Jugendliche befreiten den Burggarten

Wer in Wien lebt, kennt wahrscheinlich den Burggarten und ist im Sommer schon einmal in der Wiese gesessen. Dass wir heute auf den Rasenflächen sitzen dürfen, verdanken wir einer politischen Bewegung, die Ende der 70er-Jahre die Wiese besetzt hielt und der Polizeigewalt trotzte.
28. März 2017 |

Der Burggarten war Ende der 70er-Jahre ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche aus allen Subkulturen. Das Betreten und Herumlungern auf öffentlichen Rasenflächen war damals per Gesetz verboten und wurde von der Polizei gnadenlos exekutiert; es kam immer wieder zu Anzeigen. Außerdem wurde der Rasen durchgehend gewässert, um das Sitzen darin möglichst unangenehm zu machen.

Gegen diese Politik kam es zu Widerstand, der im Frühling des Jahres 1979 eskalierte. Spontandemonstrationen wurden abgehalten, und der Burggarten wurde jeden Samstag erneut besetzt. Anfangs versuchte die Politik noch, ähnlich wie bei der Arena- oder der Amerlinghaus-Besetzung, „Kompromisse“ mit den Jugendlichen zu finden. Während der ersten Demonstrationen kam es kaum zu Verhaftungen und die Polizei hielt sich im Hintergrund.

Spontandemonstrationen wurden abgehalten, und der Burggarten wurde jeden Samstag erneut besetzt.

Kurzzeitig wurde angedacht, einen Teil des Gartens den Jugendlichen zur Selbstverwaltung bereitzustellen. Eine andere Idee war, den Garten montags und freitags zur Begehung zu öffnen. Diese Vorschläge wurden jedoch nie umgesetzt.

Es kam zwar zu Verhandlungen zwischen Aktivist_innen und Stadtverwaltung, doch im Gegensatz zu Amerlinghaus oder Arena war die Burggartenbewegung deutlich wilder und unorganisierter. Die Aktivist_innen trafen sich öfters im Amerlinghaus zu Besprechungen. Ihrer Meinung nach stand dieses zu sehr unter der Fuchtel der Stadtverwaltung, deshalb kam es während einer Besprechung zur zweiten Besetzung des Amerlinghauses.

Polizei schlägt zu

Zum ersten brutalen Polizeieinsatz gegen die Aktivist_innen kam es am 15. September 1979. Hunderte Polizisten umstellten den Burggarten, die Tore wurden versperrt. Mehrere Aktivist_innen wurden verhaftet und fast alle mit Schlagstöcken geschlagen.

Am selben Tag gab die deutsche Punk-Sängerin Nina Hagen ein Konzert in Wien. Sie solidarisierte sich von der Bühne aus mit der Bewegung und rief am nächsten Tag zu einer Demonstration auf. Laut Arbeiter-Zeitung kamen um die 700 Jugendlichen und besetzten erneut den Burggarten. Erneut griff die Polizei die Demonstrant_innen mit brutaler Gewalt an. Sieben Aktivist_innen wurden verhaftet.

Die harten Polizeiübergriffe konnten die Bewegung nicht einschüchtern, sondern brachten sie erst richtig in Fahrt. Sechs Tage später stürmten Aktivist_innen am Tag der offenen Tür im Rathaus und verlangten einen Termin mit Bürgermeister Leopold Gratz.

Meist wurde über Schriftzüge auf Häusern zu Demos mobilisiert. Hier eines der wenigen Plakate. ©GeschichtenOrt Hofburg

Einen Monat später, am 20. Oktober, stürmten Aktivist_innen einen von der ÖVP organisierten „Ideenmarkt“. Die Jugendlichen besetzten die Halle und forderten „Freiheit für den Burggarten“ sowie selbstverwaltete Kulturzentren. Die Besetzung wurde noch am selben Abend geräumt, um eine Entwicklung wie die der Arena zu verhindern. Daran anknüpfend wurde ein nicht angemeldetes Fest im Burggarten organisiert, zu dem laut Arbeiter-Zeitung wieder 600 bis 700 Menschen kamen. Erneut kam es zu einer Räumung, mehreren Festnahmen und brutaler Gewalt seitens der Exekutive.

Die größte Aktion der Bewegung fand am 1. März 1981 statt. Mehr als 1.000 Menschen demonstrierten für die freie Begehung des Burggartens. Während die Demonstration stattfand, besetzten Aktivist_innen die vom Abriss bedrohten Häuser am Judenplatz 1 und 2. Der Plan, dass die Demonstration die Polizei von der Besetzung ablenken sollte, schlug leider fehl. Die Besetzung wurde verhindert.

Sieg der Bewegung

Zwei Monate später, am 1. Mai, wurde der Wiener Stadtrat Heinz Nittel auf offener Straße erschossen. Medien und Politiker versuchten das Attentat den Aktivist_innen in die Schuhe zu schieben und die Bewegung zu dämonisieren. (es wurde aller Wahrscheinlichkeit nach von der palästinensischen Abu-Nidal-Organisation bzw. dem Fatah-Revolutionsrat verübt).

Trotzdem konnte die Bewegung weitere Erfolge feiern; am 23. März 1981 wurde das Kultur-und Kommunikationszentrum Gassergasse als weiterer Freiraum für Jugendliche eröffnet. Schließlich erreichten die Besetzer_innen eine Kompromisslösung: Im Burggarten – dessen Eigentümer der Bund ist – darf nur die große Burggartenwiese betreten werden, für die restlichen Grünflächen gilt weiterhin „Betreten verboten“.

Immerhin ist die Stadt Wien da etwas weiter; in ihren Parks ist es seit 2007 erlaubt, sich auf den Grünflächen zu Erholungszwecken aufzuhalten und hier zu liegen. Ohne den Einsatz der Aktivist_innen im Burggarten wäre das bis heute nicht möglich gewesen!

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.