IST Afrika Statement zur Situation in Kenia

Internationale Sozialisten in Afrika begrüßen den Geist des öffentlichen Widerstandes der durch junge Kenianer:innen mit Leben erfüllt wurde, die wieder – trotz massiver Repression des kenianischen Staates unter Präsident Ruto – in großen Zahlen auf die Straßen gehen.
24. Juli 2025 |

Übersetzt von Echo Vinasha Lex

Freitag, 11. Juli 2025

  1. Internationale Sozialisten in Afrika begrüßen den Geist des öffentlichen Widerstandes der durch junge Kenianer:innen mit Leben erfüllt wurde, die wieder – trotz massiver Repression des kenianischen Staates unter Präsident Ruto – in großen Zahlen auf die Straßen gehen. Dieser Widerstand ist ein Leuchtfeuer in einer durch kapitalistische Krisen und sich ausbreitenden Revolten gezeichneten Ära. Er schreit nach Solidarität und Einigkeit im Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus in Afrika, Palästina und weltweit. Wieder einmal weisen wir die Welt darauf hin, dass kenianische Sicherheitskräfte im Juni über 16 Protestierende und am 7. Juli – im Zuge der „Saba Saba“-Proteste – weitere 31 Menschen getötet haben. Über 100 Menschen wurden verletzt und 532 verhaftet. Sicherheitskräfte verschleppen unschuldige Protestierende. Währenddessen hält Präsident Ruto an seiner rhetorischen Strategie fest, die Proteste zu dämonisieren und weist die Polizei an „auf ihre Beine zu schießen, damit sie brechen“. Das ist absolut unannehmbar. Das Recht zu protestieren muss respektiert und diese schrecklichen Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Ruto muss gehen!
  2. Die Bewegung auf den Straßen Kenias baut auf die historischen Proteste von letztem Jahr auf, bei denen tausende Jugendliche gegen ein neues Finanzgesetz auf die Straßen gingen. Diese fanden im Kontext massiver Arbeitskämpfe (wie jener der kenianischen Mediziner:innen, Pharmakolog:innen und Zahnärztinnen (KMPDU) und der Antiprivatisierungsstreiks der Luftfahrtangestellten) statt. Auch Bauern in ländlichen Regionen bekämpften Land-stehlende Kartelle und den Würgegriff um Samen und Dünger, dem sie ausgesetzt sind. Arme Arbeiter:innen in ländlichen Gegenden, insbesondere Frauen, waren ebenfalls in der Revolte vertreten. In diesem Kontext präsentierte Präsident Ruto ein Gesetz, das die Steuerlast für Arme erhöht hätte und einen Angriff auf Arbeitende, Frauen und die Jugend darstellt. Das rief eine Massenmobilisierung mit Demonstrationen in ganz Kenia hervor, die am 25. Juni 2024 ihren Höhepunkt erreicht hat, als Jugendliche das Parlament in Nairobi stürmten und besetzten.
  3. Die Antwort des Staates darauf war die brutale Gewalt, wie wir sie in den letzten Wochen gesehen haben. Den Kenya Defence Forces (Kenianische Verteidigungskräfte) wurde befohlen, die Massenbewegung niederzuschlagen. Präsident Ruto erklärte die Bewegung als „hochverräterisch“ und prahlte damit, sie zu zerschlagen. Das hat die Bewegung aber nicht aufhalten können. Über die Forderung das Steuergesetz zurückzuziehen hinaus, verlangte die Bewegung den Rücktritt Rutos. Die Regierung zog daraufhin das Gesetz zurück; die damit verbundenen Austeritätsmaßnahmen blieben aber. Die Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend verschlimmerten sich, während die Mächtigen ihren illegitim angehäuften Reichtum protzend zur Schau stellten. Jene, die sich trauen das auszusprechen, laufen Gefahr getötet zu werden. Das hat die außergerichtliche Tötung des Bloggers Albert Ojwang letzten Monat gezeigt, der starb, als er sich in Polizeigewalt befand.
  4. Diese Situation hat den Boden für die derzeitige Welle an Protesten bereitet. Sie begann nach der Tötung von Ojwang, am ersten Jahrestag der Anti-Steuergesetz Proteste – symbolisch am 25. Juni, jenem Tag der Parlamentserstürmung. Kenianer:innen, insbesondere der Gen Z Angehörige erinnern sich daran, dass Herr Ruto im Präsidialwahlkampf versprochen hatte, Maßnahmen zu ergreifen, die den arbeitenden, armen und jungen Menschen ein besseres Leben bescheren sollten. Seine Regierung hat sich aber nur um die wenigen Reichen und die imperialistischen Interessen gekümmert, denen die kenianische herrschende Klasse als regionaler Wachhund dient. Die Leben der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend befinden sich in einem miserablen Niedergang. Staatliche Ausgaben für Soziales wurden gekürzt, Reallöhne sind gefallen. Das Leben der Mehrheitsbevölkerung ist zunehmend brutal und elend geworden. Die Jugend hat in der Praxis gelernt, dass sich nichts ändern wird, außer Massenaktionen ändern die Situation selbst. Ihr Selbstvertrauen ist inspirierend und sie werden nicht einfach aufgeben. Es gibt Versuche von Fraktionen der herrschenden Klasse, die Bewegung mit Hinblick auf die Wahlen 2027 zu vereinnahmen, die sich um Vizepräsident Rigathi Gashagua formieren. Die Jugend kann kein Vertrauen in jedweden Teil der herrschenden Klasse legen. Vor den großen Protesten 2024 gab es 2023 kleinere Proteste gegen eine vorhergehende Steuergesetzgebung, die von Ralia Odinga (von der Offiziellen kapitalistischen Opposition) angeführt wurden. 2024 ist er Teil von Rutos Repression der Massenbewegung.
