Omar Robert Hamilton: Stadt der Rebellion
Als im Januar 2011 die Revolution in Ägypten ausbricht, scheint der Sieg zum Greifen nah. Alle Augen richten sich auf den Tahrir-Platz in Kairo, wo erfolgreich Widerstand gegen die Diktatur Mubaraks geleistet wird. Omar Robert Hamilton, britischer Filmregisseur mit palästinensischen Wurzeln, reist wenige Tage nach Beginn der Aufstände nach Kairo, um sich den Massenprotesten anzuschließen.
Mit Stadt der Rebellion legt er einen mitreißenden Debut-Roman mit autobiografischen Zügen vor. Die Collage erzählt mit vielen Stimmen: mit denen der Revolutionär_innen, mit originalen Twitter-Nachrichten, Radiomeldungen und vielen mehr und erzeugt so eine Unmittelbarkeit, deren Sog die Leser_innen ab der ersten Seite mitten ins Geschehen zieht.
Durch den Roman führt meist die Sicht von Khalil, aufgewachsen in Amerika, der Vater aus Palästina, die Mutter aus Ägypten, und Mariam, eine unermüdliche Menschenrechtsaktivistin. Sie verbindet eine Liebe, für die neben dem Kampf für „Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit“ kaum Zeit bleibt.
Beide sind Teil der „Chaos“-Gruppe, die vom ersten Moment an die Revolution dokumentiert, Proteste koordiniert, Gefangene befreit, Hinterbliebene tröstet. Als Vorbild diente wohl das Aktivisten- und Medienkollektiv „Mosireen“, an dessen Gründung der Autor selbst beteiligt war.
Gemeinsam mit den Protagonist_innen taucht man ein in den rauschartigen Zustand der Siegessicherheit, wenn hunderttausende Menschen um sie herum „Nieder! Nieder mit der Militärherrschaft!“ skandieren. Man zieht Kraft aus immer neuen Streiks und Protesten. Man sieht Polizeiautos brennen und Graffitis an den Mauern: „Wenn ihr uns nicht träumen lasst, lassen wir euch nicht schlafen.“ Und dann muss man zusehen, wie die Revolution verraten wird. Nach Mubarak kommen die Muslimbrüder mit Mursi, nach Mursi das Militärregime unter al-Sisi. Ausgangssperren, Folter und ständige Angst bestimmen nun das Leben der Aufständischen.
Mit Blick auf die zukünftige Gesellschaft ist der siegreiche Anfang der Revolution betitelt mit „Morgen“. Es folgt das „Heute“ und schließlich – trotz aller „Hashtags“ – das „Gestern“, die Konterrevolution. „Wir waren doch die Zukunft“, sagt Khalil. Hamilton holt noch weiter aus, er ringt nach Worten angesichts der Situation in Palästina, er prangert den imperialistischen „Westen“ an – es sind Gaskanister „Made in USA“, die Kinder ersticken lassen.
„Wir sind 50 oder 60. Wir waren mal 10.000“, heißt es am Ende. Und eben diese Verbliebenen sind es, die trotz allem aufrecht stehen bleiben, die weiter kämpfen und ihre Hoffnung bewahren – um sie weiterzugeben und nie ihre Ziele aufzugeben, für die der Kampf sich lohnen wird.