In und um das Wahlkampfprogramm der FPÖ

Am 21. August hat die FPÖ ihr Programm für die Nationalratswahl präsentiert. Sowohl Kickl, der zu Beginn einen Überblick über das Programm gab, als auch der Inhalt selbst schlagen dabei rassistische und minderheitenfeindliche Töne an.
23. September 2024 |

1 . Migration

Die Verachtung für Geflüchtete zieht sich dabei sowohl durch die Präsentation als auch durch das Programm. Von „Eindringlingen die uns schädigen wollen“ ist da beispielsweise die Rede:

Wir sind da, für Einheimische, und die die gute Einheimische geworden sind. Die fleißig sind und tüchtig und rechtschaffen und die ihre neue Heimat lieben und die man ja nicht, ja nicht, mit Eindringlingen die uns schädigen wollen, die unsere Sicherheit gefährden und unseren Wohlstand, die man ja nicht mit diesen Eindringlingen in einen Topf werfen darf. Und dazu bekenne ich mich.

(Präsentation, Min. 06:30)

Hass und Rassismus werden umgedeutet zu Solidarität:

Solidarität bedeutet aber auch das klare Bekenntnis, sich nicht ausnutzen zu lassen, und nicht die Falschen zu unterstützen und die Falschen zu schützen, die diese Familie Österreich in Wahrheit verachten oder die glauben, ohne einen eigenen Beitrag auf Kosten anderer sich da irgendwie durchschwindeln zu können. Auf Kosten Anderer leben zu können, obwohl sie sich selbst sehr gut erhalten können. Das sind die Feinde der Solidarität, die wir nicht unterstützen wollen.

(Präsentation, Min. 13:50)

Eine klare Referenz zu der, von der FPÖ und der ÖVP angeheizten Debatte um eine Flüchtlingsfamilie in Wien, die mit neun Kindern auf 60 Quadratmetern mit ca 4500 Euro auskommen muss. Dass 409 Euro pro Person pro Monat vor Miete, Heizung und Strom alles Andere als ein Spaziergang im Paradies ist, scheint hier niemanden zu interessieren.

Kickl hatte wohl Sorge, dass die neu definierte Solidarität von fehlgeleiteten Blauen falsch verstanden werden könnte. Nein, nur rechte Österreicher sind „Familie“:

Diese Solidarität, das ist das große Herz der freiheitlichen Familie Österreich, und dieses große Herz schlägt in allererster Linie für ihre eigenen Familienmitglieder und dann für alle anderen.

(Präsentation, Min. 13:35)

2 . „Homogenität”

Wer zu dieser „freiheitlichen Familie Österreich“ zählt wird nach diesen vier Sätzen langsam klar. Aber es wäre nicht die FPÖ, wenn man es bei einem Feindbild belassen würde.

Und die Schule ist auch nicht, in unserem freiheitlichen Österreich, in dieser Festung Freiheit, ein Ort für ideologische Experimente. Nein, überhaupt nicht, und deshalb schützen wir unsere Kinder vor Drag Queens in der Schule und im Kindergarten, vor Geschlechterverwirrung und vor dieser Frühsexualisierung. Dazu wollen wir zum Beispiel eine Verfassungsbestimmung analog zu einer Entscheidung wie sie der italienische Verfassungsgerichtshof getroffen hat, die lautet: Es gibt nur zwei Geschlechter.

(Präsentation, Min. 18:00)

In diesem Kontext spricht das Wahlprogramm von „Homogenität“ und „permanente[r] Transgendergehirnwäsche“, und fordert eine Meldestelle für zu modernes Lehrpersonal, wie OE1 im Morgenjournal vom 10.09.2024 berichtet:

Beispiel Homogenität: Der Begriff, den der umstrittene rechte Denker Carl Schmitt geprägt hat und der in Verfassungsschutzberichten in Österreich und Deutschland als ein Merkmal für rechtsextreme Ideologie genannt wird, der ist für Herbert Kickl eine der Säulen des FPÖ-Wahlprogramms. Die Homogenität des Volkes werde von Außen durch die Asylpraxis- und entscheidungen, etwa des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, und von Innen durch die „permanente Transgendergehirnwäsche“ bedroht. Es geht also gegen die queere Community. Vor diesem Hintergrund soll für Leher und Lehrerinnen, die politisch nicht genehm sind, eine Meldestelle eingerichtet werden, die auch Sanktionen Erlassen kann. Den Islamismus will die FPÖ durch ein Verbotsgesetz bekämpfen, das das NS-Verbotsgesetz relativiert. Kickl spricht von einer „Parallelverschiebung“. Asylwerber sollen keine medizinische und pflegerische Versorgung mehr bekommen, ausgenommen Elementarversorgung und Schwangere.

Das Bild, das die „Transgendergehinrwäsche” im Programm einleitet, findet sich übrigens auf einer Stock-Image-Seite, auf der es als KI-Generiert ausgewiesen ist (https://stock.adobe.com/nl/images/drag-queen-reading-a-book-to-several-young-children-in-a-bookstore/582188878).

3 . Recht, Ordnung und Sicherheit

Dass die FPÖ ein immer autokratischeres Bild des Staates vertritt, zeigt auch ein Sager, den Kickl bei der Präsentation nochmals wiederholt, nachdem er vor Jahren schon einmal einen Aufschrei verursacht hatte:

Also: Das Recht geht vom Volk aus und nicht von irgendwelchen übergeordneten Institutionen namens EU, WHO, von internationalen Gerichtshöfen oder sonst irgendjemandem.

