Nach Rechtsruck in Deutschland: Tausende protestieren gegen AfD
Der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) gelang bei den Wahlen zum Bundestag am 24. September ein Durchbruch. Die Partei gewann unter der Führung von Frauke Petry und Jörg Meuthen 12,6 Prozent der Stimmen und zieht als drittstärkste Kraft mit 94 Abgeordneten in das deutsche Parlament. Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat eine rechtsextreme Partei Sitze im Bundestag gewonnen.
Die AfD besteht aus Rassisten, Nationalisten und Faschisten. Der faschistische Flügel hat im letzten Jahr an Einfluss gewonnen. Sie ist eine wirkliche Bedrohung. Kurz vor der Wahl huldigte Spitzenkandidat Alexander Gauland den Nazis, indem er sagte, man hätte „das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“. Jens Maier, der auf Platz 2 der Landesliste für die AfD Sachen in den Bundestag einziehen wird, beklagte im Jänner 2017 die „Herstellung von Mischvölkern“ und erklärte die Aufarbeitung der NS-Verbrechen als „Schuldkult“ für beendet.
Widerstand auf der Straße
Aber das bedeutet nicht, dass die Nazis kurz vor der Machtübernahme stehen. Eine Massenbewegung kann sie konfrontieren und zurückdrängen. 3.000 Antifaschist_innen demonstrierten am Wahlabend spontan am Berliner Alexanderplatz gegen die Wahlparty der AfD. Sicherheitskräfte mussten Anhänger der AfD vom Balkon des Clubs zurückdrängen, da die Demonstrant_innen Flaschen und allerlei andere Gegenstände auf sie warfen. Sie riefen „Nazis raus“, „AfD Rassistenpack“ und „Ganz Berlin hasst die AfD“.
In ganz Deutschland haben die Menschen spontan gegen die AfD protestiert https://t.co/3o7iQeoBvi #btw17 pic.twitter.com/wHulp1Ta26
— BuzzFeedNewsDE (@BuzzFeedNewsDE) September 24, 2017
Die 22-jährige Demonstrantin Lisa sagte gegenüber der Deutschen Welle: „Besonders in Zeiten wie diesen ist es wichtig seine Stimme gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und die rechtsextreme Ideologie der AfD zu erheben.“ Hunderte gingen in Köln, Frankfurt und anderen Städten auf die Straße.
Dort, wo die AfD schon vor der Wahl auf der Straße mit Massen konfrontiert wurde, verkümmerte sie zu einer Kleinstpartei: Die Bewohner_innen von Münster verhinderten im Jänner einen Auftritt von Parteichefin Petry – hier erhielt die AfD ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis von nur 4,9 Prozent. In Freiburg, wo das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus zusammen mit der Muslimischen Hochschulgruppe vor der Wahl einen Demo eine AfD-Wahlkampfveranstaltung organisierte, kamen die Rechtsextremen nur auf 7,9 Prozent.
Standhaft gegen Rassismus
Die AfD hat die etablierten Parteien an der Spitze der Gesellschaft nach rechts getrieben. Nach der Wahl beteuerte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der „Berliner Runde“, dass man bezüglich der Integration von Flüchtlingen „die Sorgen der Menschen noch nicht voll ausräumen konnte“. Horst Seehofer von der CSU (Unionspartner der CDU) sagte in einer ersten Reaktion auf den Absturz der CSU in Bayern, dass man nun die „rechte Flanke schließen“, also auf noch mehr Rassismus setzen müsse.
Die Co-Vorsitzende von DIE LINKE, Katja Kipping, warnte vor einem Nachrücken nach rechts an und erinnerte daran, wie die rassistischen wöchentlichen Mobilisierungen in Dresden funktionierten: „Wenn andere Parteien anfangen, deren Problembeschreibung zu übernehmen, macht es sie nicht kleiner, sondern im Gegenteil größer.“ Die Ausbreitung von Pegida konnte man in Leipzig erfolgreich stoppen, weil es dort „von Anfang an eine starke Gegenmobilisierung gegeben“ habe, so Kipping.
