Nach der Steuerreform ist vor dem Sparpaket

Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) feiert den Erfolg der „Lohnsteuer runter“-Kampagne. Wer profitiert und wer verliert von der Steuerreform?
1. Mai 2015 |

Die 882.184 Unterschriften für die “Lohnsteuer runter”-Kampagne wurden vor allem von engagierten Betriebsrät_innen gesammelt. Die Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5 auf 25 % bringt uns Lohnabhängigen ab 1. Jänner 2016 Entlastung. Das durchschnittliche Monats-Bruttoeinkommen für Vollzeitbeschäftigte beträgt 2.700 Euro, davon bleiben künftig 1.070 Euro netto pro Jahr mehr in der Geldbörse. Auch Menschen, die so wenig verdienen oder Pension bekommen, dass sie keine Lohnsteuern bezahlen, können mit bis zu maximal 400 Euro mehr jährlich rechnen. Der Kinderfreibetrag wird von 220 auf 400 Euro erhöht.

Die ÖGB-Forderung des „Mehr netto vom brutto“ sind erfüllt. Aber: Die Regierung kalkuliert eine Gegenfinanzierung der Reform durch zusätzliches Wachstum in Höhe von 900 Millionen Euro. Tatsächlich steht Österreich aber an der Schwelle zur Rezession. Nun wird schon eine Pensionsreform diskutiert, inklusive der vorzeitigen Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters. Schon jetzt geht knapp ein Drittel der Frauen aus der Arbeitslosigkeit oder dem Langzeitkrankenstand in die Pension. Bund, Ländern und Gemeinden sollen ab 2016 600 Millionen Euro pro Jahr einsparen.

Wir befürchten „Kürzungspakete“ bei Kindergärten, Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, Pflege oder sozialer Absicherung. Die Angriffe auf die Lehrer_innen sind erst der Anfang.

Fazit der Steuerreform:

  • Reiche profitieren von der Reform:  Die Industriellenvereinigung schaffte es Vermögenssteuern, Erbschaftssteuer und die Änderungen bei der Gruppenbesteuerung zu verhindern. Für die Reichen bleibt Österreich mit seinem vermögensbezogenen Steueranteil von 1,3% ein Paradies.
  • Die Lohnschere zwischen Frauen und Männern klafft weiter auf: Frauen verdienen laut aktuellen Berechnungen in Vollzeit nach wie vor um 23,9% weniger als ihre männlichen Kollegen. Kolleginnen mit Migrationshintergrund verdienen sogar nur drei Viertel ihrer Kolleginnen. So werden männliche Beschäftigte mit rund 2,8 Milliarden Euro fast doppelt so hoch entlastet wie Frauen mit rund 1,5 Milliarden. 66% des Entlastungsvolumens kommen damit Männern zugute, nur 34% den Frauen.
  • Weniger für Niedrigverdienende:  Ein Manager, der über 10.000 Euro monatlich verdient, erspart sich zum Beispiel künftig 2,5- bis 3-mal so viel wie ein Durchschnittsverdienender mit etwa 2.500 brutto im Monat. Die rund 1,4 Millionen Geringstverdienenden, darunter 915.000 Frauen, bekommen nur maximal 290 Euro im Jahr.
  • Effekt nur für kurze Dauer: Die Löhne steigen jedes Jahr, die für die Lohnsteuer maßgeblichen Einkommensgrenzen bleiben gleich. Damit rücken jährlich immer mehr Lohnabhängige in höhere Steuerklassen vor. Die Lohnsteigerungen werden vom Finanzamt abgeschöpft.
    Laut dem Institut für Höhere Studien lukrierte das Finanzministerium wegen der kalten Progression seit 2009 Mehreinnahmen in Höhe von fünf Milliarden Euro. Die Steuerreform gibt uns denselben Betrag vorübergehend zurück.
Karin Wilflingseder ist Betriebsrätin und langjährige Aktivistin. Sie spricht am antikapitalistischen Kongress „Marx is Muss“. Weitere Infos: www.marxismuss.at 
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.