Wir müssen die türkische Community gegen Rassismus verteidigen!

Mit großem Unbehagen beobachtet die türkische Community in Österreich, dass die Vorstöße in Richtung eines Demonstrationsverbots für türkische Staatsbürger_innen breite Zustimmung ernten. Nicht zu Unrecht sehen sie antitürkischen Rassismus als den wirklichen Hintergrund der jüngsten Regierungskampagne.
24. Juli 2016 |

Zur Erinnerung: Eine von „Neue Linkswende“ initiierte Demonstration gegen den Militärputsch in der Türkei bot Anlass zu heftiger Kritik. Außenminister Sebastian Kurz von der ÖVP nutzte die Gelegenheit den türkischen Demonstrant_innen die Heimreise nahe zu legen. Sein Parteichef Reinhold Mitterlehner forderte in unverhohlen chauvinistischem Ton „mehr Loyalität und Respekt gegenüber Österreich als Gastland“. Ganz gezielt werden Bilder zwischen „uns“ und „denen“, mit ihren „ihren“ Problemen, konstruiert.

Bundeskanzler Christian Kern ging nicht ganz so weit, aber auch seine Aussage ist nicht frei von patriotischer Überheblichkeit: „Man muss es mit einem gewissen Unbehagen sehen, wenn hier politische und religiöse Motive vermischt werden. Das sind wir nicht gewohnt und das passt auch nicht zu unserer politischen Kultur.“ Norbert Hofer von der FPÖ hätte am liebsten, wenn Einbürgerung von Türken ausgesetzt werden.

Regierung hat Menschenrechte gebrochen

Grenzen schließen, Notstand ausrufen, Obergrenzen für Asylanträge einführen, Bundesheer gegen Flüchtlinge einsetzen – die Bekundungen für ein Demonstrationsverbot für türkische Staatsbürger_innen sind keine – irgendwie nachvollziehbare – Einzelmaßnahme, sondern reihen sich nahtlos in die ausländerfeindlichen Vorstöße des vergangenen Jahres ein. Vordergründig ist die Sorge um den autoritären Kurs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, seine Aussetzung der Europäischen Menschenrechtsrechtskonvention (EMRK), der Anlass zur Sorge bei unseren Spitzenpolitiker_innen bietet.

Aber die Darstellung ist schnell widerlegt. Österreich wird selbst seit Februar 2016 von der EU-Kommission vorgeworfen, gegen die EMRK, gegen die Genfer Konvention und gegen den Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu verstoßen. Die Obergrenzen für Asylanträge widersprechen ganz klar den von Österreich eingegangenen rechtlichen Verpflichtungen. Jeder Asylantrag, der an Österreichs Grenzen oder im Binnenland gestellt wird, müsste gültigem Recht entsprechend akzeptiert und behandelt werden.

Tatsächlich hat Österreich schon lange vor Erreichen der rechtswidrigen Obergrenzen die heftig umstrittenen Notverordnungen umgesetzt. In Spielfeld wurden über 700 Asylsuchende willkürlich ausgesondert und nach Slowenien deportiert. Es sind also mit Sicherheit nicht die Sorgen um die Menschenrechte, die das offizielle Österreich bewegen.

Sympathien für Sisis Diktatur

Ein weiteres schlagkräftiges Argument dafür, ist die unterschiedliche Behandlung des ägyptischen und des türkischen Regimes. Das ägyptische Militär unter Führung von General Abdel Fattah al-Sisi hat 2013 gegen Präsident Mohammed Mursi von der Muslimbruderschaft geputscht, hat vor laufenden Kameras über 1.000 Demonstrant_innen massakriert und laut Schätzungen 50.000 Anhänger_innen der Muslimbruderschaft in die Foltergefängnisse geworfen.

Für Außenminister Kurz und damit für die gesamte Bundesregierung gilt Diktator al-Sisi aber als „ein wichtiger Partner“. Er sei zwar „nicht perfekt, aber was ist unsere Alternative?“, fragte Kurz. Die Muslimbrüder an der Macht wolle man jedenfalls nicht, gab Kurz ganz offen zu. Die österreichische Realpolitik, erklärt mit Sebastian Kurz‘ Worten, spricht Bände: Es geht nicht um Demokratie und es geht nicht um Menschenrechte, der rote Faden der sich durch die Asyl- und Zuwanderungspolitik zieht, ist Rassismus.

Es war die österreichische Regierung, die die Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge betrieben hat. Sie hat damit selbst gesteckte Normen aufgegeben und hat der EU in einer ihrer tiefsten Krisen das Hackl ins Kreuz gehaut, wie man so schön sagt. Nicht, dass wir die EU für besonders menschenrechtsfreundlich halten würden, aber die österreichische Regierung hat längst jede moralische Autorität in solchen Fragen verspielt.

Schulter an Schulter gegen Rassismus

„Die sollen sich gefälligst integrieren“ ist schon seit Jahren die zentrale Schiene einer Politik, die am besten als Staatsrassismus beschrieben werden kann. Vergangenen Herbst hat der Druck einer Massenbewegung aus Flüchtlingen und ihren Unterstützer_innen die Öffnung der österreichischen Grenzen erzwungen und eine ungeahnte Welle der Solidarität ausgelöst. Die Regierung empfand das ganz offensichtlich als Rückschlag und als Bedrohung.

Eine Million Kämpferinnen und Kämpfer gegen die FPÖ!

Eine Million Kämpferinnen und Kämpfer gegen die FPÖ!

Es ist eine Tragödie, dass sie mit antitürkischem Rassismus wieder verstärkt öffentliche Unterstützung sammeln konnte. Die türkische Community in Österreich ist schon lange zuvor ein bevorzugtes Opfer der FPÖ gewesen. Wir müssen Schulter an Schulter mit Türkinnen und Türken, egal ob sie Erdoğan-Anhänger_innen sind oder nicht, gegen Rassismus und gegen Faschismus in Österreich kämpfen.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.