Neues Rekordhoch an Kohlendioxid
Selbst, wenn alle Staaten die im Paris-Abkommen festgehaltenen Versprechen einhalten und auch nachfolgend nicht wesentlich schärfere Maßnahmen ergreifen würden, wird sich die Erde bis 2100 auf 3°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau erwärmen. Besonders G20-Staaten hinken noch dazu ihren Versprechungen hinterher. Das stellte der „Emissions Gap Report“ des Umweltprogramms der UN (UNEP) fest. Diese Berichte bildeten die Grundlage für die Verhandlungen auf dem Klimagipfel in Bonn.
Größter CO2-Produzent
Kohlenstoffdioxid (CO2) ist vor Methan und Lachgas das wichtigste Treibhausgas und für über 65% der globalen Erwärmung verantwortlich. Vermutlich war die CO2-Konzentration seit 3 bis 5 Millionen Jahren nicht so hoch wie heute. Aus Luftbläschen im Eis ist die Atmosphärenzusammensetzung der letzten 800.000 Jahren bekannt (so alt ist das älteste bekannte Eis). Wir wissen, dass in dieser Zeit die Konzentration zwischen 180 und 210 ppm (ppm = parts per million = Teilchen pro Million) in den Eiszeiten und zwischen 210 und 300 ppm in Warmzeiten schwankte. In den letzten 10.000 Jahren lag die CO2-Konzentration stabil bei 260-280 ppm. Seit der Verbrennung fossiler Brennstoffe ist sie innerhalb von 150 Jahren von 278 ppm auf den aktuellen Wert von 403 ppm gestiegen.
Aufgrund der chemischen Eigenschaften des CO2 in der Atmosphäre (Kohlenstoffisotope) können fossile Brennstoffe eindeutig als Hauptquelle des zusätzlichen CO2 identifiziert werden (weitere wichtige Quellen sind Waldrodung und Zementherstellung). Im Jahr 2016 betrugen die Treibhausgasemissionen 51,9 Gigatonnen CO2-Äquivalent, d.h. Emissionen mit der Wirkung von 51,9 Milliarden Tonnen CO2, wobei 35,8 Milliarden Tonnen davon direkt auf CO2 entfallen. Menschen stoßen damit etwa 100-mal so viel CO2 aus wie Vulkane.
Kein Wunder, dass auch die Geschwindigkeit des Anstiegs wesentlich schneller ist als natürliche Ereignisse in der Erdgeschichte. Am Ende der letzten Eiszeit, vor 18.000 bis 12.000 Jahren, stieg die CO2-Konzentration im Schnitt um 0,01 ppm pro Jahr. Zum Vergleich: In den letzten 150 Jahren ist die CO2-Konzentration um 120 ppm gestiegen (im Schnitt 0,8 ppm pro Jahr). Im letzten Jahrzehnt wuchs sie im Schnitt sogar um 2,2 ppm pro Jahr.
Zwischen 2015 und 2016 stieg sie sogar um 3,3 ppm, schneller als jemals zuvor innerhalb eines Jahres. Unter anderem wegen eines starken El Niño Ereignisses, das durch den Klimawandel noch verstärkt wurde. Das Wetterphänomen El Niño wirkt auf verschiedene Art und Weise auf den Kohlenstoffkreislauf und damit auf die CO2-Konzentration ein, zum Beispiel durch Erwärmung der Ozeane, welche dadurch weniger CO2 aufnehmen. Der wichtigste Grund für den rasanten Anstieg sind jedoch die sich weiterhin auf Rekordniveau befindlichen Emissionen.
