FPÖ-Burschenschafterball: Warum wir noch viel mehr und viel radikalere Proteste brauchen

Wie jedes Jahr wurde auch dieses Jahr der rote Teppich für „Burschenschaften, die sich nie aus den Traditionen des Nationalsozialismus gelöst haben“ (Hans-Henning Scharsach) von Polizei und österreichischer Politik ausgerollt. Tausende Polizisten verwandelten die Innenstadt in eine Festung und die Bundesregierung verlor kein Wort darüber, dass sich Rechtsextreme mitten in der Hofburg vernetzen. Mehrere tausend Antifaschist:innen demonstrierten gegen den von der FPÖ ausgerichteten Burschenschafterball.
16. Februar 2024 |

„Ich bin heute auf die Demonstration gekommen, weil ich es wichtig finde, ein Zeichen zu setzen. Die medialen Recherchen über das Treffen von rechtsextremen Aktivisten mit der AFD in Potdsam zeigen, was auf solchen Veranstaltungen diskutiert wird. Die Menschen, die sich heute in der Hofburg treffen, sind keine Demokraten, darum bin ich heute auf der Straße“, erklärte die Geschichtsstudentin Pauline.

Ähnlich argumentierte der Gewerkschafter Tobias: „Dass dieser Ball Jahr für Jahr stattfinden darf, ist eine Schande. Noch schlimmer ist nur, dass die Teilnehmer richtig etwas zu feiern haben. Wenn in den kommenden Monaten nichts passiert, dann können die Ballgäste nächstes Jahr über eine FPÖ-Regierung jubeln. Darum ist es so wichtig, dass heute viele Leute kommen, wir dürfen nicht kritiklos zuschauen, wie sich Österreich immer weiter nach rechts bewegt“:

Burschenschaften „Tat-Elite des Faschismus“

Deutschnationale Burschenschaften waren zentral am Aufbau des Nationalsozialismus in Österreich beteiligt. Vom SS-Offizier Ernst Kaltenbrunner (Burschenschaft „Arminia Graz“) – er gehörte zu den 24 in den Nürnberger Prozessen angeklagten Hauptkriegsverbrecher – über den Arzt und SS-Untersturmführer Irmfried Eberl („Germania Innsbruck“), unter dessen Kommando im KZ Treblinka in fünf Wochen 280.000 Jüdinnen und Juden ermordet wurden. Bis zu Hermann Richter („Sängerschaft Scalden“), welcher in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen Folterexperimente durchführte. In den deutschnationalen Burschenschaften werden bis heute hunderte Führungsfiguren der nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie verehrt.

Nach 45 konnten sich die Burschenschaften dank der nie stattgefundenen Entnazifizierung wieder im politischen System etablieren. Zentral für die Wiederetablierung der Burschenschaften in Österreich war die FPÖ als Auffangbecken für Nazis. Hans Henning Scharsach erklärt: Burschenschaften „stellen bis heute den intellektuellen Kern und Oberbau der Partei dar und werden das auch weiterhin tun.“

Ursprünglich als VdU gegründet, übernahm der SS-Mann Anton Reinthaller 1956 die Partei und wandelte sie in die FPÖ um. Zeitgenossen beschrieben die Partei damals als „Reinthaller-Nazipartei“. Margit Reiter fasst in ihrem akademischen Artikel „Anton Reinthaller und die Anfänge der Freiheitlichen Partei Österreichs“ zusammen: „Diese (…) Zuschreibungen richteten sich nicht etwa gegen eine kleine rechtsextreme Gruppierung der Nachkriegszeit, sondern gegen eine der zentralen Parteien im österreichischen Parlament der Zweiten Republik, die bis heute die österreichische Innenpolitik maßgeblich prägt“.

Burschenschaften und rechtsextremer Terror

Doch die deutschnationalen Burschenschaften fungieren nicht nur als Kaderschmiede für die FPÖ, sondern sind zentral für rechtsextremen Terrorismus verantwortlich. Das erste politische Todesopfer der zweiten Republik war der Antifaschist Ernst Kirchweger. Ermordet wurde er von Günther Kümel. Laut dem Buch Völkische Verbindungen – Beiträge zum deutschnationalen Koperationswesen in Österreich war Kümel nicht nur Mitglied der FPÖ-Jugendorganisation RFS, sondern auch der Burschenschaft Olympia.

Auch der rechtsextreme Terrorist Norbert Burger– seine Organisation Befreiungsausschuss Südtirol war für Bombenanschläge, die 30 Menschen in Italien das Leben kosteten, verantwortlich – stammt laut dem Buch Strache im Braunen Sumpf aus der Burschenschaft Olympia. Während Burger in Italien unter Abwesenheit zu 28 Jahren Haft verurteilt wurden, sprachen ihn österreichische Geschworenengerichte frei.

Es braucht mehr

Zusammenfassend gibt es Tausend und einen Grund gegen diesen Ball und die Tradition, für die er steht, auf die Straße zu gehen. Der rechtsextreme Terror zeigt, dass es innerhalb der Burschenschaften eine Strömung gab, die sofort zur Tat schreiten wollte. Noch gefährlicher als diese Leute ist jedoch die FPÖ, welche als gesellschaftlich etablierte Partei gerade unter Kickl systematisch daran arbeitet, das gesellschaftliche Klima immer weiter nach rechts zu verschieben. Im Unterschied zur AFD distanzierte sich Kickl nicht von den rechtsextremen Deportationsplänen, sondern heizt die Stimmung weiter an. Während seiner Aschermittwochsrede fordert er im Stile des Potsdamer Treffens einen „Geh-heim Plan“ und Remigrationskampagnen.

Die parlamentarischen Parteien haben der FPÖ nichts entgegenzusetzen. Die laut Umfragen unbeliebteste Regierung in der Geschichte der zweiten Republik, Schwarz-Grün, unternimmt nichts gegen die sich ausweitenden sozialen und ökologischen Krisen. Diese Krisen schreien nach Veränderung, während das politische Establishment inklusive der SPÖ alles tut, damit alles so bleibt, wie es ist. Die FPÖ kann sich in aller Ruhe als die einzige Kraft der Veränderung darstellen und gewinnt durch ihre pseudohafte Anti-Establishment-Positionierung weiter an Stimmen.

Der heutige Protest war ein wichtiges Zeichen gegen die Akzeptanz von Faschismus in Österreich. Die nach dem Treffen in Potsdam von Deutschland ausgehende antifaschistische Welle ist aktuell die unsere beste Gelegenheit, die extreme Rechte zu schlagen. Dafür wird es aber noch viel größere und radikalere Proteste brauchen. Wir müssen jeden öffentlichen Auftritt der FPÖ konfrontieren und eine Anti-Establishment-Kraft von links aufbauen. Nur so kann es uns gelingen, eine drohende FPÖ-Regierung zu bekämpfen.