„Fall Hübner“: Über den gerne ignorierten Antisemitismus der FPÖ
Der FPÖ-Abgeordnete Johannes Hübner wird bei der kommenden Nationalratswahl auf eine Kandidatur verzichten. Das war nicht unbedingt absehbar. Österreichische Medien und die hohe Politik drücken bei FPÖ-Politikern gerne beide Augen zu. Erst wenn antisemitische Ausfälle, wie der von Johannes Hübner, die FPÖ in Bedrängnis bringen, dann hat das Konsequenzen.
Der Fall Hans Kelsen
Der Jurist Hübner war im Juni 2016 Gastredner bei der rechtsextremen „Gesellschaft für freie Publizistik“ und referierte dort über die „Massenzuwanderung nach Österreich – Hintergründe des Politikwechsels der rot-schwarzen Bundesregierung“. Bei einer Erwähnung des Architekten der österreichischen Verfassung Hans Kelsen ließ er den Kalauer einfließen: „eigentlich Hans Kohn – aber er hat sich Kelsen genannt…“
Im Mitschnitt hört man den Erfolg der Anspielung: das Publikum lacht prompt drauf los. Das Lachen verstehen Außenstehende gar nicht, weil sie die antisemitischen Codes der Nachkriegszeit nicht kennen. Jemanden, wie Hans Kelsen (übrigens unrichtigerweise) einen jüdischen Namen unterzujubeln, gilt als kecker antisemitischer Kunstgriff, in diesem Fall wohl gegen den liberalen jüdischen Juristen Kelsen als auch gegen sein Werk, der österreichischen Bundesverfassung von 1920.
Deutschnationale
Hans Kelsen schrieb 1965 an Justizminister Broda, dass er wegen der antisemitischen Demonstrationen gegen seine Person, initiiert durch die Nazi-Ikone Taras Borodajkewicz, der gegen ihn hetzte und unterstellte, er hieße Kohn, seine Einladung nach Österreich ausschlagen müsse. Kelsen, aus einer deutschsprachigen jüdischen Familie in Prag stammend, war schon in der Zwischenkriegszeit ein Hassobjekt der Deutschnationalen. Wir dürfen annehmen, dass hier der Ursprung für Hübners schlechten Scherz liegt.
Seit einige Massenmedien den Skandal aufgriffen, und SPÖ sowie ÖVP die Koalitionsfähigkeit der Blauen infrage gestellt haben, stieg der Druck auf Hübner. Obwohl sich die FPÖ-Spitze anfangs demonstrativ hinter ihn gestellt hat, musste er jetzt die Notbremse ziehen und so hat er angekündigt, im Herbst nicht mehr für das Parlament zu kandidieren. Im Übrigen sei er das bedauernswerte Opfer einer beinharten „Totschlagkampagne“ (und nicht seiner eigenen politischen Blödheit).
Permanenter offener Antisemitismus
Johannes Hübner hatte bisher keine Probleme im Parlament, obwohl er sich stolz als Träger der blauen Kornblume präsentiert. Das erste Foto auf seiner Parlamentsbiographie zeigt ihn noch am heutigen Tage (31. Juli 2017, siehe Bild oben) mit Kornblume. Und die Kornblume steht für Antisemitismus. Schließlich ist sie das Symbol einer politischen Bewegung, die zahlreiche Kader des Holocausts und des Naziterrors gestellt hat – die des antisemitischen Deutschnationalismus in Österreich.
Der junge Adolf Hitler und sein Vater waren im nicht-antisemitischen Flügel der Deutschnationalen – den gab es auch – aber im Verlauf des Ersten Weltkriegs wurde Hitler zum fanatischen Antisemiten. Wir wissen, wie die Geschichte weiter ging.
Hübner kein Betriebsunfall
Die Schoah oder die Vernichtung der europäischen Juden gilt zurecht als ein einzigartig grauenhaftes Verbrechen in der Menschheitsgeschichte. Deshalb ist Antisemitismus inzwischen ein Tabu in der Politik – zumindest, wenn er so vorgebracht wird, dass ihn auch die offiziellen Vertreter Österreichs mit seiner „antifaschistischen Verfassung“ nicht mehr schönreden können.
Die Kornblume führte, wie gesagt, im Parlament zu keinem Eklat, und diese haben sich immerhin sämtliche FPÖ-Abgeordneten bei der Angelobung im Jahr 2013 ans Revers geheftet. Das war unmöglich ein Versehen, man war sich der Bedeutung und des Affronts durchaus bewusst. 1950 wurde der Verband der Unabhängigen in der Steiermark (die Vorgängerpartei der FPÖ) von den Behörden zwangsaufgelöst, weil unter anderem auf einer Sonnwendfeuer des Verbands nationale Kampflieder gesungen und Kornblumen verteilt wurden, die (so der Bescheid der Sicherheitsdirektion) „herkömmlicherweise als nationales Symbol zu betrachten sind“.
Am rechten Auge blind
Zu Haiders Zeiten wurde sie noch heimlich verwendet, nämlich, wenn die FPÖ-ler nach der Angelobung feiern gingen. Aber seither hat sich in der österreichischen Politik einiges verändert. Vor allem wurde die FPÖ größer und der Widerstand ihr gegenüber wurde geringer, der Drang wegzuschauen wurde stärker. Und natürlich hängt beides zusammen, der geringe Widerstand macht es der FPÖ ja erst so leicht, er ebnet ihr als „einzige Oppositionspartei“ förmlich den Weg an die Macht.
Die Kornblume ist bloß ein Symbol, das stimmt, aber wenn eine deutschnationale Partei, wie die FPÖ, sie nach dem Horror des Holocausts bei der Angelobung als Abzeichen trägt, dann spricht das Bände. Für Eingeweihte fühlte sich das geradeso an, als wären die Abgeordneten im Stechschritt mit der Hakenkreuz-Armbinde ins Parlament einmarschiert.
Neue FPÖ – same old shit
Angesichts der üblichen österreichischen Toleranz gegenüber Faschismus ist Hübners erzwungener Rückzug ein echter Fortschritt.
Wir erinnern uns mit Abscheu daran, wie in den vergangenen Monaten zwei Würdenträger wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen und sein Vorgänger Heinz Fischer den Freiheitlichen ihren Segen erteilt haben. Van der Bellen wollte im Zeit-Interview die FPÖ nicht einmal mehr dem rechten Lager zuordnen. Fischer meinte allen Ernstes, sie hätte sich unter Strache gebessert. Dabei hatte Fischer Strache noch einen Verdienstorden der Republik verweigert, den er jetzt von Van der Bellen „endlich“ verliehen bekommen hat.
Ganz klar steckt hinter der systematischen Verharmlosung das Kalkül, die FPÖ für eine Koalition mit Schwarz oder Rot weichzuspülen, wie das ja auch vom SPÖ-Vorsitzenden Kern und vom Neue ÖVP-Vorsitzenden Kurz betrieben wird. Da tut es wohl, wenn der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, klare Worte findet: „Ich finde es unerhört, welchen Zugang die Spitze der FPÖ zu der ganzen Angelegenheit gewählt hat. Man hat sich hier voll hinter Hübner gestellt. Die FPÖ zeigt, dass sich nichts geändert hat, bei allen Beteuerungen, man sei eine andere FPÖ.“