Geburt einer parlamentarischen Linken in Österreich?
Das liberale Establishment versucht die KP todzukuscheln, das rechte versinkt in Wut. Die Strategie des Todkuschelns funktioniert darüber, die sozialpolitische Arbeit der KPÖ zu loben und das Spendenaufkommen ihrer Funktionäre als selbstlose Aufopferung zu würdigen. Anknüpfend daran wird in Dauerschleife der Ratschlag: Könnt ihr euch bitte einen anderen Namen geben, abgespult. Noch obskurer wird es nur, wenn die Erfolge durch die angeblich herausragenden Medienstrategien und Charakterstärken der Einzelpersonen erklärt wird: wahlweise die bodenständige Mutter Theresa, Elke Kahr, oder der nette Kommunist von nebenan, Kay-Michael Dankl.
Grundlage der KP Erfolge
Die zwei offensichtlichsten Bausteine des KP-Erfolgs sind erstens der konsequente Dauerfokus auf das Thema Mieten. Im Unterschied zur deutschen Links-Partei gelingt es der KPÖ nicht nur, das Offensichtliche festzustellen: Die Mieten sind zu hoch, sondern durch unterschiedlichste Initiativen und direkte Beratungs- und Hilfsleistungen vermittelt sie Glaubhaftigkeit.
Der zweite Grundpfeiler des Erfolges ist die Verpflichtung ihrer Funktionär:innen nicht mehr als einen durchschnittlichen Facharbeiter:innen Lohn zu verdienen. Dieser Grundsatz entspringt den Ursprüngen der Arbeiter:innenbewegung und zielte darauf, eine materielle Trennung zwischen Funktionärsschicht und politischer Basis zu verhindern. Als Grundsatz ist diese Regelungen notwendig, wir sollten ihre Wirkung jedoch nicht überschätzen. In der Gründungsphase der deutschen Grünen gab es ebenfalls diesen Grundsatz, der im Zuge der Liberalisierung stillschweigend entsorgt wurde.
Der 3. Grundbausteine dürfte die konsequente Aufbauarbeit sein. Laut dem Standard beteiligten sich über 600 Aktivist:innen an der Wahlkampagne in Salzburg, um die 300 lebten in anderen Bundesländern.
Gesellschaftlicher Hintergrund
Neben diesen parteipolitischen Gründen liefert der gesamtgesellschaftliche Kontext Chancen für die Geburt einer parlamentarischen Linken. Die bürgerliche Gesellschaftsordnung steht vor multiplen Krisen, angefangen vom Klimawandel, über Corona und die Inflation bis zu geopolitischen Konflikten. Diese Krisen erzeugen das Gefühl, dass unsere Gesellschaft den Zenit überschritten hat, sich unsere Lebensbedingungen verschlechtern werden. Gemischt mit der prinzipiellen Skepsis gegen alle politische Parteien – 83 % der Österreicher:innen halten Politiker:innen für korrupt – führt dies zu der weit verbreiteten Anti-Politik Stimmung. Unabhängig davon, wie brav die KPÖ in medialen Diskussionen auftritt, solange sie das K im Namen behält, wird sie anders wahrgenommen als die „normalen“ Parteien.
Davon abgesehen, wer sich außerhalb von links-liberalen Kreisen bewegt, dem dürfte aufgefallen sein, die Linke wird heutzutage viel eher mit Abgehobenheit, Hypermoralismus und Elitedenken identifiziert, als mit den Leichenbergen Stalins. 33 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion häuft die bürgerliche Gesellschaftsordnung noch immer Leichenberg auf Leichenberg. Kommunismus hat außerhalb der liberalen Blase als Schreckgespenst ausgedient. Sich nicht mehr hinter Begriffsfloskeln wie Vergesellschaften, Transformation oder Demokratisierung zu verstecken, sondern wieder von Enteignung, Planwirtschaft und Rätedemokratie zu sprechen, wäre eine Lehre für außerparlamentarische Linke aus den Erfolgen der KPÖ.
Geschichte der KPÖ
Auch wenn die politischen Forderungen der KPÖ nicht über die Forderungen der links-reformistischen Parteien der vergangenen Jahre hinausgehen, in ihren Anfängen innerhalb der österreichischen Arbeiter:innenbewegung war sie weitaus radikaler. Wenn auch unter diskutabler strategischer Ausrichtung, die KPÖ kämpfte 1919 für eine Räterepublik. Sie leistete erbittertsten Widerstand sowohl gegen das austrofaschistische als auch das nationalsozialistische Regime. Vergessen sollten wir aber auch nicht, dass zumindest das Zentralkomitee der KPÖ um Johann Koplenig als Handlager Stalins agierte und österreichische Kommunist:innen wie Karl Fischer an das sowjetische Gulag-System auslieferte. Aufgrund dieser Geschichte lässt sich die KPÖ nicht einfach in die Reihe links-reformistischer Erfolgsprojekte der vergangenen Jahre einordnen.