(Präsentation, Min. 11:35)

Ob jetzt das Recht der Politik oder dem Volk, und wem das Volk zu folgen hat, bleibt Wählern verborgen. Auch der Plan, wie sie die Demokratie ihren Vorstellungen entsprechend umbauen wollen, um ihre menschenverachtenden Ziele wie den „Asylstopp” umzusetzen findet sich im Programm. OE1 fasst zusammen:

Beispiel Verfassungsänderungen: Die Freiheitlichen wollen eine sogenannte Volksinitiative einführen. „Die Gesetzgebung soll unabhängig vom Willen des Nationalrates möglich sein.“ Soll heißen: Wenn vier Prozent der Stimmberechtigten Bürger, also rund 250.000 Personen, ein Anliegen per Unterschrift unterstützt haben, soll eine verpflichtende Volksabstimmung folgen. Ebenso viele Bürger sollen die Absetzung der Regierung verlangen können. Was beides heißt, die repräsentative Demokratie mit ihren gewählten Vertretern und Vertreterinnen, der kompromissorientierten Entscheidungsfindung im Nationalrat und der Schutz von Minderheiten würden geschwächt, wenn nicht sogar ausgehebelt. Verfassungsrechtler sehen darin sogar eine Gesamtänderung der Verfassung, die ohne Zweidrittel-Mehrheit und Volksabstimmung nicht möglich wäre.

Faschistische Parteien zeichnen sich durch eine Doppelstrategie aus: Eine sich als demokratisch tarnende Partei und ihr gewaltbereiter Straßenflügel, die scheinbar unabhängig agieren, einander in Wahrheit aber ergänzen. Ein Flügel schüchtert die Gegner und Opfer ein, der andere Flügel erobert die demokratischen Instanzen mit deren eigenen Mitteln. Immer wieder wird gewarnt, dass die Identitäre Bewegung ein solcher Straßenflügel ist oder werden könnte. Kickl aber scheint, wie er es schon als Innenminister gezeigt hat, ähnlich wie Adolf Hitler, die Polizei zu idealisieren und möchte diese scheinbar zur Dame auf dem politischen Schachbrett aufwerten. Dabei gelingt es ihm allerdings, ebenfalls durch eine ideologische und personelle Unterwanderung der Polizei, die Schwäche des faschistischen Straßenflügels auszugleichen. Die Botschaft ist einfach: Wenn wir regieren, werden die Zügel für gewaltbereite Polizisten gelockert und Gewalt wird gedeckt. Dass er sich innerhalb der kurzen Passage selbst widerspricht, stört die Anwesenden bei der Präsentation offensichtlich nicht.

Wir brauchen eine Polizei, die nicht politisch missbraucht wird. Stichwort Corona, das sage ich auch in aller Deutlichkeit. Und wir brauchen eine Polizei, die sich nicht vernadern lassen muss, Stichwort Beschwerdestelle unter NGO-Beteiligung. Da braucht es etwas ganz anderes. Da braucht es eine Rückendeckung von ganz Oben im politischen System. Da braucht es eine Rückendeckung vom Regierungschef und vom zuständigen Minister für diejenigen, die da tatsächlich an der Front stehen bei den Bandenkriegen und bei all diesen Dingen, die inzwischen eingerissen sind. Eine Wertschätzung für diejenigen, die da den Kopf hinhalten, ihre Gesundheit und ihr Leben riskieren. Das ist ein ganz ganz anderer Zugang, als sich da irgendwo, hinter irgendwelchen, weiß ich nicht, Ombudsstellen, etc zu verschanzen.

(Präsentation, Min. 29:30)

Im selben Atemzug spricht er auch das Lieblingsthema der Identitären Bewegung an: Massendeportationen und offener Rassenkrieg.

Wir brauchen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit des Sozialstaates und der kulturellen Identität auch Remigration. Ja, das brauchen wir. Keine Asylanträge in Österreich, wir sind von sicheren Ländern umgeben. Wer die Völkerwanderung stoppt, der stoppt damit auch den Import des Islamismus. (Präsentation, Min. 30:30) […] Und diese Entwicklung kann man beschleunigen, in dem man Aufenthaltstitel für Asylanten oder sonstige Schutzberechtigte aus solchen Ländern wie Syrien und Afghanistan [in denen kein Krieg mehr herrscht], dann pauschal außer Kraft setzen kann. Dass man nicht mehr dieses ganz komplizierte Einzelverfahren haben, sondern wenn es in einem Land sicher ist, dann ist es pauschal für alle dort sicher.

(Präsentation, Min. 31:30)

4 . Fazit

Im Programm gibt es noch mehr Bürger- und Menschenverachtendes, faschistisches Gedankengut, aber schon diese Auszüge zeigen ein Bild der FPÖ als Partei, die gezielt auf Minderheiten und Schwache tritt, gegen sie hetzt und dabei ganz offen ihre Fantasien von einem autokratischen Staat nach ungarischem Vorbild in die Welt schreit. Zudem treibt sie ihre jahrelange Umdeutungsarbeit von Begriffen wie rechtsextrem, antifaschistisch, antisemitisch und Solidarität auf neue Höhen und beeinflusst so jede politische Debatte und das gesellschaftliche Gesprächsklima.

Oft wird die FPÖ aus „Hass gegen das System“ oder Frustration und Angst gewählt. Aber selbst der größte Hass, die stärkste Frustration und die tiefste Angst sollte nicht dazu führen, dass man einer Partei an die Macht hilft, die ganz offen einen autoritären Staat aufbauen will.

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„Nie wieder“ steht jetzt am Prüfstand!