Harry Potter muss sterben, damit wir leben können

Harry Potter: Abenteuer, Fantasy, Zaubersprüche, Zauberstäbe (Phönixfeder? Drachenherzfaser? Einhornhaar?), magische Gleise und Züge, märchenhaft, verspielt, kuschelige Tierwesen (wo sind sie nur zu finden?), Quidditch!, Aufwachsen, Erinnerung, Offenheit, Always! Harry Potter: Identität, Realität, Hassrede, Foren (KiwiFarms? Twitter? 4Chan?), Entgleisungen und Züge in den Tod, grotesk, tod-ernst, antisemitische Trolle (überall), patriarchal, Aufwachen, Erinnern, trans*feindlich, nie wieder.
14. Februar 2023 |

Zwei Welten scheinen ineinander zu brechen. Anlässlich des baldigen Videospiel-Releases Hogwarts Legacy wird der ungelöste Konflikt wieder auch für jene erneuert, die davon eigentlich gar nichts wissen wollen. Faule Klagen schwimmen durchs Internet, „Warum muss ich damit konfrontiert werden?“, „Ich will doch einfach nur das Spiel spielen“, „Niemand hier ist trans*feindlich, Rowling ist nicht mal an Hogwarts Legacy beteiligt“ – auf der anderen Seite Schuldzuweisungen. „Die andere Seite“ wird dabei geradezu mystifiziert, schließlich ist sie nicht so einfach zu benennen, denn die Anschuldigungen sind divers: trans*Feindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus. Der Fokus liegt auch deswegen auf Hogwarts Legacy weil es die Frage beantwortet, ob man trotz aller Kontroversen noch neue Inhalte zum Harry-Potter-Universum hinzufügen kann.

Games-Journale fassen weniger die vielfältigen Hintergründe zusammen, als die gegenwärtige Situation. Auch auf Youtube findet die Debatte Anklang, wenn auch sehr einseitigen. Die üblichen empörten jungen Männer, die verwöhnt-selbstüberhöht in ihre unscharfen Kameras bellen. Worüber sich beschwert wird: Boykott-Aufrufe, während man selbst mit der Trennung von Werk und Autor argumentiert. Tod-des-Autoren („La mort de l´auteur“) meint hierbei den Titel des literaturwissenschaftlichen Essays von Roland Barthes. Dass sich weder Games-Journalisten noch Youtube-Knilche in irgendeiner Hinsicht mit besagtem Essay auseinandergesetzt haben, ist deutlich, sobald sie es in den Mund nehmen.

Bereits jetzt ist deutlich, dass es weniger eine Diskussion ist als ein großes Durcheinander. Tatsächlich wird viel Rhetorik um einen erfundenen Kulturkampf geschwungen: trans*Personen wollten diktatorisch aufzwingen, wer was zu konsumieren hat. Dabei braucht es keine Diskussion, mehr noch, es darf keine Diskussion geben, schließlich ist Objekt der Diskussion das Existenzrecht einer bereits marginalisierten Minderheit. Statt einer Diskussion über einen Mittelweg zwischen trans*Personen und trans*Feindlichkeit braucht es Aufklärung – auch darüber, wie die Diskussion zwar von Außen betrachtet harmlos aussieht, tatsächlich jedoch die Existenz von trans*Personen grundsätzlich delegitimiert. Manche wird das vor den Kopf stoßen, beziehungsweise die Augen verdrehen lassen. Nicht jeder fühlt sich als Teil der Debatte, und der Sprung von „Videospiel-spielen“ zu „Du-unterstützt-Genozid“ mag auf den ersten Blick völlig überdreht wirken. Kurz vorweg: es stimmt. Das Harry-Potter-Franchise, mit all seinen Bestandteilen – von den Büchern, über die Filme, selbst die Musik, und die Videospiele sowieso – ist trans*feindlich. Zuallererst jedoch eine Übersicht.

Antisemitischer Rassismus und Sklaverei

Eine der ersten medialen Kontroversen waren die antisemischen und rassistischen Inhalte in Büchern und Filmen. Vorweg sei angemerkt, dass die Hintergründe von Antisemitismus und Rassismus vielfältiger sind, als in diesem Abschnitt herausgestellt wird. Es geht nicht darum, alle Fälle von diskriminierenden Inhalten in Harry Potter aufzulisten, sondern das wiederkehrende Muster der Biologisierung aufzuzeigen. Biologistischer Determinismus (oder auch Sozialdarwinismus) beschreibt ein Weltbild, welches die Situation von verschiedenen ethnischen oder sozialen Gruppen als naturgegeben oder umgekehrt auch unnatürlich darstellt. Bestimmte Gruppen müssen demnach ausgelöscht, segregiert, beherrscht oder versklavt werden, während sich eine andere Gruppe als die genetisch überlegene und herrschende definiert, da ihre (fremdzugeschriebenen) biologischen Eigenschaften zugleich auch ihr Schicksal ist.