Pariser Ziele verfehlt
Die Auswirkungen davon sind gravierend. 2016 war im weltweiten Durchschnitt 1,1°C wärmer als in vorindustrieller Zeit, also das wärmste Jahr, seit es Wetteraufzeichnungen gibt und vermutlich sogar der letzten 115.000 Jahre. Auch die Ozeane werden messbar saurer durch die Aufnahme von CO2. Ökosysteme brechen zusammen, extremere Unwetter, Dürren und Überflutungen sind die Folgen, die wir schon jetzt zu spüren bekommen. Der Meeresspiegelanstieg bedroht den Lebensraum von hunderten Millionen Menschen. Das Ziel von Paris, deutlich unter 2°C und wenn möglich bei 1,5°C Erwärmung zu bleiben, ist nicht willkürlich gewählt. Das müssen wir unbedingt einhalten, wenn wir unumkehrbare, katastrophale Prozesse vermeiden wollen. Es ist jedoch nicht sicher, ob das 1,5°C-Ziel noch erreicht werden kann.
Das Mercator Forschungsinstitut (MCC) hat mehrere Szenarien berechnet, ab wann wir bei derzeitigen Emissionen das 1,5°C bzw. 2°C Ziel überschritten haben. Für jedes Szenario gibt es ein CO2-Budget, dessen Verbrauch zu diesem Grad an Erwärmung führt. Über die Emissionen pro Jahr (das MCC rechnete mit dem Wert von 2014), lässt sich die Zeit berechnen, die bleibt, bis wir das Budget aufgebraucht haben. Beim pessimistischeren Szenario haben wir dieses für das 1,5°C Ziel längst aufgebraucht, diese Erwärmung wäre demnach unvermeidbar. Beim mittleren Szenario hätten wir bei gleich bleibenden Emissionen noch 10 Monate, beim optimistischeren noch etwa dreieinhalb Jahre. Für 2°C blieben uns immerhin noch knapp 9, 18 bzw. 22 Jahre. Sinken die Emissionen, gewinnt man etwas Zeit. Doch bei jedem Ausstoß wird das verbleibende Budget kleiner.
Profite größtes Hindernis
Vor jedem Klimagipfel wird ein ernüchternder Bericht (Emissions Gap Report = Emissionskluft-Bericht) veröffentlicht. Dieser stellt dar, wie weit die Treibhausgase von jedem Land reduziert werden müssten, wollte es seinen Verpflichtungen (im Paris-Abkommen unterzeichnet) nachkommen. Es stellt auch dar, wie weit die Vorsätze der einzelnen Länder hinter dem Ziel hinterherhinken, wonach die Erwärmung auf 2°C zu beschränken ist. Ergebnis: Die (theoretischen) Vorhaben der Industrienationen sind völlig unzureichend und würden zu einer Erwärmung um 3°C führen. Aber in Wirklichkeit liegen die Länder sogar noch weit hinter ihren Vorhaben zurück. Die Emissionen steigen jährlich an, fossile Brennstoffe werden weiterhin ungebremst gefördert und verbrannt. Dabei müssen die Emissionen eher früher als später auf Null gesenkt werden.
Klimakiller Konkurrenz
Den Grund benannte kürzlich Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel in einem Kommentar zum Bonner Klimagipfel mit dem kapitalistischen Konkurrenzprinzip: „Wenn die anderen nicht mitziehen, können wir daran (gemeint sind die Versprechungen von Paris) nicht festhalten“. Aber jedes Versäumnis von heute muss in der Zukunft aufgeholt werden und verlangt umso schärfere Maßnahmen. Alle
bisherigen wirtschaftlichen Scheinlösungen haben die Missstände nur weiter vertieft. Investitionen, die die Verwendung von fossiler Technologie steigern, (wie z.B. der Ausbau des Wiener Flughafens) lassen sogar die Hoffnungen bei denen schwinden, die noch an wirtschaftliche Lösungen geglaubt hatten. Wir werden dem System Kapitalismus den Kampf ansagen müssen, denn Klimaschutz darf nicht der Profitgier zum Opfer fallen. Einer fossilen Zukunft und ihren Auswirkungen entkommen wir nur durch demokratische Kontrolle über Infrastruktur und Produktion.