Womit die Polizei ersetzen?
Die Aufgabe der Polizei ist es, die herrschende Gesellschaftsordnung zu beschützen. Wenn das stimmt, dann folgt daraus, dass sie nicht reformiert werden kann, dann steht und fällt sie mit dem System. Tatsächlich haben die Menschen im Zuge von Revolutionen meist als ersten Schritt den Polizeiapparat abgeschafft. In den ersten Stunden der ägyptischen Revolution vom Jänner 2011 wurden über 60 Polizeistationen niedergebrannt. Man sah in Kairo wochenlang keine uniformierten Polizisten mehr. Allerdings scheiterte dieser erste Anlauf zur Revolution und seit ihrer Niederschlagung ist die Rache der Uniformierten an der Bevölkerung fürchterlich. Willkürliche Verhaftungen und Folter sind an der Tagesordnung.
Gewählte Polizei
Die Pariser Kommune von 1871 hat der Welt vorgemacht, wie Arbeiter_innen mit der Polizei verfahren sollen, wenn sie die Macht ergreifen. Die Pariser Polizei wurde zur Gänze aufgelöst, stattdessen wurden die einfachen Menschen bewaffnet. Aber die Bewaffneten konnten sich nicht verselbstständigen. Sie wurden gewählt, von der lokalen Bevölkerung kontrolliert und konnten jederzeit abberufen werden. Friedrich Engels schrieb über dieses neue Geheimrezept zur Absicherung der Demokratie: „Gegen diese in allen bisherigen Staaten unumgängliche Verwandlung des Staats und der Staatsorgane aus Dienern der Gesellschaft in Herren der Gesellschaft wandte die Kommune zwei unfehlbare Mittel an. Erstens besetzte sie alle Stellen, verwaltende, richtende, lehrende, durch Wahl nach allgemeinem Stimmrecht der Beteiligten, und zwar auf jederzeitigen Widerruf durch dieselben Beteiligten. Und zweitens zahlte sie für alle Dienste, hohe wie niedrige, nur den Lohn, den andre Arbeiter empfingen.“
Es klingt so einfach, doch das 1871 durchgesetzte Prinzip der demokratischen Wahl der Staatsorgane, ihre direkte Verantwortlichkeit gegenüber den Wähler_innen und ihre jederzeitige Abberufbarkeit sind wirklich revolutionär und die Garantie „um nicht ihrer eignen, erst eben eroberten Herrschaft wieder verlustig zu gehen“, wie Engels schrieb. Was für ein Unterschied zu dem was wir heute Demokratie nennen, wo Polizisten so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen werden, und der ganze Polizeiapparat wie ein Geheimbund agiert, vor dem sich einfache Menschen fürchten müssen.
Rätedemokratie
Natürlich konnten Revolutionen nicht dabei stehen bleiben. Hand in Hand mit der Bewaffnung der Bevölkerung ging die Neugestaltung der Regierung. In der Pariser Kommune wählte die einfache Bevölkerung der Bezirke ihre Abgeordneten und entsandte Delegierte in eine zentrale Regierung. Die Delegierten konnten allerdings genauso jederzeit abberufen werden und bekamen den durchschnittlichen Lohn eines Arbeiters. Außerdem waren sie nicht mehr formell neutral (während sie insgeheim den Herrschenden verpflichtet waren), sie waren ihrer Wählerschaft verpflichtet und wurden auch für die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen verantwortlich gemacht.
Lebendige Geschichte
Ähnliche Alternativen zur parlamentarischen Demokratie entstanden wieder und wieder seit der Pariser Kommune: 1905 und 1917 in Russland, 1919 in Österreich, Deutschland und Ungarn, 1936 in Spanien, 1956 in Ungarn, 1974 in Portugal und 1979 im Iran. In Russland nannten sich diese gewählten Vertretungen Sowjets, in Österreich und Deutschland sprach man von Rätedemokratie. Es ist kein Zufall, dass sie immer in Zeiten der Revolution aufgetaucht sind. Revolutionen entstehen, wenn die alltäglichen Kämpfe der Werktätigen mit einer Kapitalistenklasse zusammenstoßen, die entschlossen ist, ihre Autorität zu behaupten. Die Arbeiter_innen können sich nur durchsetzen, wenn sie auch den bewaffneten Apparat des Staates konfrontieren. Deshalb bilden sich die zukünftigen Organe eines revolutionären Arbeiter_innenstaates schon in den Kämpfen auf den Straßen und Betrieben heraus. Jeder heutige Protest, Streik und Aufstand enthält den Keim einer zukünftigen Revolution in sich.
Pariser Kommune: Von 18. März bis 21. Mai 1871 war die Stadt Paris in den Händen der arbeitenden Bevölkerung. Für Karl Marx war die Revolution und die radikal demokratische Gesellschaft, die daraus hervorging, eines der wichtigsten Ereignisse der Geschichte. Sein Werk Der Bürgerkrieg in Frankreich vom Mai 1871 ist eine brillante Verteidigung des Konzepts der „Diktatur des Proletariats“.