Rasche Wirtschaftserholung – ein Fiebertraum der ökonomischen Coronaleugner
Von einer Rezession in Österreich gehe ich nicht aus, außer die Hysterie entwickelt sich noch weiter.“ Diese Worte vom Präsident der Industriellenvereinigung Georg Kapsch aus einem Interview mit dem Standard Anfang März 2020 wirken nach beinahe einem Jahr mit Lockdowns und wirtschaftlicher Krise ziemlich weltfremd. Sie zeigen aber auch, wie schlecht die Wirtschaftsbosse kapitalistische Krisen einschätzen und, dass wir ihnen nicht die Entscheidung über die Wirtschaft nicht überlassen sollten.
Die letzten großen Krisen des Kapitalismus – angefangen beim Börsencrash Ende der 1920er-Jahre bis zur letzten großen Krise 2008/09 – hatten alle den Zusammenbruch des Finanzsektors als Auslöser und führten zum Kollaps der Realwirtschaft. In der aktuellen Krise, ausgelöst durch ein Virus, das durch den Eingriff in sensible Ökosysteme entfesselt wurde, ist bisher nur die reale Wirtschaft betroffen, der Finanzwelt geht es besser als zuvor. Das liegt vor allem an der Entkopplung der Börsen von der Realwirtschaft und den Billionen an Steuergeldern, die in die Rettung von Unternehmen gesteckt wurden.
Die Wirtschaft wird sich lange nicht erholen
Derzeitige Prognosen gehen von einer sehr langsamen Erholung der Weltwirtschaft aus. Laut OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) wird das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) erst wieder gegen Ende 2021 den selben Wert wie Ende 2019, also vor der Krise, erreichen. Für Österreich gibt es sogar noch düsterere Vorhersagen durch die OECD. Sie rechnen mit keiner Erholung der österreichischen Wirtschaft vor Ende 2022. Verschiedene österreichische Wirtschafts-Prognosen gehen von höheren Wachstumsraten aus, aber selbst mit diesen ist es nicht möglich, das Vorkrisen-Niveau zu erreichen.
Die Wirtschaftskrise verstehen
Eine Erklärung für die Tiefe der Wirtschaftskrise liefert der marxistische Ökonom Michael Roberts. Viele der Unternehmen im Dienstleistungssektor mussten in den Lockdowns geschlossen werden und haben teilweise nicht mehr aufgesperrt. Dadurch gibt es einen starken Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Weiters wurden Unternehmensschulden angehäuft, was zur Folge hat, dass Investitionen, die ein wichtiger Bestandteil der kapitalistischen Wirtschaft sind, nicht getätigt werden können. Besonders kleine Firmen waren gezwungen, während der letzten Monate Kredite aufzunehmen, die viele auf längere Sicht nicht zurückzahlen können. Dadurch steigt die Anzahl der sogenannten Zombie-Firmen, die nur durch Geldspritzen vor dem Bankrott bewahrt werden. Durch die Insolvenz einer großen Anzahl solcher Firmen, entsteht eine Kredit- und Finanzkrise, die die aktuelle Wirtschaftskrise noch vertiefen wird.
Die Ungleichheit verstärkt sich in der Krise
Bisher zeichnet sich keine Finanzkrise ab, die Aktien- und Anleihenmärkte sind auf einem Höhenflug. Der Grund dafür sind Billionen an Geldern und Krediten, die von Regierungen in die Hand genommen wurden, um Banken und Unternehmen zu helfen, sowie Löhne und Gehälter zu zahlen. Banken konnten dadurch ihre Rücklagen verstärken, während Unternehmen und Haushalte Ersparnisse horten.
Dennoch sind Hoffnungen, die von einem verstärkten Konsum nach einer Normalisierung durch Impfungen ausgehen, fehl am Platz. Der große Teil an den privaten Ersparnissen liegt nämlich in den Händen der Reichen, auf die nur ein kleiner Teil des Konsums fällt. Der durchschnittliche Haushalt hat während der Pandemie keine Ersparnisse angehäuft, sondern Schulden. Ähnliches gilt für den Unternehmenssektor. Die größten Anteile an Geldhilfen gingen an Großunternehmen und an die IT-Branche, ein Bereich, der kaum vom Wirtschaftsabschwung betroffen ist. Das ist die Grundlage für eine Kredit- und Finanzkrise in der Zeit nach dem Rückgang der Unterstützung durch Regierungen. Die Folgen wären der Bankrott vieler Klein- und Mittelunternehmen, das Ausbleiben erhoffter Einnahmen ausbleiben und steigende Lohnkosten.