Die Entscheidung wer-oder-was existieren ist hierbei immer noch sehr geläufig. Wenn auch direkte Erklärungen wie „Ich bin zum Herrschen geboren, deswegen entscheide ich“ fallen, so gibt es umgekehrt noch genügend Erklärungen, warum bestimmte Personengruppen nicht gleichwertig mit der (männlich-weißen-hetereosexuellen-cis)-Norm sind. Frauen hätten einen Mutterinstinkt, der sie emotional statt rational handeln lässt, dunkelhäutige würden wegen der Südsonne faul sein, queere Personen hätten ein freudsches Trauma, was sie zu sexuell Perversierten werden lässt und so weiter. All diese Erklärungen, die soziale und gesellschaftliche Faktoren ausschließen, dienen dazu den Status Quo zu erhalten. Auch die Welt von Harry-Potter endet damit, dass es zwar Unterdrückung von Minderheiten gibt, sich aber im Wesentlichen für diese nichts ändert. Doch nicht nur im aktiven Sinn, sondern auch im passiven greift Harry-Potter Herrschaftsansprüche nicht an, indem Unterdrückungsmechanismen reproduziert werden. Wie etwa bei Antisemitsmus und Sklaverei.

Im Kern geht es beim Vorwurf des Antisemitismus in der Harry-Potter-Welt um die Goblins und deren Darstellung in Buch und Filmen: kleine, clevere Kreaturen mit Hakennasen, spitzen Bärten und Ohren, die segregiert leben und die Finanzen der Zaubererwelt überwachen. Im HP-Universum hatte es in der Vergangenheit Goblin-Rebellionen gegeben, die jedoch blutig niedergeschlagen worden sind. Während Goblins in der Zaubererwelt als minderwertig gesehen werden, verfügen sie jedoch als Banker über mehr Macht als manche Zauberer.

Man könnte fast sagen, dass sie eine kleine Elite bilden, die mit ihren Geldströmen wesentlich mehr beherrschen, als ihnen eigentlich zugedacht wird. Interessanterweise ist einer der zentralen Feinde in Hogwarts Legacy ein Goblin namens Ranrok, der auf dem Weg zur Goblin-Rebellion mit dunklen Mächten paktiert. Rowling, die ihre Geschichte selbst als Parabel für den Nationalsozialismus gedeutet hat, baut hier eine auffallend konträre Welt. Sie spricht davon, dass sie im United States Holocaust Memorial Museum wie erfroren war zu sehen, wie die Nazis die gleiche Logik wie die Todesesser in Harry-Potter nutzten. Zugleich reproduziert sie jedoch mit ihren Kobolden direkte antisemitische Stereotype. Zur Verteidigung gegen den Antisemitismus-Vorwurf ziehen Fans nordische Folklore heran. Goblins sind Teil von nord- und mitteleuropäischer Märchenwelt, und darauf würde sich mit den Goblins in Harry-Potter bezogen werden. Ein intuitives Argument, das sich jedoch nicht mit der Realität deckt. In Gebrüder Grimms Deutsche Sagen (71-76) werden Kobolde als Hausgeister beschrieben, die auf bäuerlichen Höfen leben und ihren Besitzern Glück bringen, wenn man sie gut behandelt und mit Milchschälchen bezahlt. Werden sie misshandelt, verwandeln sie sich in Rachegeister, die ihren gerechten Zorn todbringend über ihre Peiniger schwingen. Die einzige Verbindung zwischen den märchenhaften Kobolden und moderneren Interpretationen ist ihre niedrige Körpergröße, wobei sie im Märchen auch häufig direkt als Kind auftreten. Es spricht definitiv für eine zutiefst antisemitische Kultur, dass die Darstellung von Juden und die kulturelle Rezeption von dem, was man sich unter Kobolden vorstellt, intuitiv zu einer Einheit werden. Dass Rowlings Goblins nur wenig mit mythologischen Kobolden zu tun haben, ist deutlich. Zugleich kann dies mit einer Diskursverschiebung erklärt werden: Wo einst Goblins/Kobolde affirmativ behandelt worden sind, wurden sie mit einer judenfeindlicheren Kultur, die ihre grausamsten Auswirkungen im 19. und 20. Jahrhundert fand, zu einer Judendarstellung verklärt.

Parasiten, die in den Häusern anständiger Bürger wohnten, unsichtbar und gierig. Harry Potters Darstellung von Goblins knüpft an besagte antisemitische Stereotypen und nicht an die Märchengestalten an. Dass sie nun in Hogwarts Legacy für ihren eigenen Befreiungskampf zum Feind des Helden gemacht werden, spricht mehr als sieben Bände.

