Natur und Kapitalismus vertragen sich nicht

Schon Marx und Engels erkannten, dass Naturschutz und Kapitalismus nicht vereinbar sind. Die derzeitige Untätigkeit der Mächtigen im Anblick brennender Regenwälder und steigendem Meeresspiegel zeigt, wie Recht sie damit haben.
24. September 2019 |

Am 10. August feierten brasilianische Agrarunternehmer den „Tag des Feuers“. Sie hatten sich verabredet, hektarweise Regenwald abzufackeln, um neues Weideland zu gewinnen. Ein Verbrechen. Aber sie setzen damit genau das um, was das auf Profit ausgerichtete kapitalistische Wirtschaftssystem Tag für Tag hervorbringt: Katastrophale Umweltzerstörung im Dienste des Profits.

Seit Wochen brennen wegen des heißer werdenden Klimas riesige Flächen im Amazonas, in Sibirien und Alaska. Gleichzeitig will US-Präsident Trump Wälder in Alaska zur Abholzung und damit zur kommerziellen Nutzung freigeben. Warum sind die Mächtigen so immun gegenüber den wissenschaftlichen Erkenntnissen und Warnungen hinsichtlich der Klimakrise?

Schon Marx erkannte durch seine Analyse des Kapitalismus diesen Widerspruch zwischen Natur und Kapital. Der marxistische Philosoph und Ökonom Kohei Saito erforschte die Ökologie in Marx’ Werk systematisch und schrieb darüber seine Doktorarbeit Natur gegen Kapital – Marx’ Ökologie in seiner unvollendeten Kritik des Kapitalismus. Er zeigt, „dass das wahre Ziel der Marx’schen Kritik der politischen Ökonomie nicht richtig begriffen werden kann, wenn man den Aspekt der Ökologie vernachlässigt“.

Wachstumszwang

Marx schreibt: „Das Kapital fragt nicht nach der Lebensdauer der Arbeitskraft. Was es interessiert, ist einzig und allein das Maximum von Arbeitskraft, das in einem Arbeitstag flüssig gemacht werden kann. Es erreicht dies Ziel durch Verkürzung der Dauer der Arbeitskraft, wie ein habgieriger Landwirt gesteigerten Bodenertrag durch Beraubung der Bodenfruchtbarkeit erreicht.“

Saito streicht drei Punkte zu Marx’ Ökologie heraus: Erstens, der Kapitalismus ist neben der wertschaffenden Ausbeutung der Arbeiter_innen ebenso auf jene der Natur angewiesen. Zweitens wird im Kapitalismus nicht primär produziert, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, sondern um Profite zu erzielen. Auch saubere Luft in Städten ist ein Bedürfnis, aber da dies wenig gewinnversprechend für den Kapitalisten ist, setzt er lieber auf den Verkauf von Autos.

Im Kapitalismus ist beinahe jede soziale Beziehung vermittelt durch Waren. Der Mensch muss seine Arbeitskraft für Geld verkaufen, um andere Waren kaufen zu können. Auch die Natur wird so zur Ware. Und drittens sind die Kapitalisten aufgrund der Konkurrenz untereinander dazu gezwungen, ständig mehr Kapital anzuhäufen, also mehr Profit abzuschöpfen.

Aber die natürlichen Ressourcen sind endlich, sie können nicht unendlich ausgebeutet werden. Aufgrund seines Wachstumszwangs muss der Kapitalist die natürlichen Grenzen ständig überstrapazieren.

Kreislauf der Widersprüche

Die Umweltzerstörung ist eine Manifestation dieses Widerspruchs, wie am Beispiel von Fracking deutlich wird. Da Rohstoffe, wie Erdöl, knapper werden, wird in schwer zugängliche Tiefen gebohrt. Dabei kommen Chemikalien zum Einsatz, die z.B. das Grundwasser vergiften.

Die zerstörerische Irrationalität dahinter zeigt ein weiteres Beispiel: Grönland. Die schmelzenden Eismassen machen Rohstoffe im Boden leichter zugänglich. Schon jetzt streiten sich die Industriestaaten um die Rechte. Es ergibt sich ein regelrechter Kreislauf aus Widersprüchen.

Der durch die Ausbeutung der Natur entstandene Klimawandel ermöglicht den Zugang zu Rohstoffen, aus denen sich Profit gewinnen lässt. Mit deren Abbau wird die Umweltzerstörung vorangetrieben und damit auch der Klimawandel.

Diese Politik der buchstäblich verbrannten Erde steuert direkt auf die Klimakrise zu. Die Behauptung, die gesamte Menschheit trage die Schuld, ist schlicht falsch. Schuld sind jene, die mit der Ausbeutung von Mensch und Natur Profite machen. Dementsprechend wäre es richtiger, wie der Wissenschaftler und Naturphilosoph Harald Lesch, von unserem Zeitalter als dem Kapitalozän anstatt dem Anthropozän zu sprechen.

Ebenso wenig wird die ganze Menschheit gleich von der Klimakatastrophe betroffen sein. Schon jetzt trifft es die Ärmeren am härtesten, weil sie keinen Zugang zu klimatisierten Räumen oder zu Trinkwasser haben.

„Survival of the Richest“

Der Autor Douglas Rushkoff berichtet in einem Artikel mit dem Titel „Survival of the Richest“ von einem Treffen mit fünf der reichsten Männer der Welt, bei dem sie ihn dazu befragten, wie sie am besten die nahende Apokalypse überleben könnten. Sie wollten wissen, auf welchem Kontinent die Überlebensbedingungen am besten wären, oder wie sie die Wachposten ihrer Bunker abhalten könnten, sich gegen sie zu wenden. So sieht die Vision der Kapitalisten aus. Sie wollen sich davonstehlen.