommen wurde zum ersten Mal festgehalten, dass ein Land um polizeiliche Unterstützung bei einem anderen EU-Land bitten kann.

Anfangs wurde diese Möglichkeit vor allem bei Fußballspielen eingesetzt. Untermauert wurde die Praxis dann mit dem Vertrag von Lissabon. In der sogenannten „Solidaritätsklausel“ steht explizit, dass sich die EU-Mitgliedstaaten im Falle von Aufständen oder Massenunruhen zur gegenseitigen polizeilichen und militärischen Hilfe verpflichten. Daneben gibt es weitere Polizei-Verträge zwischen Österreich und Deutschland (wie dem „Prümer Vertrag“ von 2005).

Aufstandsbekämpfung

Es ging nicht darum, dass die deutsche Polizei Unterstützung von der österreichischen gebraucht hätte, Deutschland hat genug eigene Einsatzkräfte. 215 österreichische Polizisten übten in Hamburg, wie man Aufstände niederschlägt.

Die Hamburger Kids, die die Schlacht gegen die Polizei gewannen

Die Hamburger Kids, die die Schlacht gegen die Polizei gewannen

Die herrschenden Klassen verfügen über ein hohes Maß an Klassenbewusstsein. Sie wissen, dass es jederzeit zu sozialen Unruhen kommen kann und sie sind bereit diese mit aller Gewalt niederzuschlagen. Anstatt die paar österreichischen Polizisten, die sich während des Einsatzes verletzt haben (vielleicht haben sie sich wie ihre hessischen Kollegen selbst durch eigenes Reizgas verletzt) zu bemitleiden, sollten wir Sturm dagegen laufen, wie die herrschende Klasse international die Niederschlagung von Opposition trainiert und Grundrecht mit Füßen tritt.

 

Der Mann fürs Grobe: Hartmut Dudde

In Hamburg ist rücksichtslose Brutalität gegen linke Demonstrationen nichts Neues. Die „Hamburger Linie“ ist in ganz Deutschland als Polizeitaktik bekannt: hartes Vorgehen gegen alles was nach links und nach sozialen Kampf riecht. Das „Mastermind“ hinter dieser Linie ist Polizeichef Hartmut Dudde, der in der Hamburger Bevölkerung völlig zu Recht verhasst ist:

  • Seine Karriere verdankte er dem Richter Ronald Schill, Mitglied der rechtskonservativen „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“. Schill wurde 2001 Innensenator. In dieser Position ernannte er Dudde zum Leiter der Bereitschaftspolizei.
  • Von nun an machte Dudde von sich reden. 2007 löste er eine Großdemonstration gegen Polizeirepression auf, weil die Seitentransparente angeblich zu lang (länger als 1,50 Meter) waren.
  • 2015 wies er seine Einheiten an, einem Lautsprecherwagen der NPD den Weg durch eine angemeldete antifaschistische Gegenkundgebung zu bahnen. Nach diesem Einsatz traten der damalige Chef der Bereitschaftspolizei und sein Stellvertreter zurück und kritisierten Dudde.
  • Mindestens drei Einsätze von Dudde wurden rückwirkend von Gerichten als rechtswidrig.

Dudde war der ideale Mann „fürs Grobe“, und so verwundert es nicht, dass gerade er mit der Gesamteinsatzleitung gegen die G20-Proteste betraut wurde.

 

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.