Grüne Grube

Ein Erlebnisbericht der „Ende Gelände“- Lausitzaktion Ende November 2019.
10. Februar 2020 |

Morgensonne fällt durch die Scheiben des Reisebusses hell auf unsere Gesichter, glitzert draußen auf reifbedeckten Wiesen und Feldern. Vor uns eine Kolonne von neun weiteren Bussen im frühen Licht – der Rest des grünen Fingers. Es ist ruhig und friedlich da draußen, erstaunlich ruhig. Die übliche Polizeibegleitung fehlt. Verschlafen? Nun, mir soll es recht sein.

Ich hätte mehr Hindernisse befürchtet, doch ohne Probleme können wir mitten im Nirgendwo anhalten, uns sammeln, und sodann als Staubanzug-tragende Pünktchenwolke unserem Ziel entgegenziehen. Niemand zeigt sich; nur ein paar Amseln fragen sich wohl, was die Menschen wieder Seltsames unternehmen. Ein kleines Wäldchen, offene Wiese, dann die Reste eines Zaunes – bedächtig finden wir den Weg in die Grube.

Nun taucht auch Polizei auf: Ungefähr zu zehnt versperren sie uns den Weg zur weit und breit einzigen Zufahrtsstraße hinab in die Grube. Nur nach rechts verspricht ein etwas steilerer Abhang einen unbestimmten Ausweg. Wir wollen weitergehen, einfach weiter und durch. Doch irgendetwas geht schief, wir kommen zum Stehen, nichts ist mit vorwärts. Generelle Unschlüssigkeit. Die Zeit drängt: von vorne kommt Verstärkung angetrabt. Was tun? Auffächern und abtauchen? Niemand wagt es, ein Signal zu geben. Doch die nahende Gefahr befeuert den Willen zum Handeln: Ein paar Grüppchen machen den bitter nötigen Anfang und plötzlich ist wieder Bewegung! Wir entwischen den nun brüllenden (und gefährlich schubsenden) Grubenschutzhunden buchstäblich vor der Nase.

Trotz dem Agieren der Polizei bleiben alle Teilnehmer_innen bewundernswert ruhig und besonnen. Niemand kommt zu nahe an eine Kante, gegenseitig werden Hände angeboten und auf Gefahrenstellen hingewiesen. Am Ende des Abhanges liegt die angestrebte Straße zur Kohle. Doch davor eine Engstelle, bei der je nur wenige Menschen auf einmal hindurchkommen, langsam. Inzwischen hat sich die Polizei über uns wieder formiert und joggt zu ihren Bussen – um nun passenderweise auf fossilem Wege in die Grube zu preschen, und uns den Weg an jener Straße abzuschneiden. Doch es zeigen sich erneut die genial-amöboiden Vorteile von vielen durch ein gemeinsames Ziel geeinten, dabei selbstständig denkend- und handelnden Menschen: Wie ein großer Organismus schließt der bereits auf der Rampe befindliche Teil der Gruppe mit seinen Körpern die Straße ab – die Autos werden aufgehalten, bis auch die letzten Aktivistis sicher auf der Rampe sind. Von dort fasern wir uns schnell und wunderbar uneinheitlich auf, strömen wie Wasser weiter.

Auch hier bringen die Einsatzkraftpakete unnötig Hektik und Verletzungsgefahr ins Spiel. Wild fauchen sie mit ihren Autos, kommen nicht vorbei. Steigen aus, drohen und schubsen. Bilden Ketten – die trotz anhaltendem Foulspiel und Beinestellen nutzlos bleiben. Die Flut ist los, die Masse in Bewegung! „We are unstoppable – another world is possible!“ skandieren wir und bald schon treten unsere Füße in schwarzem Kohlematsch – wir sind am Flötz!

Die Anzahl der Polizeikräfte ist gestiegen, Autos bilden einen dichten Wall. Da wir nun reichlich verteilt und auch ein wenig zerzaust von den Eskapaden sind, äußern sich Durchbruchversuche eher zaghaft. Außerdem sind wir bereits dort wo wir sein wollen: wo uns niemand haben möchte. Und so berufen wir ein Plenum ein, machen es uns gemütlich und verbringen einen spielerisch-frechen Nachmittag an einem bitter-ernsten Ort der Klimaungerechtigkeit. We are here, standing strong, in our rightful place!

Leander

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