Geteilte Geschichte: Viyana – Beč – Wien
Rund 40 Prozent aller Wiener_innen haben einen sogenannten „Migrationshintergrund“. Die Geschichte der Hauptstadt ist also untrennbar von der Geschichte der Zuwanderung, weshalb das Wien Museum in einem Projekt Gegenstände von Zuwanderern gesammelt hat, die nun in der Ausstellung „Geteilte Geschichte“ gezeigt werden.
In erster Linie ist es die Generation der „Gastarbeiter“, die hier oft sehr persönliche Dinge zur Verfügung gestellt hat: in den 1960er- und 1970er-Jahren wurden die Menschen in Scharen aus dem damaligen Jugoslawien und der Türkei nach Österreich geholt, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen.
Versuchte Eingliederung
Festgelegte Kontingente von Gastarbeiter_innen für bestimmte Branchen, eine auf ein Jahr beschränkte Beschäftigungsdauer und Rotation von Arbeiter_innen haben bewirkt, dass es wenig Kontakt zu inländischen Kolleg_innen gab. Arbeitsbewilligungen wurden nur für eine konkrete Firma ausgestellt. Überbelegte Substandardwohnungen mit Wasser und WC am Gang waren die Regel.
Als in den 1970er-Jahren langsam klar wurde, dass viele „Gastarbeiter“ bleiben würden, wurden Zugewanderte in Arbeiterkammer und Gewerkschaft als Übersetzer_innen in der Beratung eingesetzt. Das Netzwerk, das Zugewanderte knüpften, wird etwa durch eine Mappe mit Visitenkarten von Reisebüros, Transportfirmen über Fußballvereine von Zdravko Spajić sichtbar, der für den ÖGB als Übersetzer arbeitete.
Das Verhältnis der Gewerkschaftsbewegung zu den Zugewanderten war widersprüchlich, wie auch im Katalog zur Ausstellung beschrieben. So war es einerseits erwünscht, dass die „Gastarbeiter“ Gewerkschaftsmitglieder werden. Andererseits befürworteten die Gewerkschaften die Beschränkung des Zuzugs und des Zugangs zum Arbeitsmarkt. Und so datiert die Mitgliedskarte von Slobodan Jovanović zwar schon das Jahr 1972, aber bis 1992 war die österreichische Staatsbürgerschaft Voraussetzung für eine Anstellung beim ÖGB. Und bis 2006 durften Nicht-EU-Bürger_innen nicht als Betriebsrat gewählt werden.
Heimweh
Fremdenfeindlichkeit ließ in vielen die Sehnsucht nach der alten Heimat umso größer werden. Und so fanden sich die Menschen in Kulturvereinen zusammen, ein Gebetsteppich kündet von der Zuflucht in die Religion. Viel jugoslawische und türkische Musik wurde gehört. Auch für politische Aktivität war das Ursprungsland oft wichtiger, als der aktuelle Wohnort: Davon zeugt etwa die Geschichte von DIDF, der Föderation demokratischer Arbeitervereine, von der ein Plakat zum 1. Mai die Ausstellung ziert.
In den 1980er-Jahren, noch vor dem Zusammenschluss zum Dachverein, stand der Kampf gegen den Militärputsch in der Türkei im Vordergrund der Aktivitäten der Vereine. Die Nachfrage insbesondere nach türkischen Produkten unter den Heimwehgeplagten war groß.
Kurios die Geschichte des Kardeniz-Tees: Der schwarze Tee in der goldenen Verpackung wird als typisch türkisches Produkt wahrgenommen. Tatsächlich wurde er von der Firma Orient für in Österreich lebende Menschen mit türkischen Wurzeln importiert und verpackt. Benannt nach der Teeanbauregion Karadeniz an der türkischen Schwarzmeerküste wird der in Sri Lanka angebaute Tee mittlerweile aber auch in der Türkei gerne getrunken.