FPÖ-Affäre im Verfassungsschutz weitet sich aus
Die Fakten wogen für uns schon im März so schwer, dass wir die Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) als „generalstabsmäßigen FPÖ-Putsch im Innenministerium“ bezeichnet haben (siehe Linkswende jetzt Nr. 7): Vorgeschobene Vorwände, völlig unübliche Vorgehensweisen (eine FPÖ-geführte Einsatztruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität zog die Razzia durch) und Vorabtreffen zwischen Innenminister Herbert Kickl, seinem Generalsekretär Peter Goldgruber (der sich zuvor Material gegen den vormaligen BVT-Chef Peter Gridling besorgte) und dem Chef des Rollkommandos.
Inzwischen hat sich unsere Einschätzung bestätigt. Kickls Kabinettsmitarbeiter Udo Lett, bislang Beamter im Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), wurde unmittelbar nach Bekanntwerden der Razzia als Nachfolger für Gridling gehandelt. Brisant: es war ausgerechnet Lett, der die zwei Hauptzeugen zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als „Vertrauensperson“ (oder Aufpasser?) begleitet hat. Er war selbst bei Aussagen anwesend – Aussagen, die zur Razzia am 28. Februar geführt haben.
Gefälligkeiten
Eine der Zeuginnen, der Lett Geleit gegeben hat, ist ausgerechnet Ria-Ursula Peterlik, die Frau des kolportierten künftigen Generalsekretärs des FPÖ-Außenministeriums. Gegenüber der Staatsanwältin erklärte Peterlik: „Herr Dr. Lett hat mir einfach gesagt, dass ich heute hierherkommen [zur Vernehmung] soll. Ich weiß allerdings noch nicht genau, warum.“ Der Innenminister dementiert wenig glaubwürdig, die Begleitung durch Lett sei „auf ausdrücklichen Wunsch der Zeugen“ erfolgt.
Peterlik dürfte auch den tatsächlichen Vorwand für die Razzia geliefert haben (Gefahr für Leib und Leben): „Mir ist zugetragen worden, dass im BVT von mehreren Personen Drohungen gegen die Zeugen ausgesprochen werden.“ Es wäre mit dem Brechen von Fingern gedroht worden. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei der Aussage um eine Gegengefälligkeit handeln könnte. Während des Präsidentschaftswahlkampfes nannte Norbert Hofer den Mann der Zeugin, Johannes Peterlik, als seinen künftigen Kabinettsdirektor.
Weitere Zeugen
Lett selbst ist tief in Widersprüche verstrickt. Einerseits behauptete er, er hätte keine „eigene Wahrnehmung“ bezüglich der Sachverhalte bei den Aussagen gehabt (zu Deutsch, er hätte nicht gewusst, um was es geht). Er hätte seine Instruktionen von Generalsekretär Goldgruber bekommen. Andererseits mischte er sich laut Vernehmungsprotokoll aber aktiv in die Befragung ein, worauf die Zeugin auch antwortete. Lett nannte sogar zwei weitere Personen, die „möglicherweise bereit wären, Angaben zu machen“ (die auch befragt wurden). Damit aber nicht genug.
Lett hat seither weitere sogenannte „Zeugen“ vermittelt, wie der Standard recherchierte. Kabinettchef Reinhard Teufel (Straches ehemaliger Büroleiter, Burschenschaft „Brixia Innsbruck“) übermittelte der Staatsanwaltschaft die Telefonnummer von Christian Zeitz, der angeblich einen „Belastungszeugen“ gefunden haben soll. 2010 wurde Zeitz aus dem Österreichischen Akademikerbund ausgeschlossen, weil seine Wiener Teilorganisation das NS-Verbotsgesetz als „Schande“ bezeichnet hat.
Ernste Warnung
Zeitz vermittelte Reinhard Fellner an die Staatsanwaltschaft. Fellner ist dafür bekannt, dass er seit Jahren die rassistische Seite Soziales Österreich betreibt (und offenbar noch immer SPÖ-Mitglied ist). Dort wettert er in FPÖ-Ton gegen die „Islamisierung Österreichs“, fordert ein Verbot der „islamfaschistischen Ideologie“ und verbreitet Verschwörungstheorien. Demnach hätte die Türkei ab August 2015 Flüchtlinge nach Europa geschickt, um eine „Kulisse“ für IS-Kämpfer in Syrien zu bieten. Immer wieder bot sich Fellner laut Tageszeitung Die Presse als Informant für das BVT an, aber stets wurde er als „unseriös“ abgekanzelt. Fellner traf sich am 27. März mit Kickls Mitarbeiter Lett.
Hier baut eine Partei den Gewaltapparat des Staates nach seinem Gutdünken um, inszeniert Zeugenaussagen und Razzien im Verfassungsschutz, und die liberale Gesellschaft schaut (wie erwartet) zu. Wir erleben entlarvende Tage und Wochen – wenn sie nicht so brandgefährlich für die Demokratie wären.