Wohin führt Kickl die FPÖ?
Die Geschichte der FPÖ in der Zweiten Republik ist schnell erzählt: „Ehemalige“, aber dem NS-Gedankengut verhaftete Nazis, gründeten 1949 den Verband der Unabhängigen (VdU). Nach Abzug der Alliierten lösten die Ewiggestrigen 1956 den VdU auf. Der Nazi-Flügel um den ehemaligen NS-Minister, SS-Mann und 1.FPÖ-Obmann Anton Reinthaller schuf die Nachfolgepartei und reinigte sie von liberalen Abweichlern. Möglich war all dies nur durch die Zustimmung der Großparteien ÖVP und SPÖ. Die hofften, die braune Neuformierung würde der jeweils anderen Partei Stimmenverluste bescheren. Seither versteckt die FPÖ ihre wahre Gesinnung mehr oder weniger gut. Je nachdem wo sie gerade ihren Schwerpunkt setzt: auf Wahlerfolge und Hoffnung auf Regierungsbeteiligung oder in Richtung faschistischer Kaderisierung mit Versuchen eine Straßenbewegung aufzubauen.
Kickls politischer Ziehvater Jörg Haider umschmeichelte SS-Veteranen bei ihren Treffen: „Es ist gut, dass es in dieser Welt noch anständige Menschen gibt, die einen Charakter haben, die auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer Überzeugung bis heute treu geblieben sind.“ Seinen Schwenk vom traditionellen Deutschnationalismus hin zum Österreich-Patriotismus hielten die Burschenschafter für Verrat. Sein Nachfolger Strache holte die Burschenschafter wieder ins Zentrum der FPÖ, verfiel aber wie Haider mit den Wahlerfolgen der Selbstgefälligkeit und Korruption.
Rechtsextreme Kurswechsel
In der neonazistischen deutschen Zeitschrift N.S. Heute schwärmte der Neonazi Gottfried Küssel über Kickl: „Der einzige in der ganzen FPÖ, der politisch denkt, ist der Kickl. Der Rest sind – im übertragenen Sinne – die Schweine, die zum Trog rennen. Die haben ihre Weltanschauung doch schon tausendmal über Bord geworfen. […]“ Kickl steht für den Schulterschluss mit der außerparlamentarischen Neonazi-Szene. Der Kampf gegen Hofer wurde öffentlich, als Kickl verkündete, er werde „die engen Mauern des Parlaments verlassen“, und sich den Coronaleugner-Demos anschließen. 2016 geiferte Kickl bei einer rechtsextremen Tagung, dass er sich beim „Kongress der ganz normalen Leute“ wohler fühlen würde als bei den „mieselsüchtigen Gestalten“ im Parlament. Für die Gunst der Burschenschafter machte er Udo Landbauer, der mit der NS-Liederbuch-Affäre einschlägig bekannt wurde, zum Stellvertreter.
Kickl verwendet bewusst den identitären Verschwörungsbegriff vom „Bevölkerungsaustausch“ und nennt die Neofaschisten ein „interessantes und unterstützenswertes Projekt“. Dank der ideologischen Nähe zwischen FPÖ und den Identitären schreiben im FPÖ-nahen Magazin Freilich braune Aktivisten aus dem Netzwerk des deutschen Vordenker Götz Kubitschek, Autoren von Antaios, Blaue Narzisse und Sezession. Der Grazer FPÖ-Gemeinderat Heinrich Sickl, der den Identitären bis 2019 Räumlichkeiten vermietete, ist Geschäftsführer der Freilich Medien GmbH und Herausgeber des Freilich Magazins.
Kickl denkt offensichtlich, dass jetzt die Zeit gekommen ist, die Partei noch weiter nach rechts zu führen und ideologisch zu festigen.