Wir erleben einen Klimanotstand!

Die Klimaziele von Paris, den Klimawandel deutlich unter 2°C zu begrenzen, wenn möglich sogar auf 1,5°C, werden von der Politik so leichtfertig verspielt, dass man den Eindruck bekommen könnte, es ginge nicht um viel. Dabei sind die Auswirkungen des Klimawandels schon jetzt katastrophal.
13. Mai 2019 |

Jedes Hinauszögern und Verhindern von Klimaschutzmaßnahmen durch Politik und Wirtschaft hat konkrete, dramatische Konsequenzen.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz haben Wissenschaftler_innen eine Solidaritätserklärung mit den Schüler_innenstreiks veröffentlicht, die mittlerweile von über 26.800 Wissenschaftler_innen unterzeichnet wurde. Darin erklären sie, dass die Anliegen der Schüler_innen wissenschaftlich „berechtigt und gut begründet“ sind. Weiter heißt es: „Die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-­, Meeres- und Bodenschutz reichen bei weitem nicht aus.“

Meeresspiegelanstieg

Die letzten vier Jahre waren weltweit die wärmsten seit Wetteraufzeichnung. Die globale Erwärmung hat im Jahr 2017 1°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau erreicht. Seit mindestens 120.000 Jahren war es auf der Erde nicht so warm. Diese Erwärmung ist durch die Treibhausgasemissionen der Menschen verursacht worden (siehe Box rechts). Die CO2-Konzentration ist von 280 ppm (Teilchen pro Million) zu Beginn der Industrialisierung auf mittlerweile 410 ppm gestiegen, das ist die höchste CO2-Konzentration der letzten 15 Millionen Jahre. Selbst wenn die derzeitigen Klimaziele eingehalten würden, sind bis 2100 3°C Erwärmung erreicht und die Temperaturen würden auch in den Jahrhunderten danach weiter steigen. Geht es weiter wie bisher (werden also die Klimaziele nicht eingehalten), sind langfristig 7 bis 8°C Erwärmung zu erwarten.

Um die Erwärmung auf 2°C bzw. 1,5°C zu beschränken, müssen die Emissionen spätestens zwischen 2040 und 2050 auf Null gesenkt werden. Bei derzeitigen Emissionen ist das CO2-Budget (siehe Box rechts) für das 1,5-Grad-Ziel schon in 10 Jahren aufgebraucht. Wird dieses Ziel nicht eingehalten, könnten Kippunkte im Erdsystem erreicht werden, die uns jede Chance nehmen, einen weiteren Temperaturanstieg zu stoppen. Auch Meeresströmungen, Eisschilde und Gletscher, Ökosysteme und Wettersysteme wären unumkehrbar betroffen. Ein Kippen der Monsunzyklen könnte die Lebensmittelversorgung von zwei Drittel der Menschheit bedrohen.

Die Eisschilde der Westantarktis und in Grönland wären bei 2°C-Erwärmung nicht mehr zu retten und würden langfristig abschmelzen. Seit 1900 ist der Meeresspiegel um 20 Zentimeter angestiegen, die derzeitige CO2-Konzentration reicht allerdings schon aus, um den Meeresspiegel langfristig auf 2 Meter ansteigen zu lassen. Der Kollaps der Eisschilde auf Grönland und der Westantarktis würden langfristig einen Anstieg von 10 Meter bedeuten. Dicht besiedelte Küstengebiete sind durch den Meeresspiegelanstieg nicht nur durch Überschwemmungen bedroht, sondern auch durch die zunehmende Versalzung des Grundwassers und des Bodens, wodurch auch landwirtschaftliche Flächen, die nicht direkt von Überschwemmungen betroffen sind, zerstört werden.

Massenaussterben

Korallenriffe sind die vielfältigsten Ökosysteme der Ozeane. Etwa ein Drittel der weltweiten Korallenriffe wurden bereits durch den Klimawandel zerstört. Bei zu warmem Wasser stoßen die Korallen Zooxanthellen ab, das sind Einzeller, mit denen Korallen eine lebenswichtige Symbiose eingehen. Dieses Phänomen wird „Korallenbleiche“ genannt. Kommt diese zu häufig vor, wie in den letzten Jahrzehnten der Fall, sterben die Korallen ab. Zudem kommt es durch die höhere CO2-Konzentration zu einer Versauerung der Meere: es wird mehr CO2 im Wasser in Form von Kohlensäure (H2CO3) gelöst. Die Versauerung greift alle Organismen mit Kalkschalen (von Einzellern bis Muscheln) an.

Derzeit findet das größte Massenaussterben seit 66 Millionen Jahren statt. Die Aussterberate ist etwa 100 bis 1.000 Mal schneller als vor dem Einfluss des Menschen. Zwischen 1970 und 2014 sind die Bestände von untersuchten Landwirbeltierarten um 60% zurückgegangen.