Doch auch neben den antisemitischen Figuren lassen sich einige Stereotypen finden. Die klischeehaften Namen und Eigenschaften der Nebenfiguren gehen bei Harry Potter bekanntermaßen Hand in Hand. Die schwarzen Figuren Kingsley Shaklebolt (Shakle zu dt. Kette, Verweis auf Versklavung von Schwarzen) und Dean Thomas werden etwa beide als groß und maskulin beschrieben, einer von beiden wuchs vaterlos auf. Cho Chang, eine Asiatin mit unzuordnenbarem Namen, muss natürlich dünn sein und viel lernen. Seamus Finnigan, der Ire, liebt einfach Pyrotechnik, und soll zum Ende hin eine Brücke in die Luft sprengen – man denke an die IRA (Irish Republican Army). Die Französin Fleur ist wunderschön und eingebildet und so weiter. Sicherlich werden nicht alle dieser Stereotypen in Hogwarts Legacy reproduziert werden. Was jedoch auch bei Hogwarts Legacy wesentlicher Bestandteil bleibt, ist das zurecht zuhauf kritisierte Verhältnis zur Sklaverei der Hauselfen. Das Harry-Potter-Universum war schon immer eine alternative Geschichte, ein „Was-wäre-wenn…?“. Die brennende Frage, „was-wäre-wenn“ Sklaven nicht rebelliert hätten, sondern ihre Rolle akzeptiert und darin Freude gefunden hätten, wird nun anscheinend auch beantwortet. Die typische, rassistische Erzählung des „glücklichen Sklaven“, welche die Sklaverei gleichermaßen entschuldigt, als auch romantisiert, gehört definitiv nicht in ein Jugendbuch. Worte wie Antisemitismus und Sklaverei fallen in der Berichterstattung so lapidar, doch für einen Moment muss man anhalten und sich der machtvollen Brutalität unserer Welt-Geschichte im Bezug auf diese Begriffe gewahr werden. Auslöschung, Verstümmelungen, Zwangssterilisation, Vergewaltigung, Entmenschlichung, Foltern, Kindsmord. Antisemitismus ist nicht nur eine verhöhnende Darstellung und Karikatur von Juden. Antisemitismus ist, wenn Neugeborene von Wehrmachtssoldaten aus ihren Kinderkrippen genommen und gegen die Wand geworfen werden, dass ihre winzigen Körper dort tot zerschellen. Sklaverei ist keine Wahl, die einem Sicherheit und Geborgenheit in den Händen seines Besitzers bringt. Sklaverei ist eine Peitsche aus Kuhleder, die so tiefe Wunden schlägt, dass man einen Finger hineinlegen könnte und das aufgepeitschte Fleisch dabei nicht berührt. Wunden, die keine Zeit zu heilen vermag, wenn man nicht direkt an ihren Folgen stirbt. Diese Wörter haben Bedeutung jenseits eines Wörterbuchs, sie haben Geschichte, von der sie sich nicht lösen können. Man möchte einen Text über das Harry-Potter-Franchise schreiben, über die Problematiken dieser Welt, und liest Aussagen, die völlig von den Ausmaßen ihrer Bedeutungen befreit sind. Wenn die Hauselfen und Gnome in Harry-Potter vorkommen, sind sie hässliche Fratzen einer Geschichte von derartigen Grausamkeiten, dass man sie kaum zu greifen vermag. Dass die Hauselfen in Harry Potter mit tatsächlichen afrikanischen Sklaven verbunden sind, wird in der englischen Originalausgabe deutlich.

Die Sprache der Hauselfen ist hierbei verwaschen, Pronomen und Wortreihenfolge sind durcheinander. Laut Carin Möller ist diese Art des Sprechens verweisend auf die Darstellung von schwarzen Sklaven in Hollywoodproduktionen der 30er und 40er Jahre[1]. Eine Entscheidung, die Haussklaven und historische Sklaven bewusst überlappen lässt. Auch in Harry Potter wird körperlicher Missbrauch an Sklaven/Hauselfen thematisiert. So schubst etwa die beliebte Figur Sirius Black seinen eigenen Familiensklaven eine Treppe hinunter, für die allgemeine Misshandlung an seinem Sklaven wird er später mit dem Tod bestraft. Zusätzlich sind Hauselfen gezwungen, sich selbst körperlich zu geißeln, wenn sie gegen ihre Sklavenpflichten verstoßen. Bekanntermaßen gibt es bei Harry Potter kein Auflehnen gegen das eigene Sklaventum. Lediglich Dobby ist mit seiner Befreiung zufrieden, auch wenn er keinerlei Interesse hat sich für die Befreiung anderer Hauselfen einzusetzen. Diese dienen für ihr Leben, sie finden Gefallen an ihrer Unterdrückung. Dobby wird als die Ausnahme charakterisiert, schließlich gäbe es „weirdos in every breed“ (zu dt.: „merkwürdige Gestalten in jedem Wurf“) (Harry Potter, Band 4) – eine besonders unangenehme Wortwahl, bedenkt man das Sklaven als gleichwertig zu Zuchtvieh bezeichnet worden sind. Die intendierte Parallele zu historischen Sklaven lässt einem schwindelig werden. Selbst wenn neuere Adaptionen versuchen sich progressiv zu inszenieren, indem sie marginalisierte Minderheiten dem Universum hinzufügen, so bleiben doch die fiktionalen schwarzen Sklaven in Form der blassen Hauselfen. Die Lehre in der Buchreihe: Sei ein guter Sklavenhalter und kümmere dich um dein Eigentum. Auch in Hogwarts Legacy soll man die Möglichkeit haben, über seinen eigenen Sklavenbegleiter zu verfügen. Sklavenhaltung und Antisemitismus zu thematisieren ist hierbei nicht das Problem, doch es affirmativ zu behandeln und von ihrer historischen Bedeutung zu entfernen, während man zeitgleich auf diese Geschichte verweist, ist ein Schlag in Gesicht der Opfer und Nachkommen, die unter strukturellem Antisemitismus und Rassismus tagtäglich zu leiden haben. Die Reproduzierung von Antisemitismus und Rassismus ermöglicht hierbei auch die Erstarkung faschistischer Bewegungen in der Gegenwart. Die untergeordnete Rolle der Goblins und Hauselfen in Harry Potter wird regelmäßig verklärt und biologisiert. Auch deswegen muss Hermines Antisklavenagenda als lächerlich dargestellt werden: Sie versucht etwas zu ändern, was biologisch unveränderbar sei.

