Arbeiter besetzen Schiffswerft: „Wir könnten tausende Jobs in Windkraft schaffen“

Harland and Wolff, der Belfaster Schiffswerft, die die Titanic gebaut hat, droht die Schließung. In den vergangenen Jahren hat die Werft Windkraftwerke ausgerüstet. Die Arbeiter halten die Werft besetzt, weil es keinen Grund gibt, in die Arbeitslosigkeit geschickt zu werden – im Gegenteil.
17. September 2019 |

So werden zukünftige Arbeitskämpfe wohl immer häufiger ablaufen. Arbeiter_innen sehen nicht ein, warum sie arbeitslos werden sollten, nur weil ihre Bosse nicht genügend Gewinne machen, wo doch Bedarf an den Produkten herrscht, die sie herstellen können, ihre Arbeitskraft zur Verfügung steht und die benötigten Rohstoffe ebenfalls. Sie sehen ganz klar, dass ihr Wissen und ihre Fähigkeiten gebraucht werden, um die Energiewende und die Umstellung der Wirtschaft auf ökologisch nachhaltige Produktion zu bewerkstelligen.

Bei Harland and Wolff, der Titanic-Schiffswerft, die in ihren Spitzenzeiten 35.000 Arbeiter_innen beschäftigt hat, ist der Fall beispielhaft. Die Arbeiter erklärten gegenüber der UNITE Gewerkschaft: „In Windkraftwerken und Gezeitenkraftwerken steckt massives Potential.“ Sie wissen außerdem, dass Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energie nicht nur eine langfristige Lösung (für sie) darstellen, es ist wegen der Gesamtheit ihrer Fähigkeiten auch eine praktische. Einige nannten die US-Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez und den Green New Deal als ihre Inspiration. Ein Sprecher von UNITE erzählte von den Arbeitern, die die Werft besetzt halten: „Sie sagen, dass sie tausende Jobs schaffen könnten, und dass wir eine gerechte Umstellung auf erneuerbare Energie brauchen.“

Wir entscheiden

Anfang August sollte die Werft in die Insolvenz geschickt werden, aber die Arbeiter hatten die Nase voll. Wochenlang haben sie und die Gewerkschaften an die britische Regierung appelliert, einzuschreiten und die Insolvenz abzuwenden. Kurzerhand besetzten sie die Werft, und schlossen die Tore. Die Insolvenzverwalter konnten das Gelände nicht betreten. Der Betriebsrat der Werft, Joe Passmore, sagt dazu: „Wir würden keine Leute akzeptieren, die unsere Interessen nicht voll und ganz vertreten, und sie unsere Werft übernehmen lassen … wir führen jetzt dieses Gelände, und wir entscheiden, wer reinkommt und wer nicht.“

Appelle an Boris Johnson, eine Fabrik wieder zu verstaatlichen, mussten ins Leere gehen. Johnson hat bis heute auf die Forderung der Gewerkschaften nicht reagiert. Dagegen wurde in Schottland gerade eben im August 2019 die Ferguson Werft in Glasgow wieder verstaatlicht, bevor sie abgedreht und zugesperrt werden konnte. Arbeiter der Ferguson Werft haben die Kollegen in Belfast demonstrativ besucht, um ihre Solidarität zu zeigen.

A Million Climate Jobs

Die Vision der Werftarbeiter, in ihrer Fabrik „tausende Jobs“ für die Erzeugung von Windrädern und Gezeitenkraftwerken zu schaffen, ist in Großbritannien nicht völlig neu. Eine Reihe von britischen Gewerkschaften unterstützen schon länger eine Kampagne mit dem Titel „One Million Climate Jobs“.

„Politiker eiern herum und verweigern durchwegs den Abschluss von verpflichtenden internationalen Abkommen um die Emissionen zu reduzieren. Gleichzeitig zahlen die Werktätigen den Preis für eine Krise, die sie nicht verursacht haben, mit drohender Arbeitslosigkeit und sinkenden Einkommen. Beinahe zwei Millionen Menschen sind arbeitslos – eine Million davon junge Menschen. Aktuell ist nur einer von 40 Arbeitsplätzen ein Vollzeitjob mit langfristiger Arbeitsplatzgarantie. Niedrige Löhne, Arbeitslosigkeit und die Kürzung von Sozialgeldern haben zur Folge, dass Millionen Familien sich entscheiden müssen, ob sie ihre Wohnungen warm genug heizen oder sich regelmäßige Mahlzeiten leisten können. … Mit relativ geringem Aufwand können wir all diese Probleme angehen. Wir können Millionen staatlich garantierte Arbeitsplätze in der erneuerbaren Energie schaffen, in der Verbesserung der Energieeffizienz, indem wir Wohnungen und öffentliche Gebäude isolieren, indem wir den öffentlichen Verkehr massiv ausbauen, um die Menschen und Frachtgüter sauber zu transportieren, und indem wir die Fähigkeiten durch Ausbildung und Training entwickeln, die wir benötigen werden. Eine Million anständig bezahlte staatliche garantierte Arbeitsplätze und die zusätzliche halbe Million Arbeitsplätze, die als Nebenprodukte entstehen, könnten die Wirtschaft ankurbeln. Das ist die Alternative zu Kürzungen und zur Inaktivität der Regierung während die Welt in Richtung Klimakatstrophe schlittert.“

Aktionen wie die Werftbesetzung in Belfast zeigen, wie diese Kampagne Realität werden kann.