Der CO2-Gehalt der Atmosphäre war über 10 Mio Jahre nicht so hoch wie heute

Versagen spürbar

Wetterextreme nehmen massiv zu. Waldbrände, Dürren, Überschwemmungen und tropische Wirbelstürme bedrohen Lebensraum und Nahrungsversorgung. Mosambik erlebte heuer binnen Wochen zwei der stärksten Zyklone in seiner Geschichte, die über tausend Menschen das Leben kosteten. Aktuell wütet in Indien und Bangladesch der Zyklon „Fani“. 800.000 Menschen mussten bereits evakuiert werden. Auch die größere Hitze bedroht Menschenleben. In Österreich sterben mittlerweile mehr Menschen an den gesundheitlichen Folgen von Hitze als im Straßenverkehr. Jedes Jahr müssen weltweit 6 Millionen Menschen aufgrund der Folgen des Klimawandels fliehen. In den nächsten 50 Jahren könnten 250 Millionen bis 1 Milliarde Menschen vertrieben werden.

Bereits vor Jahrzehnten warnten Wissenschafter_innen eindringlich vor den Folgen des Klimawandels. 1988 hielt der renommierte Klimaforscher James Hansen, Direktor des Goddard Institute for Space Studies der NASA, vor einer Kommission im US-Senat eine vielbeachtete Rede. Sogar neoliberale Politiker_innen wie Margaret Thatcher und George Bush sen. kündigten entschiedene Maßnahmen in der Öffentlichkeit an. Doch nichts geschah, die Emissionen sind in den letzten dreißig Jahren alarmierend gestiegen.

Es ist Zeit den Klimanotstand endlich als solchen zu behandeln. Die Klimakatastrophe ist keineswegs besiegelt. Die Klimaziele können erreicht werden. Allerdings stehen uns die politischen Entscheidungsträger im Weg. Die aktuellen Protestbewegungen geben Hoffnungen, dass wir ihnen das Ruder aus der Hand reißen können.

Es gilt zu verhindern, dass die genannten Kippelemente wie Dominosteine hintereinander zu purzeln beginnen

Der Klimawandel ist menschengemacht!

  • CO2 ist ein Treibhausgas, das sowohl in Experimenten gemessen, als auch in der Natur beobachtet werden kann. Die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre waren in der Erdgeschichte der wichtigste Faktor für das Klima.
  • Seit Beginn der Industrialisierung haben die Menschen etwa 2.000 Milliarden Tonnen CO2 emittiert, alleine im Jahr 2018 lagen die Emissionen bei schätzungsweise 42 Mrd. Tonnen.
  • Etwa 57% dieser Emissionen sind von der Atmosphäre aufgenommen worden, die restlichen 43% sind zum Großteil von den Ozeanen und zu einem geringeren Teil von Pflanzen, die bei steigenden Konzentrationen bis zu einem gewissen Grad mehr CO2 aufnehmen können. Das CO2 in den Ozeanen führt zur Versauerung des Wassers.
  • Durch die Abholzung von Wäldern wird ein natürlicher Kohlenstoffspeicher entfernt, was nach den Emissionen der zweite Eingriff der Menschen ist, der zum Anstieg der CO2-Konzentrationen führt.
  • Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lagen die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre bei etwa 280 ppm, seitdem sind sie mittlerweile auf 410 ppm im Jahresmittel angestiegen.
  • Auch andere wichtige Treibhausgase wie Methan (CH4) und Lachgas (N2O) werden vor allem durch die Landwirtschaft emittiert und tragen ebenfalls zur globalen Erwärmung bei.

CO2-Budget

CO2 ist ein sehr stabiles Molekül, das, sobald es einmal in der Atmosphäre ist, dort sehr lange bleibt. Je mehr CO2 emittiert wird, desto mehr ist in der Atmosphäre, desto höher steigt die Temperatur. Daher lässt sich die Summe des insgesamt von Menschen ausgestoßenen CO2 gut mit dem Temperaturanstieg korrelieren. Es bleibt nur noch eine gewisse Rest-Menge, die wir emittieren können, bis 1,5°C bzw. 2°C Erwärmung erreicht sind. Diese Rest-Menge ist das verbleibende CO2-Budget.

Das Budget für das 1,5-Grad-Ziel ist etwa halb so groß wie für das 2-Grad-Ziel. Alles, was von diesem Budget jetzt verbraucht wird, macht es für die Zukunft schwieriger, das Budget noch einzuhalten. Je später die Emissionen beginnen zu sinken, desto schneller müssen sie auf null sinken. Bei Überschreitung des Budgets müsste mit viel Aufwand CO2 der Atmosphäre wieder entnommen werden (negative Emissionen).