  5. Das Leid, das die arbeitenden Menschen und die Jugend Kenias durchmachen, sowie das sich intensivierende Klima des Widerstandes sind in ganz Afrika und auch weltweit spürbar. In den letzten fünf Jahren hat sich die Jugend gegen ökonomische Not, politische Unterdrückung und polizeiliche Repression gestellt. Das Geheimnis unserer ökonomischen Not liegt im Reichtum der Kapitalisten und ihrer Konzerne. Es herrscht eine in der Menschheitsgeschichte nie dagewesene soziale Ungerechtigkeit. Der Reichtum einiger Weniger wäre genug um Armut zu beenden. Aber trotz der Illusionen, die philanthropische Stiftungen und ihre Apologeten säen, werden die Wohlhabenden ihren Reichtum niemals aufgeben. Der Kern des Problems findet sich in der Natur des Kapitalismus: größtmögliche Ausbeutung der Arbeiter:innenklasse und die Priorisierung von Profiten über das Leben von Menschen oder die Gesundheit des Planeten.
  6. Kapitalismus ist ein globales System, dem Imperialismus in die DNA geschrieben ist. Afrika ist seit jeher ein Spielplatz für konfliktierende imperialistische Interessen. Regierungen in Afrika, wie jene von Ruto in Kenia, fühlen sich den internationalen Finanzinstituten wie der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und deren Politik verpflichtet. Deregulierung, Privatisierung, Liberalisierung – alles davon dient dem Ziel, Arbeit und Land noch effizienter auszubeuten und Kapital zu vermehren. Der kenianischen Jugend war es klar, dass das Steuergesetz Rutos aus der Feder des IWF stammt. Die USA designieren Kenia als speziellen Nicht-NATO Verbündeten – der kenianische Staat ist damit der primäre Wachhund westlich-imperialistischer Interessen in Ost- und Zentralafrika. Er ist ein Bollwerk gegen die, sich über ganz Afrika ausbreitenden, chinesischen und russischen Imperialismen. Währenddessen sind die Kapitalisten unserer Länder direkt an diese imperialistischen Interessen angeschlossen – sie profitieren vom Imperialismus und den Ausbeutungschancen, die dieser mit sich bringt. Unser Kampf, der Kampf der kenianischen Arbeiter:innen und Jugend, der Kampf der afrikanischen Arbeiter:innen und Jugend, armer Bauern und aller Ausgebeuteten und Unterdrückten muss gegen alle Formen des Imperialismus und des Kapitalismus geführt werden, wenn wir die Ausbeutung beenden und Freiheit gewinnen wollen. Befreiung kann, wie uns die kenianische Jugend zeigt, nur von uns selbst erkämpft werden: durch Streiks, Massenproteste, Rebellionen, wirklich basisdemokratische Macht und Revolution. Dafür brauchen wir komplette politische Unabhängigkeit von allen Teilen der herrschenden Klasse aus Millionären, Milliardären, traditionellen Politiker:innen und Armeegenerälen.
  7. Als Internationale Sozialisten aus revolutionär sozialistischen Gruppen in Afrika unterstützen wir die Arbeiter:innen und Jugend in Kenia und ihren resilienten Widerstand gegen Repression. Wir fordern:
  • Einheit der massen-zivilgesellschaftlichen politischen und sozioökonomischen Organisationen: Studenten, Gewerkschaften, soziale Gerechtigkeitszentren, Zivilgesellschaftlichen Vereinen und Vereinigungen, Bauern und der Frauenbewegung, die mit geeinter Stimme hinter den Protesten stehen und den Sieg gegen die Klasse der Ausbeuter und Unterdrücker davontragen werden, die Ruto repräsentiert.
  • Gerechtigkeit für die Protestierenden: Der Staat muss volle Verantwortung für alle Getöteten übernehmen – das inkludiert Kompensation für deren Familien – und er muss alle Protestierenden, die durch die Sicherheitskräfte festgehalten werden, freilassen.
  • Unterstützung der protestierenden Jugend durch die organisierte Arbeiter:innenschaft: Wir drängen die Gewerkschaften Kenias die Proteste vollumfänglich zu unterstützen: Das Erklären eines unbegrenzten Generalstreiks, bis die Forderungen der Bewegung erfüllt sind, würde eine immense Kraft gegen den der Bevölkerung feindlichen kenianischen Staat darstellen.
  • Ruto muss gehen – ersetzt durch eine interimistische Regierung bestehend aus Arbeiter:innen und der Jugend: Die sofortige Amtsniederlegung und Abdankung von Herrn Ruto; die Bildung einer interimistischen Regierung aus Arbeiter:innen und der Jugend durch die revolutionäre Jugend und gewöhnliche Arbeiter:innen in Kenia.
  • Intensivierung des Kampfes und der Solidarität: Arbeiter:innenklasse und Jugend-Solidarität für den Kampf, der in Kenia geführt wird, sowie das Anfachen der revolutionären Glut des antikapitalistischen Kampfes gegen Imperialismus, für unsere Selbstbefreiung als die Ausgebeuteten und Unterdrückten der Welt.

Herausgegeben am: 11. Juli 2025