Steigende Schulden, insolvente Firmen
Laut dem Institute of International Finance betrug die weltweite Verschuldung im November 2020 277 Billionen USD, das entspricht 365 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und bedeutet eine gewaltige Steigerung zu den 320 Prozent Ende 2019. Diese schnell aufgebauten Schulden können zu Problemen mit der Kreditwürdigkeit vieler Unternehmen führen. Besonders betroffen sind jene im Einzelhandels-, Freizeit- und Gewerbeimmobiliensektor, wo besonders viele Konkurse zu erwarten sind. Die OECD schätzt, dass je nach Sparte bis zu 30% der Unternehmen weltweit in finanzielle Notlagen geraten werden oder Insolvenzen anmelden müssen.
Im besten Fall gibt es eine schwache Erholung
Sollte die Reihe an Unternehmenspleiten nicht eintreten und eine Finanzkrise ausbleiben, so wird die wirtschaftliche Erholung der meisten Staaten trotzdem extrem schwach sein. Ausgenommen davon ist nur eine Handvoll Wirtschaften, an ihrer Spitze China, das voraussichtlich ein Drittel des gesamten tatsächlichen weltweiten BIP-Zuwachses ausmacht. Die weltweite Wirtschaft wird im besten Fall – Impfung einer großen Anzahl von Menschen und Rückkehr zu einem normalen Arbeitsalltag – frühestens Ende 2021 jenen Wert erreichen, auf dem sie 2019 stand und damit den schlimmsten Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg um 4,2 Prozent ausgleichen.
Der europäische Wirtschaftsraum steht im weltweiten Vergleich noch schlechter da. Das BIP war zum Ende des Jahres 2020 7,5 Prozent geschrumpft und die OECD geht davon aus, dass es erst Ende 2022 wieder das Niveau von 2019 erreichen wird. Österreich gehört mit einem Abschwung von 8 Prozent zu den Schlusslichtern in der Eurozone und die OECD geht nicht davon aus, dass es den Einbruch des BIP bis Ende 2022 ausgleichen kann. Es wird im besten Fall nur eine allmähliche Erholung der Wirtschaft in den nächsten beiden Jahre geben.
Wirtschaftsforscher liegen falsch
Zu Beginn der Pandemie in Österreich (Ende März) gingen Ökonomen am Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) und am Institut für höhere Studien (IHS) noch davon aus, dass es nur eine kleine Schrumpfung der Wirtschaft um 2,5 Prozent geben werde. Chefökonom der Industriellenvereinigung Christian Helmenstein war damals „optimistisch, dass Österreich auch heuer die Krise gut meistern werde, da sich […] die Einbrüche in Grenzen halten werden.“
Erst bei der Jahresabschlussbilanz mussten auch diese Ökonomen den starken Rückgang der österreichischen Wirtschaft eingestehen. Von den Prognosen der OECD mit einem Minus von 8 Prozent waren die Vorhersagen von Wifo, IHS und Österreichischer Nationalbank, die nur zwischen 7 und 7,5 Prozent errechnet haben, weit darunter. Ihre Vorhersagen für die kommenden 2 Jahre liegen zwischen 3,5 und 4,5 Prozent Wachstum, im Vergleich dazu prognostiziert die OECD 1,4 und 2,3 Prozent Wachstum zum Vorjahresniveau.
Ein Zurück zur Profitmaximierung verhindern
In einer aktuellen Umfrage des Kreditschutzverbandes 1870, für die 600 Unternehmen befragt wurden, erwartet ein Viertel der Befragten eine Entspannung der wirtschaftlichen Situation im dritten Quartal 2021, ein weiteres Viertel erst ab 2022. Das steht im krassen Kontrast zu den Prognosen der OECD. Der Chef des Umfrage-Institutes bringt das neoliberale Credo und den Wirtschaftsoptimismus der österreichischen Unternehmer auf den Punkt: „Den Krisenaktionismus müssen wir hinter uns lassen, stattdessen muss wieder zu einer wettbewerbsorientierten Volkswirtschaft zurückgekehrt werden“. Wir dürfen solchen Menschen nicht die Entscheidung über unsere wirtschaftliche Zukunft überlassen. Wir brauchen eine demokratische Kontrolle der Wirtschaft durch die Arbeiter_innen, damit in Zukunft Pandemien verhindert oder zumindest erfolgreich eingedämmt werden können. Dann stehen nicht mehr Profitmaximierung sondern die Bedürfnisse der Mehrheit im Fokus.