Zu Besuch in Traiskirchen: Die Verantwortlichen streiten alles ab

NEWS-Journalist Yilmaz Gülüm war mehrere Male im Flüchtlingslager Traiskirchen. Auf Facebook schilderte er in einem Bericht Anfang Juli die menschenunwürdigen Zustände. Die „Neue Linkswende“ übernimmt seine Dokumentation.
17. August 2015 |

Ich war am Donnerstag, 9. Juli 2015, im Flüchtlingslager Traiskirchen. 3.500 Asylwerber leben dort aktuell. Für 1.200 davon gibt es weder ein Bett noch ein Dach über dem Kopf. Sie schlafen am Boden und zwischen den Bäumen, da wo es halt zufällig gerade schattig ist. Dieser Ort ist eine Schande für das reiche Österreich.

Praktisch alle, mit denen ich gesprochen habe, haben sich über das schlechte Essen beschwert. Mehrere obdachlose Flüchtlinge erzählten, sie dürfen auch zum Duschen nicht in die Wohngebäude – sie könnten ja drinnen bleiben und den anderen ein Bett wegnehmen. Die Verantwortlichen streiten das ab.

Ende Juli war Yilmaz Gülüm wieder in Traiskirchen und spielte mit einem kleinen Mädchen „Volleyball“ über den Zaun des Erstaufnahmezentrums
Ende Juli war Yilmaz Gülüm wieder in Traiskirchen und spielte mit einem kleinen Mädchen „Volleyball“ über den Zaun des Erstaufnahmezentrums

Ein Vater, vier Kleinstkinder, erzählte mir, er kriegt nicht einmal Warmwasser für sein Milchpulver. Die Verantwortlichen streiten auch das ab.

Verantwortlich ist das Innenministerium. Die Beamten sagen ganz offen, dass Traiskirchen menschenunwürdig ist. Eigentlich möchte niemand, dass die Lage so bleibt: Das Innenministerium nicht, die Gemeinde nicht, die Bürger nicht, und am wenigsten die Flüchtlinge. Nur finden sich zu wenige neue Unterkünfte, oder sie scheitern an irgendwelchen Widerständen.

In Traiskirchen stehen zum Beispiel 31 Zimmer für je 8 Personen leer. Sie dürfen nicht belegt werden, weil dann Brandschutzvorschriften und ähnliches nicht mehr eingehalten werden können.

Wohncontainer – mies, aber immer noch besser als Obdachlosigkeit – scheitern bisher an Baubewilligungen der Gemeinden.Überhaupt haben die meisten Gemeinden irgendwelche Gründe, warum ausgerechnet bei ihnen leider keine Flüchtlinge wohnen können. In zwei Drittel der Gemeinden wohnt derzeit kein einziger Flüchtling.

Flüchtlingshilfe: „Die lachenden Gesichter waren unser Lohn“

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Beeindruckend war für mich, dass viele Flüchtlinge trotz der tristen Lage ihren Optimismus und ihren Humor nicht verloren haben. Auf die Frage, was denn am meisten fehle, sagte ein obdachloser Flüchtling: „Wir hätten hier gerne eine Disco“.

Bericht ursprünglich Facebook erschienen
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.
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