Flüchtlinge stürmen Festung Europa
Spätestens im Sommer 2014 sind die EU-Politiker_innen davon informiert, dass sich hunderttausende Flüchtlinge auf den Weg nach Europa machen. Bis zum Frühling 2015 gibt es keinerlei Vorbereitungen auf die kommenden Herausforderungen. Im Februar fordert Innenministerin Johanna Mikl-Leitner noch lautstark „Scheinasylanten zurückschicken“.
Im April löst der Tod von über 700 Flüchtlingen im Mittelmeer Entsetzen aus. Mikl-Leitner bleibt mit der Forderung, „Auffanglager in Nordafrika“ zu errichten, in der medialen Offensive. Ihr Vorschlag und der ihrer EU-Amtskolleg_innen, EU-Militäreinsätze in libyschen Häfen und sogar am Festland durchzuführen, sorgt für heftiges Kopfschütteln.
Im Mai lässt das Innenministerium die Lage eskalieren. Neu ankommende Flüchtlinge werden nicht mehr oder nur noch notdürftig betreut. Das Ministerium ruft den Notstand aus und lässt Zeltlager errichten. Vor allem in Traiskirchen geht die Situation den Bach hinunter. Die Bevölkerung reagiert darauf mit immer mehr Solidaritätsaktionen.
Rebellion der Flüchtlinge und Solidarischen
Im August stranden tausende Flüchtlinge in Ungarn. Hilfeleistungen, auch strafbare Angebote, den Hilfesuchenden bei der Weiterfahrt behilflich zu sein, wurden zu einem Massenphänomen. Die Regierung zerstreitet sich über Annahme oder Ablehnung der zahlreichen Angebote von Unterkünften für die Bedürftigen. Die Flüchtlingskrise spaltet auch die europäischen Regierungen.
Nach der Tragödie auf der A4, als am 27. August in einem Kühllaster 71 Flüchtlinge zu Tode kamen, gilt die offizielle Regierungspolitik endgültig als gescheitert. Die Regierung rudert zurück und machte Druck auf die Gemeinden, mehr und schneller Unterkünfte bereit zu stellen. Proteste in Traiskirchen und Wien erhöhen den Druck.
Demos und Eigeninitiative
Die „Plattform für eine menschliche Asylpolitik“, bestehend aus zahlreichen Organisationen und Parteien, ruft für 3. Oktober eine Großdemonstration aus. „Voices for Refugees“ organisiert im Anschluss an die Großdemonstration ein Solidaritätskonzert am Heldenplatz. 70.000 Menschen schließen sich der Demo an, 150.000 finden sich am Konzert ein.
Seit August gründen Aktivist_innen in Eigeninitiative Hilfsorganisationen, wie „Train of Hope“ an den Bahnhöfen oder „The Welcoming Organisation“ an Grenzübergängen.
In tausenden Gemeinden engagieren sich Menschen für die Neuankömmlinge. Die österreichische Regierung kommt mit der deutschen überein, den Großteil der geschätzten einer Million Flüchtlinge, ohne Registrierung von Fingerabdrücken durch das Land bis an die deutsche Grenze zu schleusen. Kanzler Faymann geht mit der Forderung „Zurück zur Normalität“ an die Öffentlichkeit. Die Regierung beginnt im Dezember, einen Zaun an der slowenisch-österreichischen Grenze zu errichten. Dieser ist zwar löchrig, dennoch beginnt mit dem Bau eine Gegenoffensive. Zu Jahresende werden Flüchtlinge kontrolliert und wegen ungenügender Dokumente nach Slowenien zurückgeschickt.
Die Regierung kündigte „Asyl auf Zeit“ an, eine Maßnahme, die für drei Jahre keine Familienzusammenführung mehr zulässt und die Flüchtlinge damit bedroht, nach drei Jahren wieder deportiert zu werden. Jobsuche und ein „sich Einleben“ würde damit beinahe unmöglich.