Zur Trans*feindlichkeit:

Die biologische Unveränderbarkeit steht nicht nur bei Antisemitismus und Sklaverei im argumentativen Zentrum, denn längst ist JK Rowling für ihre trans*feindlichen Aussagen bekannt. Wobei sie natürlich lediglich das biologische Geschlecht verteidige, so einige Artikel, welche die „Debatte“ zusammenfassen wollen. An dieser Stelle ist ein kleiner Ausflug zu Rowling und Geschlecht im Allgemeinen notwendig, bevor es weiter um ihr Werk mit all seinen Facetten geht.

JK Rowling sagt offen von sich, dass sie viel Verständnis für trans* Personen hätte. Es ginge ihr auch nicht um diese, sondern um trans*Frauen (trans* Personen, die sich als Frau identifizieren), welche eigentlich gar keine wären. Männer also, die aus Perversionen sexistische Stereotypen vom Frausein imitieren, um sich daran aufzugeilen, geringere Strafen in Gerichtsprozessen zu verhandeln oder sich in frauenexklusive Räume zu begeben. Eine Differenzierung von Möchtegern-trans*-Frauen und tatsächlichen trans* Frauen ist ihrer Definition nach unmöglich. Trans*Männer (trans* Personen, die sich als Männer identifizieren) wiederum seien laut Rowling zum großen Teil verwirrte Mädchen, die aus einer Körperdysphorie heraus und um dem Frausein zu entkommen, das männliche Geschlecht versuchen anzunehmen. Anders gesagt seien sie nach Rowling Geschlechtsverräterinnen, die nicht den feministischen Kampf führen, sondern ihn gänzlich verlassen. Auch hier ließe sich keine Unterscheidung zwischen authentischen trans* Personen und unauthentischen finden. Im Falle des Zweifels ist er oder sie etwas, was er oder sie eigentlich nicht sein sollte: keine echte trans*Person. Und schnell kommt man zu dem Schluss, dass es womöglich gar keine echten trans* Personen gäbe. Rowling ist hierbei das pseudofeministische Äquivalent des „Besorgten Bürgers“: natürlich habe sie kein Problem mit einer bestimmten Minderheit. Besser wäre es jedoch, wenn es diese Minderheit nicht gäbe – oder wenn diese zumindest so unsichtbar wäre, dass sie nicht am gesellschaftlichen Leben teilnimmt, und dabei letztlich wieder inexistent wird. Nach Rowling und anderen TERFs (trans*-exclusive-radical-feminists) würde eine liberale Welt das biologische Geschlecht verneinen, etwa indem von „Personen-mit-Uterus“, statt von „Frauen“ gesprochen werde.

Damit würden Frauen und ihre frauenspezifischen Probleme aus der gesellschaftlichen Wahrnehmung entfernt werden. Wie genau ein so vermeintlich eindeutiges „biologisches Geschlecht“ von TERFs wie Rowling definiert werden würde, bleibt dabei uneindeutig und widersprüchlich: gelten auch gebährunfähige Frauen als Frauen? Was ist mit Frauen ohne Uterus? Oder mit Frauen deren Chromosomen nicht der Schablone eines Lehrbuchs entsprechen? Die Reduzierung auf vermeintlich weibliche, körperliche Aspekte nimmt Frauen jede Möglichkeit der wirklichen Emanzipation. Emanzipation kann hierbei nur die Geschlechts-Dekonstruktion bedeuten. Judith Butler, die Begründerin der Gender-Studies (Geschlechtsstudien), benennt das biologische Geschlecht als Synonym zum Mann- oder Frausein als Mythos. Geschlechteridentität hänge von der Performanz der jeweiligen Personen ab. Es wird ein klarer Unterschied zwischen sex (biologisches Geschlecht) und gender (soziales Geschlecht) gezogen. Hierbei sei angemerkt, dass Butler auch die Eindeutigkeit von biologischen Geschlecht in Frage stellt und dekonstruiert. Entsprechend sind Beschreibungen wie „biologischer Mann“ nicht absolut. Wie man sich verhält, wie man gesehen wird, wäre entsprechend eine Frage des sozialen Geschlechts. So kann etwa auch eine Frau primäre oder sekundäre Geschlechtsteile eines „biologischen Mannes“ haben, und trotzdem als Frau fremd- und selbstwahrgenommen sein. Menschen, die von Geburt an die Geschlechter „Mann“ oder „Frau“ zugewiesen bekommen, werden auch mit den Erwartungshaltungen der jeweiligen sozialen Konstrukte heranerzogen. Verhalten, das nicht Gender-konform ist, wird von der Gesellschaft bestraft: innerhalb einer zwangsheteronormativen Gesellschaft gilt dies etwa für Homo-, Bi-, oder auch trans*sexuelle. Indem trans*geschlechtliche körperlich als Männer oder Frauen wahrgenommen werden, zeigen sie die Fabrikation (fabrication) von Geschlecht im Gesamten auf, was unvereinbar mit einer patriarchalen Hegemonie, also einer männlichen Herrschaft durch Konsens, ist.

