Fazit vom Aufmarsch der „Identitären“: Die Nazis sind noch schwach

Ein jämmerlicher Haufen Nazis ist am Samstag, 7. März dem Ruf des „Identitären“-Chefs Martin Sellner gefolgt und konnte nur dank Polizeischutz ihre blödsinnige Kundgebung vor der griechischen Botschaft in Wien abhalten. Die weitaus größere Bedrohung geht derzeit von Leuten wie Bundeskanzler Kurz aus.
7. März 2020 |

Nach einer halben Stunde war der peinliche Auftritt der „Identitären“ vor der griechischen Botschaft auch schon wieder vorbei. Die Neonazis (für uns sind alle „Identitären“ einfach nur Neonazis), gezählte 75 waren es, zogen dann weiter Richtung Dr.-Karl-Lueger Platz zum Lueger-Denkmal, wo dem Vordenker des politischen Antisemitismus von spätgeborenen Anhängern zum 110. Todestag gehuldigt wurde. Bei Lueger kam nur mehr eine Handvoll „Identitärer“ an. Die Krise an der türkisch-griechischen Grenze hat ihnen also keinen Aufschwung beschert.

„Identitäre“ verschiedener Nationalitäten haben in den letzten Tagen versucht von der Krise an der EU-Außengrenze zu profitieren. In Paris zogen sie vor die türkische Botschaft, wo einige von ihnen verhaftet wurden. Der Chef des österreichischen Ablegers, Martin Sellner, inszenierte vergangene Woche eine Grand Tour nach Griechenland – aber er wurde unmittelbar wieder von den griechischen Behörden ausgewiesen. Der Mann lebt in seiner eigenen kleinen Blase und sollte nicht weiter aufgebauscht werden.

Mehrheit gegen Nazis

„Ohne Polizisten, wärt ihr Nazis nix, ohne Polizisten …“, skandierte in Wien die antifaschistische Gegendemonstration ziemlich treffend. Denn sie sind so verhasst, dass alle Passant_innen, die sich nach dem Grund für den Aufruhr erkundigt haben, ihr Unverständnis und ihre Abscheu ausgedrückt haben. Ohne Polizeischutz wäre es ein Leichtes, Nazis von der Straße zu verbannen.

Stattdessen bestätigen Vorfälle von heute eine gewisse Parteilichkeit der Polizei für die faschistische Seite. Die Sozialistische Jugend Wien berichtet, dass ihr Infotisch am Karlsplatz von „Identitären“ unter Einsatz von Pfefferspray angegriffen wurde, und dass die Polizei sich dabei auffällig zurückgehalten hätte. Die antifaschistische Gegendemonstration am Lueger-Platz wurde abgedrängt und eingekesselt.

Staat ist gefährlicher

Gefährlicher als die kleinen Scharmützel mit Polizei und Nazis ist allerdings die grundsätzliche Haltung des österreichischen Staates gemeinsam mit der offiziellen Haltung der EU. Ursula von der Leyen, die EU-Kommissionspräsidentin hat der griechischen Regierung offizielle Rückendeckung gegeben, als diese mit scharfer Munition auf Flüchtlinge schoss. Und wie es scheint, hat sich die EU entschieden, die europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention zu Grabe zu tragen.

Ob in Kroatien, Ungarn, Spanien oder Griechenland, das Recht von Flüchtlingen ihre Fluchtgründe wenigstens prüfen lassen zu können, gilt nicht mehr. Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat Spanien soeben die Rechtmäßigkeit von Deportationen ohne Anhörung und Überprüfung der Fluchtgründe bestätigt.

Kräfteverhältnisse

Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer tun ihr Möglichstes um die Hilfesuchenden zu einer Bedrohung zu stilisieren. Kurz: „Wenn diese Menschen, die teilweise auch gewaltbereit sind, am Ende nach Mitteleuropa durchkommen, wird es nicht bei den 13.000 bleiben. Dann werden es bald Hunderttausende und später vielleicht Millionen sein.“

Die antirassistische Bewegung muss sich als Gegengewicht zu diesem Rechtsruck von oben verstehen und ihre Forderungen nach offenen Grenzen und einen solidarischen Umgang mit Flüchtlingen laut zur Geltung bringen, weil diese Haltung leider im Parlament keine Stimme findet.