Neustart der europäischen Linken
Die ab den 70er-Jahren einsetzte Phase des Neoliberalismus zertrümmerte die parlamentarische Linke und weite Teile der Arbeiter:innenbewegung. Nico Biver stellte diese Entwicklungen in der Zeitschrift für marxistische Erneuerung anhand der sinkenden Mitgliederzahlen und Wähler:innenstimmen für die kommunistischen Parteien in Europa präzise dar. Die einst mächtigen KPs in Frankreich und Italien existieren nicht mehr. Nur die griechische KP konnte halbwegs unbeschadet überstehen. Die KPs verschwanden, Sozialdemokratie und Gewerkschaften hatten mit Rückschlägen zu kämpfen. Aus heutiger Perspektive erreichte der Neoliberalismus nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Ende der 90er-Jahre seinen historischen Zenit.
Zuerst verlor er ab den frühen 2000ern seine ideologische Herrschaft, mit der Finanzkrise 2008 kollabierte seine ökonomische Potenz. Die Anti-Globalisierungsbewegung und insbesondere der Aufschwung der radikalen Linken in Mittel und Südamerika um 2000 (Pink Tide) zeigten, der Neoliberalismus war nicht erfolgreich dabei, die Arbeiter:innen und Armen in sein Projekt ideologisch zu integrieren. Mit der auf die Finanzkrise folgende Austeritätspolitik zog die radikale Linke wieder in die Europäischen Parlamente ein. In Spanien entstand durch die Platzbesetzungsbewegung (Bewegung des 15. Mais) die neue Partei Podemos, in Griechenland schlossen sich unterschiedlichste Kleinstparteien zu Syriza zusammen. In England gelang es Jeremy Corbyn kurzzeitig das Potential der Linken in der Labour Partei zu manifestieren.
Diese unterschiedlichen Entstehungsgeschichten zeigen, es ist nicht vorherbestimmt, in welcher Form sich linke Aufschwünge manifestieren – es können neue Parteien entstehen oder bereits bestehende sich transformieren. In Belgien wandelte sich die ehemals maoistische Partei der Arbeit 2008 zu einer unorthodoxen kommunistischen Partei, und erzielt beeindruckende Erfolge. In der Ausrichtung steht sie der Bundes KPÖ näher als bspw. die kommunistische Partei Griechenlands.
Es ist auch ein Fehler, dieses Wiedererstarken radikal linker Politik deterministisch aus der schlechter werdenden ökonomischen Situation herzuleiten. In derselben Phase erlebten wir das Scheitern der deutschen Linkspartei und die de facto Auflösung der italienischen Linken.
Veränderungswunsch durch Institutionen
Eine oft wiederholte These in außerparlamentarischen Kreisen ist die Vorstellung, Linksparteien könnten nur im Zuge von gesamtgesellschaftlichen Kämpfen, soziale Bewegungen und Streiks an Macht gewinnen. Traf diese These auf Syriza und Podemos zu, so widersprachen die Erfolge von Corbyn. Die Erfolge der KPÖ widerlegen die Vorstellung für Österreich. Viel eher gilt festzuhalten, dass sich Veränderungswünsche/Protestpotenziale auch im institutionalisierten Rahmen parlamentarischer Wahlen manifestieren können. Gerade in Ländern mit einem traditionell niedrigen Niveau des nicht-institutionalisierten Klassenkampfes erscheint diese Option realistisch.
Scheitern der europäischen Linken
Mit Ausnahme des belgischen Experiments scheiterten alle neu entstehenden Linksprojekte. Tim Bale kommt in einer Studie Left parties and government involvement since 1989 (Linke Parteien in Regierungsverantwortung seit 1989) zum Ergebnis: In 17 von 19 Fällen, in denen sich linke Parteien an Regierungen beteiligten oder diese stützten, verloren sie bei den anschließenden Wahlen an Stimmen.
Linke Parteien stehen vor einem nicht lösbaren Widerspruch, einerseits erwarten ihre Wähler:innen reale politische Reformen, andererseits sind Reformmöglichkeiten gerade innerhalb des Rahmens EU extrem beschränkt. Der „Vertrag von Lissabon“ verhindert bspw. keynesianisch auf Staatsverschuldung ausgerichtete Politik. Der Vorsitzende der belgischen KP Raoul Hedebouw fasst zusammen: „Ich bin jetzt seit acht Jahren im Parlament, und ich habe dort vieles gesehen. Aber eine Sache, die ich im Parlament nicht gefunden habe, ist Macht.“
Wir haben gesehen, dass die an Gramsci angelehnte Vorstellung des Euro-Kommunismus, durch punktuelle Erfolge rote Bastionen in der Gesellschaft aufbauen und in einem längerfristigen Stellungskrieg die bürgerliche Gesellschaft zu transformieren, zum Scheitern verurteilt ist. Die Linken-Parteien transformierten nicht die Gesellschaft, sondern sich selbst. Die EU verwandelte Syriza und Podemos in treue Diener der Austeritätspolitik, vom Kampf gegen die Tötungsmaschinerie der europäischen Grenzpolitik sprachen sie sowieso nicht mehr.
Trotzdem, dass es in Österreich dank den Erfolgen der KPÖ zumindest in Ansätzen wieder eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über Enteignung und Kommunismus möglich ist, eröffnet großartige Möglichkeiten für die revolutionäre Linke.