Nun werden vielleicht manche aufstutzen. Rowling soll das Patriarchat unterstützen? Worauf die Antwort simpel „ja“ ist. Nicht nur wegen ihrer Unterstützung und Aufrechterhaltung des biologischen Geschlechts, welches in einer 5.-Klasse-Biologie-Schlichtheit schlicht nicht existiert, sondern auch mit Blick auf ihre vielen Freunde. Wenn der „besorgte Bürger“ anfängt sich mit Nazis zu umgeben, die sich über Rachefantasien gegenüber Migrant*innen verbünden, wird offengelegt, was der „besorgte Bürger“ schon am Anfang gewesen ist. Nur dass ihm der Weg zum ehrlichen Eingeständnis seiner inneren Überzeugungen erst mit der offenen Hand der tatsächlichen Rechtsradikalen gezeigt werden musste. Ähnlich ist es bei Rowling, die in ihrem Essay über biologisches Geschlecht eine angebliche Feministin, Magdalen Berns, verteidigt, die sich laut Rowling lediglich für Frauen einsetzte und brutal angefeindet worden sei. Zu Magdalen Berns gibt es nicht viel zu argumentieren, sie bezeichnet trans* Personen wortwörtlich als „men who get sexual kicks from being treated like women“ (zu dt.: Männer, die geil davon werden, wenn sie wie Frauen behandelt werden) und dass sie „dirty fucking perversions“ (zu dt.: „schmutzige scheiß Perversionen“) wären. Der Weg der trans*-exklusiven-radikalen-Feministen führt unweigerlich zur Neuen Rechten. Eine weitere TERF-Aktivistin, Posie Parker, schrieb ganz offen, was man mit trans*Männern tun sollte: „women who call themselves men should be sterilised“ (zu dt.: „Frauen, die sich selbst als Männer bezeichnen, sollten sterilisiert werden“). Parker ist hier selbst in Gender Critical Umgebungen eine kontroverse Person, zugleich sind Weggefährtinnen von JK Rowling wie Maya Forstater und Helen Joyce offene Unterstützerinnen von Parkers Veranstaltungen, die auch mit nationalistischen und evangelikalen Gruppen in einer Allianz gegen die Existenz von trans* Personen zusammenarbeiten. Dies alles ist Teil eines sozialen Netzwerks, welches JK Rowling öffentlich verteidigt. Dass man im Kampf gegen trans* Personen auch mit Menschen wie Emily Zinos und Kaley Triller zusammenarbeitet, die sich beide gegen die Möglichkeit abzutreiben stark machen, ist absurd für jemand, die sich als Feministin bezeichnet.

Auch Maya Forstater ist Mitglied einer Organisation, die sich für die Rekriminalisierung von Homosexualität einsetzt, mit der Begründung, dass Homosexualität und Pädophilie miteinander verknüpft seien – auch sie ist direkt mit Rowling befreundet und wird von der Autorin öffentlich verteidigt. Das gleiche gilt für eine weitere Bekannte von Rowling, Caroline Farrow. Sie ist Campaign Director von CitizenGO, einer rechtskonservativen Organisation, die sich ebenfalls gegen Abtreibung und für Rekriminalisierung von Homosexualität einsetzt. Auch lobt Rowling einen Film von Matt Walsh, selbstbezeichnenden theokratischen Faschisten[2]. Es gibt noch weitere Beispiele, doch das sollte genügen, um darzustellen, wie Rowlings Verteidigung des biologischen Geschlechts in der Realität ein Angriff auf das Existenzrecht von trans* Personen und der generellen queeren und feministischen Bewegung ist. Es ging schon immer darum, trans* Personen die Möglichkeit auf ein freies Leben zu verneinen. In Rowlings Augen sind sie ein gesellschaftliches Geschwür, das herausgeschnitten werden muss. In ihrer Welt gibt es keinen Platz für trans* Personen. So auch in der Welt, die sie geschrieben hat: Harry Potter. Während trans* Personen keine Nennung in der Jugendbuchreihe finden, so gibt es doch eine auffallende Person, Rita Kimmkorn (Rita Skeeter). Sie wird gleichermaßen als übermäßig feminin und abstoßend beschrieben. Ihre Hände seien „maskulin“ und „groß“, ihre roten Fingernägel wie „Klauen“. Hinzuzufügen ist, dass sie sich in einen Käfer verwandelt und somit für ihr Tagespresse-Blatt Kinder ausspioniert, sich entsprechend in Räume bewegt, die ihr nicht geöffnet sein sollten. Im Videospiel Hogwarts Legacys arbeitete auch der ehemalige Lead-Designer Troy Leavitt mit – bis er im Frühjahr 2022 kündigte. Auf seinem misogynen Youtube-Kanal (die Videos sind alle noch online) hat auch er etwas zu trans* Personen zu sagen: es gäbe einen sehr kleinen Teil in der Bevölkerung, der unter „gender dysphoria“ leide, die biologisierte Ursache fürs Trans*sein. Außerdem sei die „social construction theory of gender […] largely garbage and […] is not backed up by evidence” (zu dt.: “[die] soziale-konstruktions-Theorie von Geschlecht ist größtenteils Müll, der nicht zu beweisen ist“). Immerhin sei Trans*geschlechtlichkeit nach Leavitt keine psychische Krankheit, wenn er auch zugleich mit einem Halblächeln aussagt, dass „the PR team probably doesn’t want me provoking any controversy“ (zu dt.: „das PR-Team möchte wahrscheinlich nicht, dass ich eine Kontroverse provoziere“). Wie auch bei (antisemitischem) Rassismus und Sklaverei ist die Biologisierung im Umgang mit trans* Personen deutlich. Was, wenn dieser kleine Prozentsatz in der Bevölkerung größer wird, da strikte Genderbarrieren verstärkt dekonstruiert werden und sich Menschen freier in ihrer Geschlechtsidentität identifizieren können? Das Körper-Dysphorie-Argument, welches *geschlechtliche auf eine körperliche Anomalie reduziert, funktioniert nur so lange, wie trans* Personen geringfügig im öffentlichen Leben vertreten sind. Es ist keine offene Hand von Konservativen, sondern eine mit einem Dolch darin, jederzeit bereit es der Minderheit in den Rücken zu rammen.

