Koalitionsverhandlungen gescheitert! Was wird die FPÖ aufhalten?

Die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS sind gescheitert. Kanzler Nehammer hat seinen Rücktritt angekündigt. Jetzt droht Blau-Schwarz! Aus Sicht der antifaschistischen Bewegung bedeutet das einen ganz klaren Handlungsauftrag. Auf die Straßen gegen eine Koalition mit der FPÖ.
5. Januar 2025 |

Als erstes sind die NEOS abgesprungen, und zwar, weil sie mit ihrem Wunsch nach noch mehr Einsparungen bei den Staatsausgaben an der SPÖ gescheitert sind, wie sie ganz unmissverständlich sagen. Und das weckt komische Gefühle. Offenbar sahen sie die Staatskrise seit den Nationalratswahlen vor allem als Chance mehr Neoliberalismus durchzusetzen, und das ist auf alle Fälle kein Rezept gegen die FPÖ. Die Wut der Wähler_innen auf „das System“, von der die FPÖ so geschickt zu profitieren weiß, wurde schon bisher ganz stark durch neoliberale Politik angetrieben.

Tags darauf ist die ÖVP abgesprungen – mehr oder weniger aus denselben Gründen – nur dass hier die Zerstrittenheit der Partei der auslösende Moment war. Die überraschende Standhaftigkeit der SPÖ in Sachen Pensionen und öffentlichen Ausgaben hat es ÖVP-Chef Nehammer schwer gemacht, den Teil der ÖVP zu besänftigen, der immer schon eine rechts-rechte Koalition bevorzugt hätte. Aber der Flügel könnte noch seine blauen Wunder erleben. Sie gehen wie selbstverständlich davon aus, dass die FPÖ einen harten Sparkurs mittragen wird, aber damit würde die FPÖ einen großen Teil ihrer Basis entfremden. In Frankreich ist das erste Kabinett Barniers ist schon nach vier Monaten an der Verweigerung des Rassemblement National gescheitert, ein hartes neoliberales Sparpaket zu unterstützen. Es ist Kickl zuzutrauen, dass er die ÖVP anrennen lässt, und darauf setzt, dass sich erstens die Krise weiter vertieft und zweitens die FPÖ noch mehr Stimmenanteile bekommt. Beim nächsten Mal kommt ihm die ÖVP sicher noch weiter entgegen.

SPÖ überraschend standhaft

Der SPÖ muss man aus dieser Warte Respekt zollen. Es wäre fatale Politik gewesen, SPÖ-Mindeststandards zu opfern, und der FPÖ die Gelegenheit zu geben, sich wieder als einzige Vertreterin der „kleinen Leute“ präsentieren zu können. Auf der anderen Seite hätte die SPÖ in den Dreierverhandlungen mit Sicherheit keine Budgetsanierung auf Kosten der Reichen bzw. des Kapitals durchsetzen können. Und nur das, kombiniert mit offensiver antirassistischer Politik, könnte auf institutioneller Ebene den Aufstieg der FPÖ bremsen. Die SPÖ ist nun einmal, egal was wir als radikale Linke von ihr halten, Österreichs Arbeiterinnen- und Arbeiterpartei. Und im großen, alle Politik beherrschenden Konflikt zwischen Kapital und Arbeit, haben die Arbeiter:innen in den vergangenen Jahrzehnten das Nachsehen gehabt. Der Reichtum wurde massiv zum Kapital hin verschoben. Dass NEOS und ÖVP hinter diesem Kurs stehen, entspricht ihrem politischen Selbstverständnis, aber wenn die SPÖ einen solchen Kurs mitträgt, dann ist es Verrat an ihrer Basis. Dieser Verrat hat auch schon längst stattgefunden, man denke nur an die Rolle der SPÖ unter Franz Vranitzky beim EU-Beitritt, und dieser Verrat war ein entscheidender Baustein für die Erfolgsgeschichte der FPÖ.