Regierungsparteien abgestraft
Die AfD konnte auf einer rassistischen Welle und Frustration über die Regierung aufbauen. Nur 31 Prozent der AfD-Wähler_innen gaben in einer Wahltagsbefragung an, dass sie aus Überzeugung „für die eigene Partei“ gestimmt hätten, wohingegen 60 Prozent aus „Enttäuschung über andere Parteien“ ihre Stimme für die AfD abgaben.
Das Wahlergebnis ist ein schwerer Schlag gegen die „Große Koalition“ aus CDU/CSU und SPD. Die Christdemokraten von Angela Merkel stürzten von 41,5 Prozent im Jahr 2013 auf nunmehr 32,9 Prozent ab. Das Ergebnis für die CDU zeugt von der tiefen Unzufriedenheit mit den Arbeitsmarktreformen und Angriffen auf Arbeiter_innen in den letzten Jahren.
Die SPD, die als Regierungspartner Schützenhilfe für diese Attacken leistete, wurde ebenfalls abstraft und erhielt nur 20,5 Prozent der Stimmen (ein Minus von 5,2 Prozentpunkten). Es war das schlechteste Ergebnis für die SPD seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Schulz holte AfD aus Umfragetief
Dem zugrunde liegt ein größerer Rechtsruck in der hohen Politik. Nachdem im Jahr 2015 Flüchtlinge die österreichische und deutsche Regierung zwangen ihre Grenzen zu öffnen, ging die Rechte zur rassistischen Gegenoffensive über. Sie verlangten die Grenzen wieder zu schließen, und die Große Koalition machte ihnen große Zugeständnisse. Die CSU in Bayern drängte in Einklang mit dem österreichischen Außenminister Sebastian Kurz die deutsche Kanzlerin zu einem Rechtsruck in der Flüchtlingspolitik.
SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz selbst attackierte Merkel im Sommer und warf ihr vor, das Thema „Flüchtlinge“ aus dem Wahlkampf heraushalten zu wollen. Im Juli inszenierte er mitten in der sogenannten italienischen „Flüchtlingskrise“ eine Reise zu Ministerpräsident Paolo Gentiloni nach Rom und auf Sizilien. Es ist Schulz geschuldet, dass die AfD im Sommer aus ihrem Dauertief in den Umfragen von rund 8 Prozent wieder herauskommen konnte.
Keine Bühne für Rassismus
Christine Buchholz, Abgeordnete für DIE LINKE, sagte über den Erfolg der AfD: „Eine Mitverantwortung dafür tragen Teile der Medien, die der AfD immer wieder eine Bühne gegeben und ihre Themen aufgegriffen haben.“ Schulz steht nun massiv unter Druck von links und schloss eine erneute Regierungsbeteiligung aus und bezeichnete die AfD als „Feinde der Demokratie“. Auch Katrin Göring-Eckardt von den Grünen hielt fest: „Es kann nicht sein, dass wir einer Partei eine offene Bühne bieten, die dieses Land spalten will.“
https://youtu.be/yOddv7qtwCA
Inzwischen tobt der Fraktionskampf in der AfD offen. Gauland will die totale Opposition und drohte: „Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen. Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“ Petry hingegen verließ völlig überraschend die erste AfD-Pressekonferenz nach der Wahl, plädierte für eine Regierungsbeteiligung ab 2021 und kündigte ihren Parteiaustritt an. Diese Schwierigkeiten sind eine hervorragende Gelegenheit für Antifaschist_innen die Bewegung gegen die AfD auszuweiten.
Die Wahlen in Deutschland sind eine ernste Warnung für die kommenden Nationalratswahlen in Österreich, wo die FPÖ in die nächste Regierung einzurücken droht. Der freiheitliche Chef Heinz-Christian Strache gratulierte der AfD zum Wahlsieg. Auch wenn die hohe Politik nach rechts rückt und sich der FPÖ anbiedert, wir geben keinen Millimeter nach und stellen uns dem Rechtsruck mit allen Kräften in den Weg. Aktivist_innen sind eingeladen, die nächsten Proteste am 7. Oktober „Unsere Antwort Solidarität“ und am 13. Oktober die „F*CK Strache Demonstration“ noch vor den Wahlen mit aufzubauen.