Hier sei noch einmal klargestellt, dass sich trans* Personen derzeit unfreiwillig, allein durch ihre Existenz, im Kreuzfeuer der Öffentlichkeit befinden. Reaktionäre, konservative, christliche, faschistische und queerphobe Kräfte haben in ihnen ein gemeinsames Feindbild gefunden.

Death of the author

„Man muss Werk und Autor trennen“, ist eine beliebte Erwiderung auf die Benennung von trans*Feindlichkeit (und (antisemitischem) Rassismus) im Harry-Potter-Universum. Bezogen wird sich hierbei indirekt auf Roland Barthes Essay ‚Le morte de l’auteur‘, der Tod des Autors. Die Kernaussage sei, dass Werk und Autor zwei verschiedene Untersuchungsgegenstände wären und dass man diese nicht vermischen könnte. Ist JK Rowling etwa trans*feindlich, sagt das nur wenig über ihr Werk aus. Interpretatoren, die so argumentieren, scheinen nicht viel weiter als bis zum Titel gekommen zu sein. Tatsächlich lässt sich mit Harry Potter der wirkliche Inhalt des Essays gut erklären: häufig zitiert für den Antisemitismus der Buchreihe, wird die Verfilmung. Hier führt eine Kamerafahrt durch die Goblin/Kobold-Bank und zeigt dabei einen auf dem Boden eingelassenen Stern. Der Drehort ist die australische Botschaft in London, der Stern im Gebäude steht für die 6 australischen Bundesstaaten, kann jedoch im Kontext des Films als Davidstern interpretiert werden. Zugleich lässt sich überlegen, ob diese Ästhetik nicht auch intuitiv zur Wahl des Drehorts beigetragen hat, oder auch weswegen dieser nicht retuschiert worden ist. Hierbei ist die Intention der Autorin irrelevant, es beweist jedoch, dass der antisemitische Stereotyp, den sie reproduziert, auch intuitiv als solcher wahrgenommen wird. Ob JK Rowling Antisemitin ist oder nicht, lässt sich durch die Bücher nicht herausfinden. Doch dass sie innerhalb einer antisemitischen Kultur entstanden sind, die diese Kobold-Darstellung sofort mit jüdischen Stereotypen verbindet, geschieht strukturell. Vielleicht ging es JK Rowling nicht darum, eine trans*feindliche Karikatur in Form der Journalistin Rita Kimmhorn zu erstellen, doch ihre Vorstellung einer bösartigen, maskulinen, grotesk-femininen Frau, die sich in Kinder-exklusive Räume Eintritt verschafft, ist wiederum eine trans*feindliche und misogyne Karikatur. Texte (und Filme usw.) können Inhalte verkörpern, auch ohne, dass es die Intention des/der Autor*in ist. Dies ist die eigentliche Bedeutung von Roland Barthes Essays, der Tod des Autors, verbunden mit der Geburt des Lesers. Harry Potter, das Werk, ist antisemitisch, rassistisch und sexistisch.

Halten wir also fest, dass das Harry-Potter-Franchise affirmativ gegenüber der Biologisierung von Unterdrückung ist. Dobby, der Hauself, sei etwa einfach ein merkwürdiger Hauself, da er seine Versklavung erkennt und problematisiert. Die vielen fantastischen Wesen – von Goblins/Kobolden, über Halbriesen, Zentauren usw. – werden strukturell unterdrückt und sind der Gnade ihrer Herren, den Zauberern ausgeliefert, ohne dass es hierbei eine befreiende Auflösung oder auch nur eine Aussicht darauf gibt. Rassismus, dabei auch Antisemitismus, fanden schon immer „natürliche“ Rechtfertigungen. Unterdrückung, Verfolgung und systematische Ermordung findet den gemeinsamen Nenner in Erklärungen für ein Dasein, das etwa genetisch oder kognitiv verklärt wird. Wer trans* Personen sexuelle Perversionen oder pseudowissenschaftliche Belege einer körperlichen Anomalie zuweist, ist bereits dabei Schädel zu vermessen.

