Warnung aus Deutschland: Faschisten führen Bundesländerwahlen an

Charlie Kimber analysiert den Wahlerfolg der AFD und zeigt, wie die rassistische Hetze der bürgerlichen und links-liberalen Parteien den Boden für den Wahlsieg bereitet haben. Wir haben den Artikel aus dem Englischen übersetzt und redaktionell bearbeitet. Übersetzung von Echo Vinasha Lex.
2. September 2024 |

Faschisten fahren zum ersten Mal seit der Zeit des Nationalsozialismus die höchsten Ergebnisse in Bundesländerwahlen ein. Es kann kein klareres Zeichen für die Gefahr durch das Erstarken des Faschismus geben: es braucht eine schnelle Antwort in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Österreich, Spanien und in zahlreichen anderen Ländern.

Die Alternative für Deutschland hat im ostdeutschen Bundesland Thüringen rund 32,5 Prozent und in Sachsen rund 31 Prozent erreicht. Damit fährt sie mehr Stimmen als jede andere Partei in Thüringen ein und war in Sachsen nur einen Prozentpunkt hinter der konservativen CDU. Thüringen, in dem die Städte Erfurt, Jena und Weimar liegen, hat eine Bevölkerung von über zwei Millionen. Sachsen zählt mit seinen Zentren Dresden und Leipzig über vier Millionen Menschen. In einem dritten ostdeutschen Bundesland, Brandenburg, wird am 22. September gewählt. Laut Umfragen führt die AfD mit rund 24 Prozent.

Höckes Spiel mit Nazi Rhetorik

Die AfD ist stark anti-migrantisch und stützt sich auf ein faschistisches Erbe. Björn Höcke, Spitzenkandidat und Vorsitzender der AfD Thüringen, wurde dieses Jahr (noch nicht rechtskräftig) für die Aussage „Alles für Deutschland“ bei einer Wahlkampfveranstaltung verurteilt. Der Slogan war die Losung der SA, die eine Schlüsselrolle in der Machtergreifung der Nationalsozialisten innehatte. Höcke, ein ehemaliger Geschichtelehrer, bestreitet, von der Verbindung der Parole zur SA gewusst zu haben. Auf einer anderen Wahlkampfveranstaltung im Dezember 2023 begann er den Satz „Alles für\…“, den die Zuhörerschaft mit „Deutschland!“ beantwortete. 2017 nannte Höcke das Holocaust-Denkmal in Berlin ein „Denkmal der Schande“. Politiker:innen hatten den Wahlkampf mit Rassismus aufgeladen. Die Messerattacke in Solingen letzte Woche verstärkte das noch. Ein syrischer Asylwerber wird beschuldigt, drei Personen in Solingen getötet zu haben. Diese schrecklichen Morde kommen genau zur rechten Zeit, um der AfD Rückenwind für ihre Schmutzkübelkampagne gegen Flüchtlinge und Muslime zu geben.

Die AfD erstarkte stetig in den nationalen Umfragen und ging aus den EU-Wahlen im Juni als stärkste Kraft hervor. AfD Bundessprecherin und Fraktionsvorsitzende im Bundestag Alice Weidel sagt, dass „migrantische Gewalt gegen Deutsche“ „eine neue Normalität“ geworden sei. Sie verlangt „einen sofortigen Einwanderungs- und Einbürgerungsstopp für mindestens fünf Jahre“. Weidel ergänzt: „Die einzige politische Kraft, die Willens ist, die Sicherheit der Bürger wiederherzustellen, ist die AfD.“

Rassismus der bürgerlichen Parteien

Aber auch jede andere große Partei bedient sich rassistischer Narrative. Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der konservativen CDU – der größten Oppositionspartei im Land, will ein Moratorium der Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien oder Afghanistan. Kanzler Olaf Scholz, SDP, versprach, nicht registrierten Migrant:innen Unterstützungsleistungen zu blockieren. Und am Freitag verließ ein von der Regierung organisierter Deportationsflug den deutschen Flughafen Leipzig/Halle in Richtung Afghanistan. Es war die erste Deportation von Afghanen seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul im August 2021. Das bewahrte die SPD aber nicht vor Stimmverlusten. In Thüringen beklagt die SPD mit 6,1 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in regionalen Wahlen seit 1945.

Die Wahlergebnisse zeigen aber nicht nur den Anstieg von Rassismus, sondern auch die Fehler der SPD-Grün-Liberalen „Ampelkoalition“.Diese übernahm 2021 die Regierung von der konservativen CDU. Aber auch sie attackierte die Arbeiterklasse und unterstützte den Krieg der NATO in der Ukraine stark. Die Ergebnisse bedeuten nicht notwendigerweise, dass die AfD in Thüringen oder Sachsen Regierungsverantwortung übernehmen wird. Andere Parteien hatten einer Koalition mit der AfD schon zuvor eine Absage erteilt. Aber wird dieses Versprechen auf der Suche nach Verantwortung und lokaler Macht auch gehalten werden?

