FPÖ-Minister Kickl ist die Achillesferse der Regierung

Der freiheitliche Innenminister Herbert Kickl ist verhasst wie kein anderer Innenminister vor ihm. Dass die FPÖ-Parteispitze gerade ihn ins Innenministerium geschickt hat, zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der die „Nachfolgepartei der NSDAP in Österreich“ (Anton Pelinka) den Umbau des Staates vorantreiben will. Aber damit haben die Blauen gleichzeitig eine Schwachstelle der gesamten Regierung produziert.
28. Oktober 2018 |

Das Innenministerium war für die FPÖ eine Koalitionsbedingung. Das zeigt nicht nur, welchen Stellenwert der Repressionsapparat, also die Polizei und die Geheimdienste, für die Freiheitlichen hat. Immerhin schickte die Parteiführung den Strippenzieher der FPÖ-Propagandamaschine, Herbert Kickl, in das Amt am Minoritenplatz. Indem FPÖ-Vizekanzler Strache seinen Redenschreiber Kickl zum „besten Innenminister der zweiten Republik“ hochstilisiert, entblößt er gleichzeitig die Achillesferse der türkis-blauen Koalition. Strache könnte ihn nicht mehr einfach fallen lassen. Tut er es doch, würde das die FPÖ und in der Folge die gesamte schwarz-blaue Regierung in eine schwere Krise stürzen.

Faschistische Agenda

Folgendes Szenario ist denkbar: Wenn ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz an einem Punkt selbst Schaden nimmt und nicht mehr zu Kickls antidemokratischen Umtrieben schweigen kann, könnte er gezwungen sein, Kickl zu entlassen. Und der Innenminister ist bereits verhasst, wie kaum ein anderer zuvor. Sagenhafte 56 Prozent der Befragten gaben in der jüngsten APA/OGM-Studie (September 2018) an, dass sie kein Vertrauen in Kickl haben, eine Verschlechterung von 10 Prozentpunkten seit Jänner 2018. Von wegen „bester Innenminister“, sogar sein Vorgänger Wolfgang Sobotka  konnte diesen Wert unter 45 Prozent halten. OGM-Chef Wolfgang Bachmayer kommentierte: „Der Rückgang bei Herbert Kickl erklärt sich mit einer zunehmend geteilten Haltung der Wähler des Koalitionspartners ÖVP (BVT-Affäre?).“

Selbst FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache bezeichnete seinen Propagandachef bereits als „Bad Cop“. Kickl steht in der Verfassungsschutz-Affäre (BVT) im Visier – erst jüngst wurde bekannt, dass er sogar bei mindestens einer Zeugenpräparierung selbst anwesend war, bevor diese Zeugin zur Staatsanwaltschaft geschickt wurden. Er tritt die Pressefreiheit mit Füßen, wenn er die Kommunikation mit „kritischen Medien“, namentlich dem Falter, Standard und Kurier, „auf das nötigste Maß zu beschränken“ will. Kickl verkörpert die gesamte faschistische Agenda der FPÖ. Im Zusammenhang mit dem von Kickl bereits 2015 beabsichtigten Ausstieg aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) urteilte Falter-Herausgeber Armin Thurnher kürzlich in einem Leitartikel: „Man kann es Faschismus nennen.“

(Falter 40/2018)

Verwundbarkeit erkannt

Der Falter hat die Verletzbarkeit der Regierung schon länger erkannt. Auch die Opposition im Parlament scheint aufzuwachen. „Es kann nicht sein, dass Kurz am rechten Auge blind ist, während Kickl die Instanzen der Demokratie in Österreich systematisch zu zerstören beginnt“, kritisierten die sozialdemokratischen Klubobleute in den Landtagen. Nach den ersten Tagen des BVT-Untersuchungsausschusses jammerte Kickl in einer Sondersitzung des Nationalrats bereits über die „Inquisition“, sein Parteikollege Hans-Jörg Jenewein beklagte einen „Hexenprozess“ gegen den Innenminister.

Erste Risse tun sich in der Koalition auf. Der ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Werner Amon, missbilligte die Razzia im Verfassungsschutz (die ja sogar vom Oberlandsgericht für rechtswidrig erklärt worden war) und machte sich über den Titel „bester Innenminister der zweiten Republik“ lustig. Im Gegenzug schoss FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz gegen Amon und prangerte den „linken Kurs“ in der ÖVP an. Als sich Kickl im Parlament wegen des Vorwurfs der Pressezensur verantworten musste, blieb erstmals der Applaus der ÖVP-Abgeordneten aus.

Sie fürchten uns

Jeder Rückzieher schmerzt. Anlässlich der temporären Abbestellung von Udo Landbauer (FPÖ) in der Naziliederbuch-Affäre sagte FPÖ-Landesrat Elmar Podgorschek in seiner Rede vor der Alternative für Deutschland (AfD) im Frühjahr 2018: „Jedes Zurückweichen bedeutet, dass der Gegner das Gefühl hat, er kann uns aus dem Sattel heben.“ Sie haben Angst, und das ist gut so. Wir haben als Teil der radikalen Linken nur wenig Einfluss auf die Vorbereitung und Durchführung von Streiks, die der Regierung wirklich gefährlich werden könnten. Aber wir können die Konfliktlinien vertiefen und die Angriffslustigkeit der gesamten Opposition stärken, wenn wir Kickl aus dem Innenministerium kicken.