Harry Potter kann einst eine Welt gewesen sei, in der es im Wesentlichen ums Aufwachsen zum jungen Erwachsenen und niedliche Fantasy-Kreaturen ging. Doch auch vor der Einverleibung durch Rechte, war es schon immer eine Welt gewesen die antisemitische Stereotype reproduziert und Sklaverei romantisiert hat. Die „schöne alte Zeit“, die „heile Welt“ hat es nie gegeben, weder in der Realität noch bei Harry-Potter. Die Welt von Harry Potter ist gestorben. Sie wurde ersetzt von der radikalen Rechten, die sich aus den implizierten Machtansprüchen der Harry-Potter-Welt für ihre Übernahme entschieden hat, denn sie hatten schon immer ideologische Gemeinsamkeiten. Innerhalb ihrer Foren sprechen sie offen aus, was Hogwarts Legacy für sie bedeutet. Ein unzensierter Auszug [Achtung: massive trans*Feindlichkeit und trans*explizite Beleidigungen; Antisemitismus]

„I’m not interested in Harry Potter but I´ll definitely buy this to support JK Rowling´s campaign of genocide against the LGBTQNWA-community. Hopefully if it´s successful enough we can bump the tranny suicide attempt  rate up from its mediocre 41% to a more respectable 43 or 44.”


(zu dt.: “Mir ist Harry Potter egal, aber ich werde es auf jeden Fall kaufen um JK Rowlings Kampagne für den Genozid der LGBTQNWA-Gemeinschaft zu unterstützen. Hoffentlich wird es erfolgreich genug sein, dass wir die Transen Suizid-Versuchrate von einer mittemäßigen 41% zu einer respektableren 43 oder 44 erhöhen können.“)

“It’s the torture curse for me. Those long nosed little goblins need to suffer first. Hopefully there is an option to heard them into camps with mud bloods, half giants and other undesirables.”


(zu dt.: “Der Folterfluch ist das Beste. Diese langnasigen kleinen Kobolde müssen zuerst leiden. Hoffentlich gibt es eine Option sie in Lager zu konzentrieren, mit Schlammblütern, Halbriesen und andere Ungeliebten.“)

“Playing the game to own the trannys”


(zu dt.: „Das Spiel spielen um es den Transen zu zeigen“)

“So, can we recreate the Holocaust or no?”


(zu dt.: “Also können wir jetzt den Holocaust rekreieren oder nicht?“)

“Every kid I know is going to getting a copy of this game courtesy of me. Hopefull they will all end up being rabit harry potter fans if they aren´t already. It just makes my soul smile. Every time a copy sells, another tranny joins the 41%!”


(zu dt.: „Jedes Kind dass ich kenne wird von mir eine Kopie vom Spiel bekommen. Hoffentlich werden sie alle begeisterte Harry Potter Fans, wenn sie es nicht eh schon sind. Lässt einfach meine Seele lächeln. Jedesmal wenn eine Kopie [vom Spiel] verkauft wird, tritt eine weitere Transe den 41% bei!“)

Sicherlich kann man die Augen verschließen und sich davon überzeugen, dass man das Spiel und das Franchise unberührt vom Diskurs darum behandelt. Jene, die offen für den Genozid von trans* Personen und Juden einstehen, haben sich jedoch bereits entschieden. Harry Potter ist ein Zeichen für diese Menschen, und anders als bei starrsinnigen Potter-Heads, wissen sie ganz genau, was sie daraus ziehen können. Harry Potter bildet für sie ein Rabbit-Hole, ein Kaninchenloch, mit dem sie Fans der Harry-Potter-Welt radikalisieren können, in eine andere Welt hinein. Eine, in der Juden und trans* Personen vollkommen vernichtet, Minderheiten versklavt, und sie selbst ihren weißen Herrschaftsanspruch wiederherstellen werden.

Es geht nicht darum, ob jemand „gut“ oder „schlecht“ ist, wenn dieses Spiel gekauft wird. Doch weiß man um das, was Harry Potter als Chiffre bedeutet, sollte man sich gut überlegen, was die Bedeutung dieser Entscheidung ist. In Hinsicht darauf, wie viele Videos und Artikel täglich produziert werden, die trans* Personen Autoritarismus vorwerfen, weil sie das Harry-Potter-Franchise als das bezeichnen, was es ist, scheint die trans* feindliche Neue Rechte sehr erfolgreich in ihrer Hetzkampagne zu sein. Geht es wirklich zu weit, ein Problem damit zu haben, dass sich Freunde und Bekannte mit Liebe auf ein Symbol stürzen, das für einen selbst den Tod fordert?

Zurecht lässt sich nun ausrufen, dass man Harry Potter nicht den Rechten überlassen sollte. Dass man das Franchise retten kann, indem man die problematisierten Inhalte entfernt oder neu kontextualisiert. Womöglich könnte das funktionieren, doch dies ist ein Vorhaben, welches völlige Unterstützung zu trans* Personen fordert. Angefangen damit, jene biologisierenden und verharmlosenden Inhalte aus Harry Potter auszuschließen. Hogwarts Legacy zu konsumieren und schulterzuckend zu sagen, dass man selbst ja kein Problem mit Juden oder trans*Personen hat, ist keine Unterstützung, sondern nimmt sich selbst aus einer Debatte heraus, von der man doch ein Teil ist. Hinterher lässt sich immer leicht sagen „Wir wussten nichts davon“, und jedes Mal weiß man, dass das eine Lüge ist. Wem es ernst darum ist, die Welt von Harry Potter zu retten, muss entsprechend auf die Anfeindungen eingehen und diese umkehren, indem man die Welt nicht nur inklusiv, sondern eindeutig und affirmativ trans*freundlich gestaltet.

