Lassen wir nicht zu, dass die Rechten die Messerattacke auf Salman Rushdie ausnutzen um Islamfeindlichkeit zu schüren
Der Romanautor Salman Rushdie wurde letzten Freitag bei einer Literaturveranstaltung in New York auf der Bühne angegriffen und schwer verletzt. Der entsetzliche Messerangriff auf den Schriftsteller wird mit Sicherheit eine neue Welle der Islamfeindlichkeit auslösen, unabhängig davon, wer der Angreifer war. Dieser Reaktion muss von der Linken entgegengewirkt werden.
Nach Angaben seines Literaturagenten hing Rushdie anfangs im Spital an einem Beatmungsgerät und konnte nicht sprechen. Er fügte hinzu, dass der Schriftsteller möglicherweise ein Auge verlieren würde.
Salman Rushdie erlangte 1981 mit dem Bestseller-Roman Mitternachtskinder Berühmtheit und wurde vielfach ausgezeichnet. Rushdie, der in Indien aufwuchs und später nach Großbritannien übersiedelte, war bekannt für seine Kritik an Kolonialismus und westlichem Imperialismus. Und dafür, dass er sich auf die Seite der schwarzen und asiatischen Menschen stellte, die in Großbritannien brutalem Rassismus ausgesetzt waren. Doch für sein viertes Buch, die Satanischen Verse, das 1988 erschien, musste er sich aus Angst um sein Leben verstecken. Die Geschichte enthält eine dem Propheten Mohammed ähnliche Figur, die als lüstern, skrupellos und als falscher Prophet dargestellt wird. Der iranische Führer Ayatollah Khomeini forderte deshalb, Rushdie und alle, die mit dem Buch in Verbindung standen, wegen Lästerung des Propheten Mohammed zu töten.
Viele Millionen Muslime weltweit sahen im Buch eine bewusste Verunglimpfung, gerade als die Flut des antimuslimischen Hasses weltweit zunahm. Rushdie erklärte, er habe Muslime nicht angegriffen und sein Roman sei ein fiktives Werk. Das hielt viele Muslime in Großbritannien nicht davon ab, sich gegen das Buch zu positionieren. Sie waren mit massiven Arbeitsplatzverlusten und hartem Rassismus seitens der Tory-Regierung konfrontiert, die seit zehn Jahren Klassenkampf führte. In Ermangelung einer starken und geeinten Arbeiterbewegung nach der Niederlage des Bergarbeiterstreiks von 1984/85 wurde die Wut auf Rushdie zu einem einfachen, aber fehlgeleiteten Ventil.
Die „Rushdie-Affäre“ wurde von Teilen der Rechten und Liberalen genutzt, um den Mythos von den irrationalen und gewalttätigen Muslimen, die eine Bedrohung für die westliche „Zivilisation“ darstellten, zu verstärken. Sie riefen dazu auf, Muslime durch eine Reihe neuer Gesetze in Europa und Kriege im Ausland zurückzuschlagen. Die Offensive gegen Muslime im Jahr 1989 war ein Vorgeschmack auf das, was später im Krieg gegen den Terror nach dem 9/11 verstärkt werden sollte.
Die Zeitung Daily Mail wütete: „Wer hat die Muslime gebeten, unser Leben zu bestimmen?“ Der Leitartikel des Daily Star titelte gegen den Sekretär des Moscheenrats von Bradford „Raus hier“. Die Sun erklärte, es gebe „keinen Platz für Mörder“. In weniger schrillen, aber ebenso giftigen Tönen erklärte The Independent, es gebe „Grenzen der gegenseitigen Toleranz“. Das war nicht das, was Rushdie wollte. In seinem letzten Interview vor seinem Untertauchen sagte er dem Socialist Worker: „In England haben die reaktionärsten Elemente innerhalb der asiatischen Gemeinschaft Stereotypen genährt, die in den reaktionärsten Elementen der weißen Gesellschaft vorhanden sind. Deshalb ist es für mich kein Vergnügen, von der Sun unterstützt zu werden, wenn sie Asiaten als Ratten bezeichnet. Da bin ich nicht auf der Seite der Sun. Ich wäre lieber auf der Seite der Ratten.“
Einflussreiche Teile der Rechten sympathisierten mit denen, die Rushdie zum Schweigen bringen wollten. Sie mochten den Antiimperialisten nicht, auch wenn er nun von Muslimen ins Visier genommen wurde. „Wir haben in unserer eigenen Religion Menschen kennengelernt, die Dinge tun, die für einige von uns zutiefst beleidigend sind. Wir spüren das sehr stark. Und das ist es, was mit dem Islam geschieht“, sagte die konservative Tory-Premierministerin Margaret Thatcher. Sie fügte hinzu, dass „große Religionen“ noch bestehen würden, „wenn die Namen der Leute, die sie kritisiert haben, längst vergessen sind“. Thatchers Hetzer Norman Tebbit erklärte, Rushdies Leben sei „ein Akt abscheulicher Taten des Verrats an seiner Erziehung, Religion, Wahlheimat und Nationalität“.
In den folgenden Jahren entfernte sich Rushdie weit vom Antiimperialismus. Er unterstützte 1999 die Nato-Bombardierung Jugoslawiens und die US-geführte Invasion in Afghanistan. Er schloss sich jedoch nicht den Pro-Krieg-Liberalen während des Irakkriegs an. Später sagte Rushdie, Schleier, die von muslimischen Frauen getragen werden, seien „beschissen“, ein Symbol für die „Einschränkung von Frauen“. Unter der Kriegsregierung von Tony Blair reichte dies und Rushdie wurde 2007 zum Ritter geschlagen.
Der Socialist Worker argumentierte konsequent: „Nein zur Zensur, Nein zum Rassismus“. Im Februar 1989 verteidigte die Zeitung auf ihrer Titelseite das Recht Rushdies, die Religion zu kritisieren. Aber sie verteidigte auch „das Recht eines jeden Menschen, seine Religion zu praktizieren“ und dass Muslime „gegen widerliche rassistische Intoleranz verteidigt werden müssen“. Die sozialistische Haltung muss heute wieder so deutlich wie im Jahr 1989 sein. Da sich die Rechten auf eine Welle der islamfeindlichen Rassismus vorbereiten, ist dies von entscheidender Bedeutung für die Linke.
Übersetzt aus dem englischen von Karin Wilflingseder