Babler in der Zwickmühle

Nun geht es aber darum, wie die FPÖ aufgehalten werden kann. Eine neoliberale Koalition kann die FPÖ langfristig nur stärker machen. Das Bedürfnis nach Widerstand gegen die herrschende Politik muss einen anderen Ausdruck finden können, als eine rassistische Nicht-System-Partei zu wählen. Eine kämpferische Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung würde den Fokus auf die richtige Kraft verschieben. Kann sich die SPÖ, in ihrer einer Arbeiter:innenpartei gebührenden Rolle als Oppositionspartei einfinden? Können wir darauf hoffen, dass die SPÖ unter Babler wieder kämpferisch wird? Kann Babler den rechten Flügel bzw. „den Apparat“, besiegen und die Partei neu aufstellen? Leider Nein, das ist schlichtweg unmöglich, dafür hat sich die Partei viel zu tief in dem seltsamen System des österreichischen Kapitalismus eingegraben. Babler müsste die Partei spalten und mit dem linken Flügel weiterarbeiten. Das wäre aufregend und ein neuer Aufbruch für die Linke, aber damit rechnet niemand. Dennoch, auf der Ebene der etablierten Politik ist das die einzige Option die FPÖ aufzuhalten. Jeder andere Kurs mündet in einer Fortsetzung von neoliberaler Politik und in einer Unterordnung der SPÖ unter das herrschende System, und diesen Kurs weiß die FPÖ für sich zu nutzen.

Linke aufbauen

Wenn wir also eine kämpfende Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung erleben wollen, dann können wir nicht auf die SPÖ setzen, sondern müssen einen linken Pol aufbauen. Das wichtigste ist, den deprimierenden Stillstand zu durchbrechen, in dem die Arbeiter:innen gefangen sind. Es gab zahlreiche Gelegenheiten in den letzten Jahrzehnten die Arbeiterschaft zum Streik und auf die Straßen zu mobilisieren, und sei es darum, dass sie ihre eigene Kraft erleben und den Unterschied, den aktive Beteiligung an einem kollektiven Kampf ausmachen kann. Die radikale Linke hätte diese Kämpfe immer unterstützt, aber sie hatte nie die Kraft mit einer eigenen Basis auf die Straßen zu kommen. Der linke Pol muss so stark werden, dass er das Monopol der SPÖ durchbrechen kann!

Andererseits kann das Vorhaben der FPÖ die Arbeiterkammer zu zerschlagen, die SPÖ und die Gewerkschaften zu Kampfmaßnahmen zwingen. Die FPÖ will defacto das Ende der Arbeiterkammer (AK) als gesetzliche Interessenvertretung, indem die gesetzliche Mitgliedschaft und Beiträge abgeschafft will. Sie fordert auch das Ende der gesetzlichen Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer (WKO). Damit könnten Unternehmen aus der WKO aussteigen, was dazu führen würde, dass für sie keine Kollektivverträge mehr gelten. Deren Angestellte könnten somit den Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie auf die KV-Mindestgehälter verlieren. Das sind Horrorszenarien, die selbst die gemütlichsten Funktionäre in Rage bringen. Es kann laut werden auf Österreichs Straßen. Aktuell ist völlig klar, dass wir auf die Straßen mobilisieren müssen. Ohne unseren Widerstand könnten es sich ÖVP und FPÖ viel leichter richten und einen schmierigen Kompromiss finden. Wenn sie trotz ihrer Widersprüche zusammenfinden, dann werden sie mit Rassismus und anderen Unterdrückungsinstrumenten von ihren antisozialen Maßnahmen ablenken wollen. Die Linke, die wir brauchen, und die kommenden Proteste müssen deshalb ganz entschieden antirassistisch und antifaschistisch geprägt sein.

Es geht um Faschismus

Denn, unser Urteil bleibt aufrecht: die FPÖ ist eine astreine faschistische Partei, und sie bleibt es auch dann noch, wenn sie noch kein faschistisches Regime durchsetzen kann. Dass die FPÖ von SS-Männern als Nachfolgepartei der NSDAP gegründet und angeführt wurde, ist ein starker Beweis für ihre faschistische Natur, aber sie hätte sich ja theoretisch von ihrer Vergangenheit und ihrer politischen Bestimmung lösen können. Hat sie aber nicht getan, die Ausrichtung der FPÖ als eine vordergründig demokratische Partei mit klarem Fokus auf die insgeheime Beibehaltung des faschistischen Kerns wurde von klandestin agierenden Zirkeln von deutschnationalen Burschenschaftern und Nicht-Burschenschaftern abgesichert. Die inzwischen offen zur Schau gestellten Kontakte zu aktiven Neonazis und den Identitären sind der jüngste Beweis, den auch andere politische Kräfte nicht ignorieren können (sollten). Uns ist klar, dass wir damit nicht nur der etablierten öffentlichen Meinung widersprechen, und diese Blindheit gegenüber der Bedrohung durch Faschismus ist Teil des Problems. Glücklicherweise ist das antifaschistische Bewusstsein innerhalb der Linken viel stärker ausgeprägt. Das in eine Form zu bringen, die effektiv auf die Straßen mobilisieren kann, ist die Herausforderung für die nächste Zukunft.