Oft wird im Hinblick auf den Nationalsozialismus und den Antisemitismus die Frage gestellt: „wie konnte das nur passieren? Wie war es möglich, dass so viele den Antisemitismus der Nazis hinnahmen oder unterstützen oder gar ausführten?“. Die Antwort auf diese Fragen ist vielfältig, aber ein sehr bedeutender Teil davon war eine kulturelle Normalisierung, die oft schleichend stattfand. Viele Deutsche empfanden antisemitische Rhetorik und antisemitische Vorurteile als normal, waren sie doch seit dem Ersten Weltkrieg und spätestens seit 1933 ein immer tieferer Teil der Alltagskultur. Kulturelle Produkte normalisierten die politische Agenda der Ausgrenzung und Vernichtung – manche mehr und manche weniger, manche indirekter als andere. Aber der Weg hin zu einer Politik der aktiven Ausgrenzung und Diskriminierung lief nicht nur über offen und laut-schreiende Nazi-Propaganda, sondern auch über eine Durchsetzung des Diskurses mit einer normalisierten, oft weniger offensichtlichen Form der Grundlagen dieser Diskriminierung. „Dog whistles“ in Form von Darstellungen einer gefährlichen und kontrollierenden Elite, einem Stadt-Land Gegensatz und einer Normalisierung davon, Menschen in „gute“ und „schlechte“ oder „nützliche“ und „unnütze“ Gruppen einzuteilen, schufen die Grundlage für spätere, radikalisierte Politik und deren Hinnahme bzw. Unterstützung durch breite Schichten der Bevölkerung.

Kulturproduktion hilft Wirklichkeiten zu schaffen. Deswegen ist es umso bedeutender Produkte dieser kulturellen Produktion auf ihren Inhalt betreffend der Normalisierung diskriminierenden Denkens zu überprüfen. All dies ist kein Geheimnis. Auch, dass die Alt-Right und andere Rechte diese Herrschaftstechnik erkannt haben und extensiv nutzen, ist spätestens seit Gamer Gate und der entsprechenden Literatur dazu kein Geheimnis mehr. trans*Personen sind in Gefahr. Sie sind betroffen von einer Kampagne, die versucht, sie zu delegitimieren, sie zu diskriminieren und letztendlich ihre Existenz so wie sie sie wollen, zu verunmöglichen. Hogwarts Legacy mag nicht voll dafür agitieren, aber es ist ein Objekt des rechten Kulturkampfes, genau diese Agenda durchzusetzen. In Harry Potter Legacy soll es auch trans* Personen geben. Zugleich ist jede Welt, die biologisiert vom Ansatz her trans*feindlich und in einem grundsätzlichen Einklang mit einem faschistischen Weltbild. Per Design ist Hogwarts Legacy kein trans* freundlicher Raum. Man kann nicht einfach ein „trans*“-Zertifikat auf seine Medien raufkleben und hoffen, dass das ausreicht. Der Vorwurf ist nicht, dass Produkte von JK Rowlings Welt konsumiert werden, sondern das man implizit mit den Inhalten dieser Welt zustimmt.

Wer „nie wieder“ und „wehret den Anfängen“ ernst meint, sollte sich bewusst sein, dass es bei trans*Feindlichkeit nicht nur um grobe Beleidigungen, sondern um eine totale Vernichtung geht. Juden können nicht auf Augenhöhe existieren, wo ein christlich-weißer Überlegenheitsanspruch vorherrscht. Ethnische Minderheiten können in dieser Weltansicht lediglich als Sklavendasein dienen. Trans*Personen fordern allein mit ihrer Identität die strikten Regeln des Patriarchats heraus, und dieses wusste sich schon immer mit Klauen und Zähnen zu verteidigen. Zeit, es niederzustrecken. Es muss sterben, damit wir leben können.

Vielen Dank an die freundliche Unterstützung der „LGBTQIA*Students“-Gruppe der Humboldt-Universität zu Berlin!

Den Gastartikel schrieb Natalia Burkowski ein Interview zum Thema findest du hier: https://linkswende.org/interview-nathalie-burkowski-rechtsradikale-koennen-hogwarts-legacy-fuer-ihre-agenda-nutzen/

Weiterführende Literatur:

(Hrsg) Alegre, Sara Martín (2004): Charming and Bewitching: Considering the Harry Potter Series.

Barthes, Roland (1977): The death of the author.

Butler, Judith (1995): Gender trouble.

Jaso, Iker Arangay (2017/2018): Slavery in the Harry Potter Series.

Sali, Sarah (2006): On Judith Butler and Performativity.


[1] Jaso, Iker Anrangay(2017): Slavery in the Harry Potter Series. S. 18.

[2] Shaun (Dezember 2022): JK Rowling´s new friends. Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=Ou_xvXJJk7k&t=1227s.