Bündnis Sahra Wagenknecht

Der andere große Gewinner der Wahlen ist das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Es handelt sich dabei um eine sehr toxische Version des „ökonomisch links, sozial rechts“ Trends, der in Großbritannien, ähnlich, von George Galloway repräsentiert wird. Wagenknecht hatte Die Linke letztes Jahr verlassen. Sie sagte, die Partei habe ihre traditionelle Wählerschaft verlassen und sich anstatt dessen der Unterstützung der Identitätspolitik „skurriler Minderheiten“ (aus „Die Selbstgerechten“, Sahra Wagenknecht, Seite 102, Anm.) gewidmet. Das war ein offener Angriff auf Alle, die für die Rechte von LGBT+ und Trans*-Personen kämpfen und untergräbt die Wichtigkeit des Kampfes gegen Rassismus, Sexismus und andere Formen der Unterdrückung. BSW gewann aus dem Stand 15 Prozent in Thüringen und 11,5 Prozent in Sachsen. Beide finalen Umfragen zeigten es weit vor der Partei Die Linke. Wagenknecht profitiert davon anti-migrantischem Rassismus. „Wer unkontrollierte Migration zulässt, bekommt unkontrollierbare Gewalt“, sagte sie letzte Woche.

Aber sie ist auch eine der wenigen Kräfte, abseits der AfD, die Deutschlands Unterstützung für den Krieg der NATO in der Ukraine anprangert. Und sie positioniert sich als ein Freund der Arbeiter und Arbeitslosen gegen gesichtslose Konzerne und gleichgültige PolitikerInnen. Im Osten heizt sie die Stimmung an, dass die Menschen hier vom Westen zurückgelassen wurden. Die Gehaltslücke zwischen Ost und West schließt sich langsam. Aber die ländlichen Gegenden sind zerstört. Menschen verlassen sie in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Bis 2030 soll die arbeitende Bevölkerung in den östlichen Regionen um 800.000 fallen, prognostiziert die Regierung.

Nur Massenmobilisierung kann rechte Schlagen

Die deutsche Sozialistin Christine Buchholz sagt, „Es ist gut, dass zwei Tage nach der Attacke in Solingen nur 30 Demonstranten der AfD-Jugend 1.500 Demonstranten der ‚Solingen steht auf‘ Allianz gegenüberstanden. Anti-muslimischer Rassismus hat in den letzten Jahren stark zugenommen und zeigt sich in tagtäglicher Feindseligkeit, institutioneller Diskriminierung und in tätlichen Angriffen. Und Ermordungen und Angriffe wie jene, die seit dem Beginn der 2000er vorkommen, sind verbunden mit den Kriegen im mittleren Osten, in Afghanistan, Irak, Syrien und Palästina, mit hunderttausenden Toten, für die westliche Regierungen Verantwortung mittragen und deren Verbrechen totgeschwiegen werden.

Intensivierung der Kriegspolitik im Ausland und Deportationspolitik daheim, die mehr Flüchtlinge in die Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit treiben, werden solche Angriffe nicht verhindern.“ Der deutsche Sozialist Timo Koenig schreibt: „Die Antwort der Bourgeois-Politiker:innen ist purer Rassismus. Sie nehmen, beinahe einstimmig, an, dass es eine kausale Verbindung zwischen Immigration und Messergewalt gibt – und schüren so Ängste, von denen alleine die AfD profitiert. Die nächsten Wochen werden entscheidend sein: Wo immer die faschistische Rechte auf die Straße geht und versucht den Angriff in Solingen für ihre Vernichtungsfantasien zu missbrauchen, müssen wir ihnen entschlossen gegenübertreten. Es ist wichtig mit allen, die die faschistische Bedrohung stoppen wollen, gemeinsam zu agieren. Zur selben Zeit müssen wir uns gegen die Politik der regierenden Parteien und der CDU positionieren.“ Am Samstag kamen tausende Demonstranten in Thüringens Hauptstadt Erfurt zusammen um die AfD als faschistisch bloßzustellen. Anfang dieses Jahres wurde die AfD von Enthüllungen eines Geheimtreffens in einer Potsdamer Villa an einem See außerhalb Berlins, bei dem es um Massendeportationen ethnisch nicht-Deutscher ging, getroffen – deutscher StaatsbürgerInnen inklusive.

Etablierte AfD PolitikerInnen haben sich offen mit Nazis und Mitgliedern der Identitären Bewegung getroffen. Sie diskutierten die Vertreibung von Menschen „mit Migrationshintergrund“. Sofort danach schlossen sich hunderttausende Antifaschistinnen den Demonstrationen an. Der damalige AfD-Spitzenpolitiker Maximilian Krah erzählte JournalistInnen, dass Nazi-SS Mitglieder „nicht automatisch kriminelle“ wären.

Jedes Mal wurde die AfD in die Defensive gedrängt. Sie fängt sich allerdings aufgrund der Krise in der Gesellschaft, des Mainstream-Rassismus und wegen einer fehlenden, großen, kämpfenden antirassistischen Linken immer wieder.